Biologische Grundlagen

Der Gemeine Wurzelschwamm (Heterobasidion annosum s. l.) gehört zu den wirtschaftlich bedeutendsten pilzlichen Schaderregern in den Wäldern der nördlichen gemäßigten Klimazone. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Abteilung Waldschutz der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) beschäftigen sich intensiv mit diesem Artenkomplex. In Europa und in Deutschland kommt der Wurzelschwamm mit drei heimischen Arten vor: dem Kiefern-Wurzelschwamm (H. annosum sensu stricto), dem Kleinporigen oder Fichten-Wurzelschwamm (H. parviporum) und dem Tannen-Wurzelschwamm (H. abietinum). Insbesondere der Kiefern-Wurzelschwamm ist in Europa (außer im äußersten Norden) weit verbreitet und kommt auch in Fichtenbeständen vor. Dieser Pilz hat eine porlingsartige Hauptfruchtform, deren drei bis 20 cm breite, krustenförmigen bis konsoligen Fruchtkörper meist bodennah am Stamm- oder Wurzelanlauf wachsen und teilweise mit Streu bedeckt sind. Die Oberseite ist hell- bis dunkelrötlichbraun, runzelig und ledrig verkrustet. Meist ist ein weißer Zuwachsrand zu erkennen. Auf der cremeweißen Unterseite befinden sich die feinen Poren, in denen die Basidiosporen gebildet werden. Die Nebenfruchtform entwickelt sich meist auf feuchtem, befallenem Wurzelholz in Höhlungen. Als Primärparasit sowie Sekundär-, Wund- oder Schwächeparasit ernährt sich der Wurzelschwamm von toten Zellen seines lebenden Wirtes sowie von totem Holz.

Großes Wirtsspektrum

Der Wurzelschwamm hat mit über 200 Gehölzarten ein sehr großes Wirtsspektrum und befällt Nadel- ebenso wie Laubbäume. Als bodenbürtiger, holzabbauender Pilz kann er in seiner parasitischen Phase lebende Wurzeln angreifen und eine starke Wurzelfäule verursachen. Davon sind insbesondere Kiefern, Lärchen und Douglasie betroffen. Er ruft aber auch intensive Stammfäulen hervor: Je nach Baumart kann der Befall zu einer bis in die Stämme hineinreichenden und holzentwertenden Weißfäule führen. Weiterhin zu einer intensiven Kernfäule oder der sogenannten „Rotfäule“ bei Fichte. Diese Rot- bzw. Kernfäule ist nicht zu verwechseln mit der sogenannten „Rotstreifigkeit“ bei Fichte oder Kiefer, die durch Weißfäule erregende Wundfäulepilze (z. B. Stereum sanguinolentum oder Amylostereum spp.) hervorgerufen wird.

Vermehrung und Ausbreitung

Der Wurzelschwamm bildet sexuelle Basidiosporen, die aktiv aus den Fruchtkörpern geschleudert werden. Sie gelangen vorwiegend in die bodennahe Luft, wobei der Wind sie kilometerweit verbreiten kann. Schließlich werden sie vom Regen in den Boden gewaschen. Basidiosporen, die auf unverletzte, vitale Wurzeloberflächen gelangen, können diese in der Regel nicht infizieren. Infektionen von Waldbeständen mit Wurzelschwamm erfolgen hauptsächlich über frische Stubben (primäre Infektion). Zur Keimung und Primärinfektion durch Mycelien sind besondere, von offenen Wunden oder gestressten Wurzeln ausgehende Reize erforderlich. Erst sekundäre Mycelien (z. B. durch Fusion zweier kompatibler Primärmyclien entstanden) können Wurzeln lebender Bäume infizieren und Fruchtkörper bilden. Auch Einzelbäume infizieren sich meist sekundär über Wurzelverwachsungen mit bereits infizierten Bäumen. Dauerhaft kann das Mycel des Wurzelschwamms nur im Inneren des Wirtsgewebes oder auf totem Holz wachsen.

Ganze Bestände gefährdet

In natürlichen Misch- oder Buchenwäldern Deutschlands stellt der Wurzelschwamm bisher keine große Gefahr dar. Gravierende wirtschaftliche Schäden entstehen vor allem in Nadelholzbeständen. Gegenüber früheren Beobachtungen ist eine auffällige und aggressive Zunahme des Befalls mit unterschiedlichen Schadbildern zu verzeichnen. Neben einzelnen Bäumen können Baumgruppen oder kleinflächige Bestände betroffen sein, Ausfälle bis hin zur kompletten Bestandesauflösung sind möglich. Weiterhin kann ein starker Befall mit Wurzelschwamm zu einer erhöhten Bruchgefährdung der Bäume führen. Vielerorts werden hohe Durchseuchungsraten von 80 bis 100 % mit dem Wurzelschwamm in Kiefern- und Fichtenbeständen festgestellt.

Symptome zunächst unspezifisch

Der Befall mit Wurzelschwamm ist zu Beginn nur schwierig festzustellen, da die Symptome zunächst unspezifisch sind. Es kommt zu Wuchsbeeinträchtigungen, Vergilbungen in der Krone, Chlorosen, Degeneration von Baumkronen, verkürzten Nadeln oder Sekundärbefall mit Borkenkäfern bei älteren Bäumen. Das sicherste Kennzeichen für einen Befall mit dem Wurzelschwamm ist die Bildung von Fruchtkörpern an der Wirtspflanze. In diesem Fall ist allerdings bereits der größte Teil des Wurzelsystems infiziert. Sie erscheinen an der Stammbasis, an Wurzelanläufen, an flach streichenden Wurzeln oder auf der Oberfläche und in Höhlungen von Stubben.

Besonders Nadelbaumarten betroffen

Vorangebaute junge Douglasien, Rotbuchen und Roteichen können in mit Wurzelschwamm durchseuchten Beständen infiziert werden und absterben. Die Rotbuche ist in deutlich geringerem Umfang betroffen. Überhaupt gelten Laubbaumarten grundsätzlich als weniger anfällig als Nadelbaumarten, sie besitzen eine höhere „relative Resistenz“. Von praktischer Bedeutung sind jedoch die sogenannte „ökologische Resistenz“ (Resistenz hauptsächlich gesteuert durch Standortfaktoren) und die „Feldresistenz“ (Resistenz, die bei einer natürlichen Infektion unter natürlichen Standortbedingungen beobachtet wird). In Nord­west­deutschland kann nach bisherigen Einschätzungen für einige Baumarten bzw. -gattungen folgende Rangfolge bei der Feldresistenz im Voranbau gegenüber dem Kiefern-Wurzelschwamm prognostiziert werden (von nicht anfällig bis sehr anfällig): Stieleiche / Traubeneiche < Rotbuche < Birke < Roteiche < Küstentanne < Fichte / Lärche < Kiefer / Douglasie.

Mögliche Ursachen für den verstärkten Befall

Die zunehmende Klimaerwärmung inklusive Extremwetterlagen, Immissionen von Stickstoff und anderen schad- oder düngewirksamen Stoffen, etwaige Artbildungsprozesse des Schaderregers sowie zunehmend veränderte Nutzungsstrategien bei der Holzernte können mögliche Ursachen sein. Bestimmte standörtliche Gegebenheiten und forstwirtschaftliche Maßnahmen fördern den Befall mit Wurzelschwamm:

  • Besonders gravierende Schadereignisse gab es in untersuchten Beständen auf nährstoffarmen Böden, wenn diese zuvor unsachgemäß und zu stark aufgekalkt und / oder gedüngt worden waren.
  • Besonders infektionsgefährdet sind Erstaufforstungen auf ehemals landwirt­schaftlich genutzten Flächen („Ackersterbe“). Hier gibt es für den Pilz zum einen weniger natürliche Konkurrenten und Gegenspieler. Zum anderen sind dort meist hohe pH-Werte und hohe Nährstoffgehalte (insbesondere Calcium) zu verzeichnen, die den Wurzelschwamm fördern.
  • Standorte mit hohen Sandgehalten und geringen Gehalten an organischem Material sind sehr infektionsgefährdet, da sie zu periodischem Wassermangel nei­gen. Zudem kann die Abwehr des Wirts durch Wassermangel auf diesen gut drainierenden Böden dauerhaft geschwächt sein.
  • Flachgründige Standorte mit verdichtetem Unterboden mit Staunässe und Fein­wurzelschäden sind infektionsgefährdet.
  • Junge oder neu begründete Wirtschaftswälder, insbesondere dichte, einför­mige Reinbestände sind besonders gefährdet, da in ihnen durch Läuterung und Durchforstungen regelmäßig frische Stubben und Wunden am verbleibenden Be­stand erzeugt werden. Die frischen Schnittflächen und Wunden bieten dem Wurzel­schwamm zunächst Eintrittspforten, die meist ohne Behinderung durch Antagonisten durch luftgebundene Basidiosporen infiziert werden können.
  • Eine dichte Bestockung und mangelnde Diversität ermöglichen dem Wurzelschwamm eine schnelle Ausbreitung über Wurzelkontakte in anfälligen Wirtspopulationen.
  • Der Wurzelschwamm kann sich im wintermilden, ausgeglichenen, atlantisch bis subkontinental getönten Klima und somit in großen Teilen des nordwestdeutschen Flachlandes fast ganzjährig entwickeln. Die Bildung der Basidiosporen kann grundsätzlich durch Witterungsbedingungen, wie stark anhaltender Winterfrost, Hitze oder Starkregen, behindert werden.

Was kann man tun?

Eine direkte Bekämpfung des Wurzelschwamms ist nicht möglich. Empfohlen werden daher vorbeugende Maßnahmen, sowie die Abwehrfähigkeit der Bäume zu stärken.

Handlungsempfehlungen für die forstliche Praxis: Mit bestimmten waldbaulichen Maßnahmen können befallsfördernde Einflüsse vermieden oder zumindest abgeschwächt werden: 

  • Risikostreuung durch die Begründung von Laub- (Nadel-) Mischbeständen und der Baumart angepasster Pflanzverbände. In dichten, einförmigen Reinbeständen anfälliger Wirtspopulationen erlauben Einförmigkeit und dichte Bestockung dem Wurzelschwamm nach der Primärinfektion über Wurzelkontakte eine schnelle Ausbreitung.
  • Das Pflanzmaterial sollte möglichst keine Wurzelschnitte aufweisen und schonend und verletzungsarm gepflanzt werden, um möglichst vitale Jungpflanzen zu etablieren. In der Praxis werden oft Container gepflanzt, z. B. mit Douglasien (Schwedisches Verfahren). Dies könnte sich ggf. günstiger als die Pflanzung wurzelnackter Pflanzen erweisen, da die Wurzeln im Container in der Regel nicht verletzt oder verbogen werden.
  • Eine Bodenschutz- oder Kompensationskalkung mit 3 t / ha Kalk und eine geringe Pflanzlochdüngung bei Laubhölzern bei sachgerechter, standortsangepasster Anwendung.
  • Der Zeitpunkt der Durchforstung sollte in nicht oder nicht stark befallenen Be­ständen möglichst in Perioden mit geringem Sporenflug (z. B. Frostperioden) ge­legt werden, da dann auch das Infektionspotenzial niedriger sein sollte.

Was wird nicht empfohlen?

Die Stubben-Behandlung mit einer Antagonisten-Suspension (Phlebiopsis gigantea) ist dagegen grundsätzlich in Nordwestdeutschland in befallenen Beständen nicht zu empfehlen. Ein Praxisversuch der NW-FVA ergab weder für behandelte Kiefern- noch für Fichtenstubben eine eindeutige Reduktion des Befalls mit Wurzelschwamm. Auch die Stubben-Rodung wird derzeit nicht empfohlen. Zwar senkt die Stubben-Rodung den Befall in der nächsten Bestandesgeneration, aber die sehr kostenintensive Maßnahme ist nur nach Kahlschlägen sinnvoll anwendbar und beeinträchtigt sehr stark das Boden­gefüge und die Bodenbiozönose.