In den bayerischen Wäldern ist der Klimawandel längst angekommen. Und manche Insektenarten profitieren davon – wie zum Beispiel der wärmeliebende Schwammspinner. Diese Schmetterlingsart spielte in mitteleuropäischen Wäldern lange keine bedeutende forstliche Rolle. Doch seit den 1990er Jahren vermehrt er sich in Bayern in regelmäßigen Zeitabständen massenhaft. Nach einigen Jahren mit niedriger Dichte befindet sich das Insekt nun seit 2018 wieder in einer solchen Massenvermehrung. Für die durch mehrere Trockenjahre geschwächten Eichenwälder Frankens war dies eine beunruhigende Entwicklung.

Ein Profiteur des Klimawandels

Der Schwammspinner ist eine Schmetterlingsart, dessen Ausbreitungsgebiet sich über Nordamerika, Asien, Nordafrika und Europa erstreckt. In Europa kommt die Art vom Balkan bis zur Atlantikküste und von der Mittelmeerküste bis nach Südskandinavien vor.

Da er warme und gleichzeitig trockene Regionen mit lichten Eichen- und Eichenmischwäldern bevorzugt, ist der Schwammspinner ein Profiteur des KIimawandels. Die nur sehr wenig flugfähigen Weibchen besitzen ein hohes Vermehrungspotenzial: Sie legen bis zu 1.000 Eier in einem Gelege ab und bedecken es mit grau-bräunlicher Afterwolle. Dies brachte der Art aufgrund der Ähnlichkeit mit einem Schwamm ihren Namen ein.

Abb. 2a und b: Schwammspinner bei der Eiablage (Fotos: Hannes Lemme, LWF).

Der Fraß des Schwammspinners an vielen verschiedenen Wald- und Obstbäumen wird nur durch die Raupen verursacht. Dabei fressen die Raupen bevorzugt an Eichenarten, Hain- und Rotbuchen. Eine einzige Raupe frisst bis zu ihrer Verpuppung bis zu einen Quadratmeter Laubfläche. Damit besitzt der Schwammspinner in Massenvermehrungen ein großes Schadpotenzial für Eichen- und Eichenmischwaldökosysteme.

Folgen des Befalls hängen von vielen Faktoren ab

Die Folgen des Schwammspinnerfraßes sind indes nur schwer prognostizierbar, da sie von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängen. So ist es von zentraler Bedeutung, ob der Blattaustrieb mit dem Schlupf der Raupen zeitlich zusammenfällt. Bedeutsam ist aber ebenso, ob im Jahr des Fraßes von den Bäumen noch ein erneuter Austrieb erbracht werden kann. Außerdem spielen unabhängige Begleitfaktoren, wie etwa Temperaturen und Niederschläge während des Fraßes eine erhebliche Rolle. Für die Eichenvitalität ist zudem die Witterung vor und nach dem Fraß bedeutsam.

Befall von Eichen durch andere Insekten (z. B. Eichenwickler oder Eichenprozessionsspinner) oder Pilze (z. B. Mehltaubefall des Wiederaustriebs) kann zum Verlust weiterer Blattmasse führen. Sekundäre tierische Schadorganismen – wie Eichenprachtkäfer und Splintkäfer – und pilzliche Schädlinge wie etwa Hallimasch können schließlich bei geschädigten Bäumen zu weiteren Vitalitätseinbußen führen – im schlimmsten Fall bis hin zur Auflösung ganzer Waldbestände.

Natürliche Gegenspieler des Schwammspinners sind verschiedene Parasitoide an Eiern und Raupen, wie etwa Erzwespen. Räuberischer Fraß an Eiern und Raupen findet durch Insekten, Vögel und Kleinsäuger statt. Eine sehr große Rolle spielen auch Krankheitserreger wie Viren, Bakterien, Mikrosporidien und Pilze. In aller Regel entfalten diese natürlichen Gegenspieler jedoch erst Jahre nach Beginn der Massenvermehrung ihre Wirkung – können aber dann zum Zusammenbruch lokaler Populationen führen.

 

Regulationseffekte: Die Natur greift ein

Die letztgenannten Regulationseffekte konnten in Unter- und Mittelfranken teilweise bereits 2020 beobachtet werden. Ausgang waren Spätfröste Ende April, welche die Entwicklung der Schwammspinnerraupen vom Austrieb der Waldbäume entzerrte. Die Folge waren schlechte Nahrungsqualität für die Raupen und eine damit verbundene verzögerte Entwicklung. Dies führte zu einem längeren Entwicklungszeitraum, innerhalb dessen die Raupen teilweise stark parasitiert wurden. Diese Umstände führten zu einer schlechten gesundheitlichen Verfassung einiger Schwammspinnerpopulationen – wodurch sie anfälliger für verschiedenste Krankheitserreger waren. Beobachtet werden konnten vor allem Virusausbrüche, die zum Zusammenbruch vieler Schwammspinnerpopulationen führten. In diesen Waldbeständen konnten Ende 2020 kaum noch Schwammspinnereigelege gefunden werden.

Im Jahr 2021 wird es vermutlich keinen größeren Kahlfraß geben. Nach drei Jahren der Massenvermehrung und der Fortführung des Monitorings im vergangenen Herbst konnte die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) Entwarnung geben:

Die Zahl der gefundenen Schwammspinnergelege wies auf keiner Probefläche darauf hin, dass im Frühjahr 2021 mit einem Kahlfraß gerechnet werden muss. Selbst in den wenigen Eichenwäldern, in denen höhere Dichten gezählten wurden, waren die Gelegezahlen weit geringer als im Vorjahr. Daher geht die Waldschutzabteilung der LWF von einem Ende der Massenvermehrung des Schwammspinners aus. Das schließt aber nicht aus, dass kleinflächig, gerade an den Rändern der bisherigen Verbreitungsgebiete, der Schwammspinner im laufenden Jahr auffällig werden kann.

Zusammengefasst lautet die LWF-Prognose, dass der Schwammspinner im Jahr 2021 voraussichtlich keinen flächigen Kahlfraß in den Eichenwäldern in Bayern verursachen wird!

Schwammspinner-Monitoring: aufwendig aber notwendig

Um den Aufbau einer Massenvermehrung des Schwammspinners frühzeitig prognostizieren zu können, führt die LWF jedes Jahr ein Monitoring durch. Es basiert auf einer Prognose mit Pheromonfallen, die zuletzt auf bayernweit 66 Standorte ausgeweitet wurde.

Sobald ein kritischer Wert von 2.000 männlichen Faltern je Falle überschritten wird, führen die staatlichen Förster der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Staatsforsten sowie weiterer Organisationen Eigelegesuchen in den betroffenen Regionen durch.

Auf dieser Basis prognostiziert die LWF einen Risikoindex, in den Faktoren wie Vorschädigungen, Anzahl alter Gelege, Bestandeszusammensetzung und -struktur sowie die Einzelbaumvitalität einfließen. Wenn ein starker Fraß zu erwarten und so eine Bestandesgefährdung gegeben ist, können die betroffenen Waldbesitzer einer Pflanzenschutzmittelbehandlung zustimmen.

 

Erkenntnisse aus der Massenvermehrung

Die Kombination von Laubmasseverlusten und Witterungsextremen gilt als bedeutender Auslöser für die "Komplexkrankheit Eichensterben", die seit Anfang der 1990er Jahre verstärkt auftritt. Zukünftig ist aufgrund des Klimawandels mit einer Verschärfung des Problems zu rechnen. Das Ausmaß einer potenziellen Schädigung durch eine drohende Massenvermehrung des Schwammspinners kann zu Beginn des Jahres nicht mit 100%-iger Sicherheit bestimmt werden.

Andererseits erfordern relativ selektive Behandlungsmittel einen frühzeitigen Einsatz. Zwischen der Behandlung der jungen Schwammspinnerlarven und deren maximaler Schadwirkung zum Ende ihrer Entwicklung kann sich die Witterung günstig oder eben auch ungünstig für den Schwammspinner entwickeln. Dies betrifft sowohl die Entwicklung der Schwammspinner selbst als auch das Tempo der Blattentfaltung.

Es gibt daher trotz dem umfassenden und mehrstufigen Monitoringprogramm eine gewisse Unsicherheit über den Umfang des Schadens. Hinzu kommt, dass der zeitliche Abstand zwischen Schadereignis und Zeitpunkt des Absterbens bei Eichen – im Gegensatz zu anderen Baumarten – ausgesprochen groß ist und sich erfahrungsgemäß über viele Jahre erstreckt.

Zusammenhänge besser verstehen – die Forschung läuft

Da in Zukunft mit weiteren Massenvermehrungen des Schwammspinners gerechnet werden muss, werden an der LWF aktuell zwei wissenschaftliche Projekte bearbeitet, um von den Beobachtungen und den Erfahrungen zurückliegender Schwammspinnermassenvermehrungen zu lernen:

Abb. 5a und b: Forscher an der LWF gewinnen neue Erkenntnisse über die letzte Massenvermehrungen (Fotos: Tobias Hase, StMELF).

  • Ermittlung forstlicher und ökologischer Kosten und Handlungsoptionen bei Massenvermehrungen des Schwammspinners in Bayern:

Die langfristigen Auswirkungen einer Massenvermehrung auf das Wachstum und die Mortalität der Eiche, aber auch auf andere Baumarten, sind bis heute noch nicht vollständig bekannt. Lichte, wärmegetönte Eichenmischwälder sind aber auch Hotspots der Insektenvielfalt in Bayern mit vielen hochbedrohten Arten. Die Kenntnis der Auswirkungen einer Schwammspinnermassenvermehrung auf das Ökosystem Eichen(misch)wälder ist daher ebenso notwendig wie die Kenntnis der Umweltwirkungen einer Pflanzenschutzmittelbehandlung auf Nichtzielarten. Nur solche Kenntnisse können zu einer umfassenden Abwägung und einer sachgerechten Entscheidung über einen eventuellen Pflanzenschutz führen.

An diesem sehr aufwendigen Projekt sind neben der LWF auch Forscher der Technischen Universität München und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg beteiligt.

  • Risikomanagement in trockenheitsgefährdeten Eichen- und Kiefernwäldern mit Hilfe integrativer Bewertung und angepasster Schadschwellen:

In diesem Verbundprojekt mehrerer forstlicher Forschungsanstalten soll das Schädigungspotenzial verschiedener Insekten auf Kiefern- und Eichenwälder abgeschätzt werden. In enger Zusammenarbeit mit Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern sollen Monitoring und Schadprognosen für Massenvermehrungen bestimmter Insekten bewertet werden. Die Ergebnisse können dann als Grundlage für Entscheidungen über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln dienen.

Ziel ist die Definition flexibler Schadschwellen. Dazu ist eine Analyse der Konsequenzen von Schäden an den verschiedenen Waldökosystemen und deren Auswirkungen auf die Ökosystemdienstleistungen notwendig. Die Ergebnisse sollen dabei für trockene und warme Eichen- und Kiefernwälder von Südwest- bis Nordostdeutschland anwendbar sein.

Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie hier: www.artemis-waldschutz.de