Das Jahr 2022 war wieder eines mit neuen Extremen. Nach 2018 war es das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 und es zählt zu den trockensten Jahren seither. Die Jahresdurchschnittstemperatur lag mit 9,9°C gleichauf mit 2018. Das Jahresniederschlagsdefizit lag bei -13%.

Auf einen Blick

  • Fichtenborkenkäfer: Schadholz in Höhe von 4 Mio. Efm
  • Weiterhin deutliche Eichenschäden in Nordbayern, regional zunehmende Vitalitätsdefizite und Absterbeerscheinungen
  • An Buche lokal gravierende, fortschreitende Vitalitätsbeeinträchtigungen durch Pathogene und Trockenheit
  • Ausbreitung der Braunfleckenkrankheit an Bergkiefer, erster Nachweis an weiteren Kiefernarten
  • An Ahorn weitere Ausbreitung von Rußrindenkrankheit und Ahorn-Stammkrebs
  • Quarantäneschaderreger: Aufhebung der ALB-Quarantänezone Ziemetshausen

Situation der Fichte

Im Jahr 2021 konnten sich zwei Generationen von Buchdruckern und Kupferstechern mit jeweils zwei Geschwisterbruten bis in mittlere Höhenlagen fertig entwickeln (bis 600 m ü. NN). Die Ausgangsdichten für 2022 lagen somit auf einem hohen Niveau. Das kühle Aprilwetter verzögerte den ersten Schwärmflug der Fichtenborkenkäfer.

Mit den frühsommerlichen Temperaturen der ersten beiden Maiwochen schwärmten sie zur Anlage der ersten Generation aus. Das Borkenkäfermonitoring verzeichnete bayernweit ein sehr konzentriertes Schwärmen mit hohen Anflugzahlen, oftmals über der Warnschwelle für Stehendbefall. Unaufgearbeitete Einzel- und Nesterwürfe der Februarstürme waren rasch besetzt. Es kam zu Stehendbefall im näheren Umkreis. Bereits Anfang Juni schwärmten die Altkäfer zur Anlage der ersten Geschwisterbrut konzentriert aus.

Regional zeichneten sich mehrere Befallsschwerpunkte in Bayern ab, wobei die mit Abstand höchsten Fangzahlen im Frankenwald dokumentiert wurden. Hier trafen ausfliegende Käfer auf bereits stark trockengestresste Fichten. Starke Juni-Gewitter in Südbayern verursachten in manchen Regionen Einzelwürfe, teils auch kleinflächige Windwürfe in Fichtenbeständen. Übersehene und nicht zügig aufgearbeitete Schadhölzer führten zu weiteren größeren Käferlöchern. Die trocken-heiße Witterung im Juli begünstigte die Entwicklung der Fichtenborkenkäfer in ganz Bayern. Die Brutentwicklung lief auf Hochtouren. Zunehmend stressten die anhaltende Trockenheit sowie die dauernden Schwärmattacken auch die Fichten in Südbayern.

Anfang August begannen die im Frühjahr befallenen Fichten durch Rotfärbung der Kronen zu zeichnen. Die zweite Generation schwärmte in den Lagen bis 800 m ü. NN nach nur sieben Wochen Entwicklungszeit Mitte August zur Anlage einer dritten Generation aus. Die Fichtenborkenkäfer entwickelten sich nur im Hitzejahr 2018 schneller als im Jahr 2022. Besonders im Norden Bayerns traf dieser Ausflug auf Fichten mit geringer Widerstandskraft. Die warme Witterung im Oktober bewirkte, dass sich die Buchdrucker bis 800 m ü. NN zu fertigen Jungkäfern entwickeln konnten.

Trockenheit und Hitze verschärften die Situation in allen Regionen Bayerns, wie die Gefährdungseinschätzung (Abb. 4) Ende September eindrücklich zeigt. Das Nord-Süd-Gefälle der letzten Jahre ist noch erkennbar.

Die Hitze und Trockenheit im Sommer führten zu Trockenschäden an der Fichte. Insbesondere auf Standorten mit einer Kombination aus hohem Niederschlagsdefizit und starker Austrocknungsneigung erlitt sie besonders starken Wassermangel. Die Fichten waren teilweise so "trocken", dass sie selbst den Rindenbrütern Buchdrucker und Kupferstecher nicht mehr als Brutmaterial taugten. Dafür wurde ein intensiver Befall durch die Fichtenbockkäfer (Tetropium castaneum und Tetropium fuscum) beobachtet.

Situation der Kiefer

Die Nonne befindet sich seit mehr als 30 Jahren in Bayern in der Latenz. Die jährliche Pheromonprognose fand im Jahr 2022 an 607 Standorten statt. An elf Standorten in der Oberpfalz wurden mehr als 1.000 Falter gefangen. Bei der Nachsuche durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LWF wurden dort aber keine Puppenhülsen gefunden. Die Überwachung der Forleule erfolgt seit 2019 als Pheromonprognose. Sie wurde im letzten Jahr an 139 Standorten durchgeführt. Die Fangergebnisse lagen im Überwachungsgebiet auf Latenzniveau. Die Fraß- und Flugbeobachtung von Kiefernspanner, Kiefernbuschhornblattwespe und sonstigen Schädlingen ergab ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine sich aufbauende Gradation.

Auch die Kiefer hat 2022 besonders unter der Hitze und Trockenheit gelitten. Vor allem auf sandigen und mäßig trockenen sowie flachgründigen Standorten kam es zu verstärktem Absterben von Kiefern – insbesondere in Teilen der Oberpfalz. In Mittelfranken und auch in Teilen Oberbayerns häuften sich die Meldungen über Befall durch den Kiefernprachtkäfer.

Der pilzliche Erreger des Diplodia-Triebsterbens, Sphaeropsis sapinea, ist bei Wald- und Schwarzkiefern bereits weit als Endophyt verbreitet. Das Schadgeschehen ist weiterhin angespannt.

Die Braunfleckenkrankheit – verursacht durch den invasiven Pilz Lecanosticta acicola – verbreitete sich im Jahr 2022 weiter. Die Schäden auf zwei Untersuchungsflächen nahe des Staffelsees nahmen seit 2021 stark zu, die Absterberate der Bergkiefer stieg von durchschnittlich 7 % im Sommer 2021 auf 21 % im Sommer 2022 an. Neue Befallsflächen wurden im Allgäu sowie im Pfaffenwinkel festgestellt (Abb. 5). Die Entwicklung der Braunfleckenkrankheit ist weiterhin zunehmend und führt in Hochmoorgebieten zu hohen Mortalitätsraten. Auch erfolgten im Jahr 2022 Nachweise an den Baumarten Pinus sylvestris, P. mugo ssp. uncinata und P. cembra. Die Nachweise wurden molekularbiologisch mittels PCR abgesichert.

Situation der Tanne

Im Rahmen einer Flächenaufnahme wurde 2022 die Verbreitung von Triebläusen an Tanne in Bayern sowie deren Schadintensität erfasst. Die Triebläuse sind bayernweit verbreitet, jedoch konnte kein Hinweis auf eine besonders starke Schädigung bis zum Absterben der Jungpflanzen gefunden werden. Im Gebirge ist eine leicht erhöhte Gefährdungslage sichtbar. Die Trockenheit schwächte die Tannen. Im westlichen Mittelfranken und in Ostbayern kam es zu stärkerem Befall durch die Tannenborkenkäfer in Jung- und Altbeständen.

Situation der Eiche

Seit dem extremen Trockenjahr 2018 und den Fraßschäden durch Schwamm­spinner und Eichenprozessionsspinner ist in Nordbayern v. a. im Bereich der Fränkischen Platte eine deutlich schlechtere Eichenvitalität als in den Vorjahren zu erkennen. Insbesondere durch die Trockenheit zeichneten viele Eichen im Spätsommer 2022 (Abbildung 7, 8). Auf Projektflächen mit intensivierter Aufnahme fällt ein verstärkter Befall mit Rüsselkäfern wie z. B. dem Plattnasenrüssler (Gastrocercus depressirossus) auf. Wie bereits 2021 kam es auch 2022 zu keinen nennenswerten Fraßschäden durch phyllophage Insekten und damit zu keiner Beeinträchtigung der Vitalität. Bei der im Sommer stattfindenden Pheromonprognose der Schwammspinnerpopulationen an 72 Standorten zeichnete sich im gesamten bayerischen Massenvermehrungsgebiet ein Latenzniveau ab. 2022 wurde nirgends Fraß gemeldet. Auch die Populationen des Eichenwicklers und der Frostspannerarten befinden sich in der Latenz. Der Eichenprozessionsspinner trat in Waldflächen vorwiegend in Mittelfranken und im schwäbischen Donauries lokal durch Lichtfraß – v. a. an Bestandesrändern – auf.

Situation der Buche

Insbesondere im Raum Unterfranken wurden im Spätsommer 2022 starke Trockenschäden an Buchenbeständen verschiedenen Alters festgestellt. Die Sommerniederschläge in Unterfranken waren im Jahr 2022 die niedrigsten seit 1931. Es fielen nur ungefähr 30 % des langjährigen Mittels der Klimanormalperiode von 1991 bis 2020. Angesichts der lang anhaltenden Trockenheit ließen sich in Sentinel-2-Satellitenbildern großflächige Veränderungen von Laubwäldern feststellen. Diese sind u. a. auf Vitalitätsveränderungen zwischen den beiden Aufnahmezeitpunkten (Spätsommer 2021 und 2022) zurückzuführen. Eine Verschneidung der identifizierten Veränderungsflächen mit Bodeninformationen hat gezeigt, dass die Veränderungen häufig an Standorten mit Böden geringer Wasserspeicherfähigkeit vorkommen. Es sind auch Effekte der Exposition erkennbar, wobei Südhänge häufiger betroffen sind.

Insekten scheinen beim Schadgeschehen an der Buche aktuell keine treibende Rolle zu spielen. Ob der verfrühte Laubabfall (Abbildung 10) eine Schutzreaktion der Bäume ist oder ob es sich um bleibende Schäden handelt, kann erst mit dem Laubaustrieb in diesem Frühjahr (2023) beurteilt werden.

Besonders auffällig war in den letzten Jahren das gehäufte Auftreten von Biscogniauxia nummularia, der Pfennig-Kohlenkruste. Der Pilz ist als dauerhaft besiedelnder Endophyt beschrieben, kann aber eine Weißfäule und damit Grünastbruch verursachen. Nach neuen Erkenntnissen scheint sich der Pilz vermehrt auch als Pathogen zu zeigen. Bei der Buchenvitalitätsschwäche zeichnet sich ab, dass der Erreger eine wichtige Rolle im Schadgeschehen spielt. In mehreren Fällen wurde der Erreger des Buchenkrebses Neonectria ditissima diagnostiziert. Die klimatischen Wetterextreme förderten neben dem nah verwandten Scharlachroten Pustelpilzchen (N. coccinea) auch Pilze der Familie Botryosphaeriaceae wie Diplodia mutila, welche bei der Rotbuche ein Triebsterben hervorrufen. In Buchenbeständen mit Absterbeerscheinungen waren oftmals großflächig die Rhizomorphen des Hallimaschs und assoziierte Fäulen zu finden.

Situation des Ahorns

Die Ahorn-Rußrindenkrankheit führt seit 2018 in Verbindung mit den vergangenen Trocken- und Hitzejahren zu starken Schäden in Bayern. Dabei sind vornehmlich Bergahornbestände in warmtrockenen Gebieten Frankens betroffen. Der akute Schadverlauf der Krankheit geht mit hohen Mortalitätsraten einher: Im Juni 2022 waren auf den Untersuchungsflächen der LWF im Raum Würzburg durchschnittlich 70 % der Bergahorne abgestorben.

Seit April 2021 wurde im Rahmen des Projekts "KlifW008" u. a. die symptomlose Verbreitung des Erregers untersucht. Er konnte dabei insbesondere auch in südlichen Bereichen, z. B. nahe Lindau oder Rosenheim, asymptomatisch als Endophyt im Holzkörper nachgewiesen werden. Es ist also zu erwarten, dass die Krankheit nach Hitzephasen und Trockenstress auch in bisher symptomfreien Gebieten beobachtet werden kann.

Seit einigen Jahren verursacht Eutypella parasitica in Bayern Ahorn-Schäden. Der Stammkrebs hat sich im Stadtgebiet von München sowie umliegenden Auwäldern entlang der Isar etabliert. Neue Befunde aus dem östlichen Allgäu und dem Raum Berchtesgaden deuten darauf hin, dass der Pilz bereits weiträumiger verbreitet ist als bisher bekannt (Abbildung 13). Befunde im Raum Kelheim und Eichstätt deuten an, dass sich die Erkrankung auch über die niederschlagsbegünstigten Bereiche hinaus ausgebreitet hat.

Situation anderer Baumarten

Der Erreger des Cytospora-Hainbuchensterbens (Anthostoma decipiens) wurde im Jahr 2015 erstmals in Bayern im Stadtgebiet von Regensburg nachgewiesen. Im Jahr 2021 konnte der Erreger A. decipiens erstmals in Waldflächen Bayerns als Schadpilz an Hainbuchen nachgewiesen werden. Der Zustand der Esche ist bedingt durch den Verursacher des Eschentriebsterbens weiterhin sehr kritisch.

Quarantäneschaderreger

Gegen den Asiatischen Laubholzbockkäfer besteht nur noch eine bayerische Quarantänezone in Miesbach (Landkreis Miesbach). Die Quarantänezone um den Befall des Asiatischen Moschusbockkäfers in Rosenheim/Kolbermoor besteht weiter. Auch 2022 fand innerhalb des Quarantänegebietes ein umfangreiches Monitoring statt. Bisher wurde im Wald erst ein Befallsbaum identifiziert (Waldrand). Für folgende Quarantäneschädlinge werden in Bayern ebenfalls Erhebungen im Wald durchgeführt: Kiefernholznematoden, Asiatischer Eschenprachtkäfer, Japankäfer und Walnusszweigkäfer als Überträger der Thousand Cankers Disease. 2022 wurde jedoch keine dieser Arten nachgewiesen.

Ausblick

Nach aktueller Einschätzung liegt der Hauptfokus im Jahr 2023 weiter auf der Bekämpfung der Fichtenborkenkäfer und der Beobachtung der Trockenschäden mit potenziellen sekundären Schadorganismen. Bei Ahorn und Buche ist das Schadgeschehen durch die Ausbreitung der Pathogene weiter im Fokus. Bei der Eiche steht die Beobachtung der Vitalitätsentwicklung im Zentrum. Auf den Schadflächen der vergangenen Jahre ist mit einem verstärkten Aufkommen der bekannten Kulturschädlinge zu rechnen.