Vor Beginn der Aufarbeitung der Sturmschäden sollte grundsätzlich festgelegt werden, in welcher Reihenfolge und mit welcher Priorität die unterschiedlichen Baumarten und Bestände aufgearbeitet werden. Dabei müssen die Aspekte

  • "Aufnahmefähigkeit des Holzmarkts"
  • "Vermarktbare Sortimente und Holznutzung"
  • "Waldschutz"

berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Aufarbeitungsgeschwindigkeit. Je nach Sturmholzanfall (Menge und Baumarten) im Betrieb, Lage am Holzmarkt, eigener Ausstattung mit Arbeitskapazität und Möglichkeiten zur Holzlagerung ist es sinnvoll, die Aufarbeitung zu strecken. Dabei muss jedoch die aktuelle Waldschutzsituation und deren Entwicklung beobachtet werden (zu Baumarteneignung und Voraussetzungen siehe auch Merkblatt Lebendlagerung).

Im Folgenden wird die Aufarbeitungsstrategie der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg (für den Staatswald) nach dem Sturmereignis "Lothar" im Dezember 1999 als Beispiel für ein mögliches Vorgehen beschrieben:
 

Ziel Strategien
Das angefallene Laubholz soll schnell und werterhaltend aufgearbeitet werden.>Wertvolles Laubholz wird vor Nadelholz aufgearbeitet.
Folgeschäden durch Insekten an stehenden Beständen werden minimiert.>Bruchholz wird bevorzugt aufgearbeitet. Zerstreuter Hiebsanfall wird vor großen Sturmflächen aufgearbeitet. Laufende Kontrolle der "lebend gelagerten Bestände" auf Insektenbefall und ein auf die Waldschutzsituation abgestimmtes Aufarbeitungskonzept
Ein Teil des Nadelholzes aus dem Staatswald belastet den Holzmarkt nicht zu den Stoßzeiten, da es ihm zunächst durch Lagerung entzogen wird.>Ein Großteil des Nadelholzes aus dem Staatswald wird in Nasslager eingelagert und gelangt erst zu einem späteren Zeitpunkt auf den Markt. Dadurch kann der Nichtsstaatswald sein Stammholz frühzeitig absetzen.

Folgende Reihenfolge wurde festgelegt, wobei Anpassung an lokale Gegebenheiten nötig waren:

  1. Freiräumen der benötigten Transport- und Waldwege, Sicherstellung des Zugangs zu den Schadensflächen und der Abfuhr von aufgearbeitetem Holz. Es empfiehlt sich, zunächst nur die Wege zu den benötigten Flächen zu räumen (soweit dies mit evtl. [Erholungs-] Verkehr vereinbar ist) und – falls möglich – direkt vermarktbare Sortimente auszuhalten. Vorschnelles und bankettscharfes Durch- und Absägen der Bäume erhöht Absatz-, Lagerplatz- und Waldschutzprobleme.
  2. Aufarbeitung von Buchen- und Buntlaubwertholz – mindestens Güteklasse B und ab L 3b (3a) – zunächst auf Großflächen bis April 2000 (d.h. bei einem Wintersturm bis vier Monate nach dem Ereignis), danach auch den zerstreut liegenden Hiebsanfall bis August 2000 (bis acht Monate nach dem Sturmereignis). Hintergrund war die Vermeidung einer schnellen Entwertung des wertvollen Laubstammholzes. Zudem sollte die kostenintensive Aufarbeitung von schwächeren und geringwertigen Laubholzsortimenten aus betriebswirtschaftlichen Gründen unterbleiben bzw. auf unvermeidbare Fälle beschränkt bleiben.
  3. Aufarbeitung von Nesterwürfen, insbesondere mit Bruch bei Fichte und Kiefer (motormanuell), Beseitigung der Baumstümpfe, Aushaltung als Langholz. Hier spielte die Vermeidung der Borkenkäfergefahr eine entscheidende Rolle, denn Bruchholz wird am schnellsten von rindenbrütenden Borkenkäfern befallen. Insbesondere Nesterwürfe und konzentrierte Einzelwürfe sind Ausgangspunkte für weitere Borkenkäferschäden an stehendem Holz. Diese Gefahr gilt es durch vollständige Beseitigung des Brutmaterials von Anfang an zu minimieren.
  4. Aufarbeitung von Großflächen mit Fichte und Kiefer durch Unternehmer bis März 2001 (15 Monate nach dem [Winter-] Sturmereignis). Durch das große bundesweite Angebot an Vollerntern und Harvestern konnten große Sturmflächen weitgehend gleichzeitig mit den Nesterwürfen aufgearbeitet werden. Bei fehlendem Absatz oder Nasslagermöglichkeiten sollte die Aufarbeitung zurückgestellt werden. Als ideal für die Streckung der Aufarbeitung wurden Großflächen mit einem Bruchholzanteil < 20 % angesehen.
  5. Andere Nadelbaumarten. Aus den Erfahrungen von 1990 haben sich die Tannenborkenkäfer als weniger aggressiv erwiesen. Auch von der Douglasie geht nur eine geringe Waldschutzgefahr aus. Insbesondere die Douglasie wurde unaufgearbeitet als bis 2002 lagerfähig eingeschätzt (> 24 Monate nach dem Sturmereignis).
  6. Eiche Wert- und Stammholz sowie Pappelstammholz. Eiche sollte nur bei Bedarf aufgearbeitet werden. Beide Holzarten konnten auch mit geringem Risiko unaufgearbeitet bis in den Winter 2001/2002 liegen bleiben, u. U. sogar bis zum Frühjahr 2002 (12 – 24 Monate nach dem Sturmereignis).
  7. Nachrangige Aufarbeitung von schwächerem Nadelholz (< 20cm BHD) und Laubindustrieholz. Verzicht auf Behandlung von Schlagabraum im Jahr 2000. Aus den Erfahrungen von 1990 hat sich die Gefahr durch den Kupferstecher als beherrschbar erwiesen. Von Laubhölzern geht keine große Gefahr rindenbrütendender Borkenkäfer aus.

Erfahrungen und Wertung Reihenfolge der Aufarbeitung

Es hat sich gezeigt, dass die aufgestellte Reihenfolge der Aufarbeitung richtig war. Erfolgreich wurde die Strategie "bevorzugte und rasche Aufarbeitung wertvollen Laubholzes bis Mai 2000" (fünf Monate nach dem Ereignis) angewendet. Trotz der sich dem Ende zuneigenden Laubholzsaison und erheblichem Anfall von Eichenholz in Frankreich konnten nennenswerte Holzmengen zu akzeptablen Holzpreisen vermarktet werden.

Differenzierter müssen dagegen die Punkte "Aufarbeitungsreihenfolge" und "Aufarbeitungsgeschwindigkeit" beurteilt werden. Die Vorgaben wurden zwar nicht grundsätzlich in Frage gestellt, im Laufe des Sommers entfernte sich die Realität zunehmend von den ausgegebenen Strategien. Deshalb können die Strategien zur Aufarbeitungsreihenfolge nur teilweise als gelungen angesehen werden.

  • Viele Großflächen konnten mechanisch aufgearbeitet werden. Der höheren Leistung entsprechend waren diese Flächen entgegen der Strategie häufig schneller aufgearbeitet als die Kleinflächen. Einige Unternehmer versuchten mit erpresserischen Methoden, Arbeiten auf den für sie lukrativen Großflächen durchzusetzen, anstatt die für sie vorgesehenen (Klein‑) Flächen zu bearbeiten.
  • Die zügige Beschickung der Nasslager machte in vielen Fällen einen frühzeitiger Einsatz von Vollerntern auf Großflächen nötig.
  • Die Erwartungshaltung der privaten und körperschaftlichen Waldbesitzer hatte einen gewissen Einfluss, die Aufarbeitungsgeschwindigkeit nicht zu senken.
  • Die psychische und emotionale Belastung der Mitarbeiter führte bei diesen zum Verlangen nach schnellstmöglicher Beseitigung der Schäden.
  • Mangelnde Disziplin und Solidarität einiger Forstbediensteter und Waldbesitzer führte zu einem Wettkampf um Ressourcen und Verkaufsverträge. Dementsprechend verschärfte sich das Aufarbeitungstempo in den ersten Monaten der Aufarbeitung laufend.

Nachrangige Aufarbeitung schwächeren Nadelholzes

  • Entgegen den Erwartungen hat sich in den Sturmfolgejahren gezeigt, dass auch Schäden durch den Kupferstecher bestandesbedrohende Ausmaße annehmen kann. Dies muss in einer künftigen Strategie berücksichtigt werden.

Folge der schnellen Aufarbeitung

  • In einigen Forstbezirken konnte das Holz aufgrund des Engpasses bei der Fuhrkapazität nicht aus dem Wald abfließen. Lagermöglichkeiten an der Waldstraße waren bald erschöpft. Durch die längere Lagerzeit an den Waldwegen kam es zu einer Verschärfung der Waldschutzsituation und teilweise zu einer Qualitätsminderung des Holzes. Wenn die Waldschutzsituation und die Arbeitsorganisation es zu lassen, sollte bei einer ungeklärter Transportsituation der Lebendlagerung im Bestand der Vorzug vor einer Aufarbeitung des Holzes und der anschließenden Lagerung am Waldweg gegeben werden.

Ratgeber Forstliches Krisenmanagement

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