Bei Holzerntemaßnahmen lässt es sich kaum vermeiden, dass man Bäume durch Fällungs-, Rücke- oder Aufarbeitungsvorgänge verletzt. Meistens sind das Schäden an der Rinde, die Wundgewebe oder Eintrittspforten für holzzersetzende Pilze entstehen lassen. Beides vermindert die Holzqualität erheblich und kann nachgelagerte Verarbeitungsprozesse beispielsweise in Sägewerken stark beeinflussen. Die Holzqualität ist neben der Holzmenge ein entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg eines Forstbetriebes. Somit sind holzerntebedingte Rindenschäden indirekte Holzerntekosten, da sie Ausbeuteverluste beziehungsweise Qualitäts- oder Preisabschläge verursachen.

Betriebsinventuren in Baden-Württemberg zeigten, dass derartige Rindenschäden eher zu- als abnehmen. Deshalb gab ForstBW bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt ein mehrteiliges Projekt in Auftrag, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern.

Im Folgenden ist die Kurzfassung des ersten Teilergebnisses dargestellt. Der ausführliche Artikel kann am Ende des Beitrages als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Jeder vierte Baum ist geschädigt

Rindenschäden haben in Baden-Württemberg ein äußerst problematisch hohes Niveau erreicht: Insgesamt 28 % der Bäume sind geschädigt. Im Prinzip trägt also etwa jeder vierte Baum einen Rindenschaden. Zusätzlich stieg das Niveau innerhalb einer Forsteinrichtungsperiode in den untersuchten Betrieben stark an. Dabei weisen die Hauptbaumarten Fichte und Buche die höchsten Beschädigungsgrade auf (beide 28 %).

Bei Hiebsmaßnahmen wird zwar tendenziell "auf den beschädigten (schlechten) Stamm geschlagen", doch überschreitet der Verlust durch Neubeschädigungen diesen positiven Effekt bei weitem. Der Anteil von Rindenschäden im bodennahen Bereich (Rückeschäden) stieg dabei vergleichsweise weniger stark an als der Anteil von Bäumen mit in höheren Schaftbereichen liegenden Rindenschäden (Fäll- und Aufarbeitungsschäden). Ursache hierfür ist, dass Forstbetriebe bei Erntemaßnahmen bevorzugt Bäume mit bodennahen Rindenschäden ausselektieren, jedoch deutlich seltener Bäume mit höher gelegenen Rindenschäden entnehmen. Der Grad der Neubeschädigung spielt dagegen für die unterschiedliche Entwicklung der Schadprozente kaum eine Rolle. Im Beobachtungszeitraum entstanden etwa in gleichem Umfang neue bodennahe Rindenschäden wie höher gelegene Rindenschäden.

Die dünnborkigen Hauptbaumarten Fichte und Buche sind gegenüber Rindenschäden anfälliger als andere Baumarten. In Baden-Württemberg sind diese auch am stärksten geschädigt: Die Fichte und Buche mit jeweils 28 %, gefolgt von der Tanne mit 25 %. Die dickborkigen Baumarten Kiefer, Douglasie und Lärchen weisen dagegen das geringste Schadniveau auf.

Schäden nehmen zu

Die Befunde der Untersuchung machen deutlich, dass holzerntebedingte Rindenschäden in einem so großen Umfang entstehen, dass eine eingehende Beschäftigung mit der Problematik angemessen erscheint. Denn obwohl die Datengrundlage der Untersuchung aus dem Staatswald Baden-Württemberg stammt, kann man die negative Entwicklung durchaus auf alle anderen Waldbesitzergruppen übertragen.

Konsequenzen für Forstbetriebe

Bei der forstbetrieblichen Einordnung des Umfangs der festgestellten holzerntebedingten Rindenschäden bestehen in zweierlei Hinsicht Schwierigkeiten. Zum einen enthalten einschlägige Bewirtschaftungsrichtlinien überhaupt keine, keine einheitlichen und/oder keine konkret betriebsverbindliche Vorgaben über angestrebte Ziele bei holzerntebedingten Rindenschäden. Zum anderen sind bei der Beurteilung der Auswirkung auf den Betriebserfolg eigentlich nicht die Rindenschäden an sich von Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr das Ausmaß der dadurch ausgelösten Wertverluste, Minderausbeuten und/oder Mehraufwendungen.

Vorstellungen über betriebliche Vorgaben zu maximal tolerierbaren Rindenschäden muss man indirekt aus der Interpretation verschiedener Quellen ableiten. Einen Hinweis liefert beispielsweise der für Regiearbeiten im Staatswald Baden-Württemberg entwickelte SRT-Rücketarif (2002), der ein schadsensitives Zu-/Abschlagsystem enthält. Das festgestellte durchschnittliche Niveau neu entstandener Rückeschäden (13 %) würde – konsequente Anwendung des Tarifs vorausgesetzt – in der Betriebspraxis mit Abschlägen in Höhe von etwa 5 % bei der Entlohnung von Rückearbeiten korrespondieren.

Vorgaben für tolerable Rückeschäden enthalten auch die für die Vergabe von Holzerntearbeiten im Staatswald Baden-Württemberg einschlägigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-F). Demnach gilt: „Die Z-Bäume dürfen nicht beschädigt werden. Am Nebenbestand dürfen Rückeschäden innerhalb der Saftzeit 13 %, außerhalb der Saftzeit 10 % der Baumzahl nicht übersteigen.“. Zumindest bei der Fichte und der Buche liegt der Anteil der festgestellten neu entstandenen Rückeschäden (14-15 % bodennahe Rindenschäden) im Durchschnitt erkennbar über diesem Wert.

Hinsichtlich höher liegender Rindenschäden (Fäll- und Aufarbeitungsschäden) sind die betrieblichen Vorgaben noch weniger klar. So beschränken sich die AGB-F zum einen auf den Hinweis "Fällschäden sind zu vermeiden" und legen zum anderen bei den sogenannten Aufarbeitungsschäden die tolerable Obergrenze zwischen 2 % beziehungsweise 4 % (außerhalb beziehungsweise innerhalb der Saftzeit) fest. Diese eher vage Differenzierung zwischen Schadtypen schränkt die Aussagekraft der Obergrenze erheblich ein. Trotzdem legt der Vergleich mit den neu entstandenen höher liegenden Rindenschäden (Fäll- und Aufarbeitungsschäden) nahe, dass das Niveau von Schäden dieser Kategorien die betrieblichen Zielvorstellungen nicht unerheblich zu überschreiten scheint.

Weitere Untersuchungen notwendig

Die Notwendigkeit zur intensiven Befassung mit der Thematik holzerntebedingter Rückeschäden liegt aufgrund des damit verbundenen Entwertungspotenzials im originären wirtschaftlichen Interesse der Forstbetriebe. Bestens bekannt ist dieses Entwertungspotenzial bei der Hauptbaumart Fichte. Hier weisen zahlreiche Untersuchungen klar darauf hin, in welch hohem Maße Rindenschäden eine Gefährdung durch holzentwertende Wundfäule nach sich ziehen

Trotz dieser klaren Hinweise auf mögliche Entwertungspotenziale sind für gesamtbetriebliche Abwägungen aber noch genauere Untersuchungen zu rindenschadensbedingten wirtschaftlichen Verlusten erforderlich. Insbesondere wird es nötig sein, die Zusammenhänge zwischen Art, Lage, Größe oder Alter von Rindenverletzungen einerseits und davon ausgehenden ertragsrelevanten Konsequenzen (z. B. Qualitäts-, Ausbeuteminderung, Mehraufwand) zu quantifizieren und monetär zu bewerten. In diesem Zusammenhang ist eine baumartenspezifische Betrachtungsweise unabdingbar, da holzerntebedingte Rindenschäden bei verschiedenen Baumarten sehr unterschiedliche Folgen haben können.