Abnehmende Vitalität der Hauptbaumarten
Der Klimawandel führt zu einer Zunahme extremer Wetterereignisse. Besonders höhere Sommertemperaturen und länger andauernde Dürreperioden hinterlassen in den Wäldern Nordwestdeutschlands deutliche Schäden. Häufiger Trockenstress führte zu einer abnehmenden Vitalität der Bäume auf bestimmten Standorten. Gleichzeitig erhöht sich das Risiko für weitere abiotische und biotische Stressfaktoren. Diese Umstände erschweren die langfristige forstliche Planung und die Waldbewirtschaftung zusätzlich.
Eine wichtige Rolle spielt daher die Standortswasserbilanz (SWB). Auf der Grundlage der SWB wurden an der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) baumartenspezifische Schwellenwerte für das Trockenheitsrisiko festgelegt. Sie helfen bei der Bewertung der Vitalität, Widerstandsfähigkeit und der Leistungsgrenzen der Baumarten und dienen somit als Entscheidungshilfe für eine klimaangepasste Baumartenwahl.
Standortswasserbilanz: Verrechnung des Mittelwerts der klimatischen Wasserbilanz in der Vegetationszeit (Verhältnis zwischen Verdunstungsanspruch und zur Verfügung stehenden Niederschlägen) mit der nutzbaren Feldkapazität des Bodens (pflanzenverfügbares Wasser) für eine Bezugstiefe von 1 m (nach Grier und Running (1977)).
Bündelung vieler Daten

Abb. 1: Übersicht der Bohrkernentnahme und Aufbereitung. An Plots der WZE/BZE werden 10 –15 Bäume beprobt. Die einzelnen Bohrkerne werden aufbereitet, sodass die Jahrringe eingemessen werden können. Die sich daraus ergebenen Wachstumskurven sind Grundlage für die weiteren Analysen. Quelle: NW-FVA
Um die definierten Schwellenwerte im Gelände zu überprüfen, untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der NW-FVA in einem Projekt die Vitalität und das Wachstum der vier Hauptbaumarten Eiche (Quercus petraea + Q. robur), Kiefer (Pinus sylvestris), Fichte (Picea abies) und Buche (Fagus sylvatica). Diese Daten wurden mit Hilfe von Jahrringanalysen erhoben. Die in Nordwestdeutschland ausgewählten Flächen liegen innerhalb des Probenetzes der Waldzustandserhebung (WZE) und der Bodenzustandserhebung (BZE). Auf diese Weise konnten neben den Jahrringmessungen auch zusätzliche Informationen über den Standort aus der BZE sowie baumindividuelle Informationen über den Kronenzustand aus der WZE in die Analysen mit einbezogen werden.

Abb. 2: Baumartenspezifischer Gradient der Standortswasserbilanz entlang der Schwellenwerte des Trockenstressrisikos. Eine Übersicht der WZE-Punkte zeigt, welche Plots der Baumarten Buche, Eiche, Fichte und Kiefer für die Trockenjahre 2003, 2018 und 2020 ein geringes, mittleres und hohes Risiko nach den Schwellenwerten aufwiesen. Quelle: NW-FVA
Individuelle Wachstumskurven
Das Wachstum der Bäume in der gemäßigten Klimazone zeigt sich in jährlichen Ringen im Holz, die durch den Wechsel von Vegetations- und Nicht-Vegetationsperiode geprägt sind. Die einzelnen Jahrringe können durch Unterschiede in der Zellgröße und-dichte zwischen Frühholz (in der Regel großporiger und heller) und Spätholz (in der Regel kleinporiger und dunkler) differenziert werden. Die Breite und Dichte der Jahrringe variiert in Abhängigkeit von diversen Umweltfaktoren. Sie spiegeln die Wuchsbedingungen eines Baumes wider. Je besser die Bedingungen, desto größer sind in der Regel die Jahrringe – und umgekehrt. Zur Bestimmung der Jahrringe wurden den Bäumen sogenannte Bohrkerne (von 5 mm Durchmesser) mit einem Zuwachsbohrer entnommen. Die Bohrkerne werden so aufbereitet, dass die einzelnen Jahrringe sichtbar werden. Die einzelnen Jahrringe können per Software für jeden Bohrkern und jedes Baumindividuum millimetergenau eingemessen werden. Für jeden Baum erhält man so eine individuelle Wachstumskurve.

Abb. 3: Probennahme eines Bohrkerns mit Hilfe eines Zuwachsbohrers. Foto: Anja Gröning (NW-FVA)
Indikatoren für das Wachstumsverhalten
Solche Wachstumskurven können zu Standortschronologien zusammengefasst werden und sind ein guter Indikator für das allgemeine Wachstumsverhalten auf einem bestimmten Standort bzw. für eine Baumart. In Extremjahren zeigen die Kurven überregionale Reaktionen, die als Zeigerjahre identifiziert werden können. Beispiele für solche Zeigerjahre sind die sehr trockenen Jahre 2003 und 2018, was sich in einem verringerten Wachstum der Hauptbaumarten widerspiegelt. Wie stark und auf welche Art und Weise Bäume auf Extremereignisse reagieren, hängt dabei zum einem vom Standort, zum anderen von der Baumart selbst ab. So zeigen beispielsweise Buchen oft eine zeitversetzte Reaktion auf Trockenstress, was sich sowohl im Wachstum als auch in einer Verlichtung der Kronen äußert. Eichen und Kiefern gelten bisher als relativ trockenresistent. Im Jahr 2018 wurden jedoch auch für diese Baumarten Probenahmenflächen (Plots) identifiziert, die ein hohes Risiko, d.h. eine deutliche negative Standortswasserbilanz aufwiesen.
Gradienten-Design: Um zu identifizieren, wie sich die verschiedenen Baumarten entlang eines Gradienten der Standortswasserbilanz unterscheiden, wurden für das Projekt im Winter 2022/2023 insgesamt 1340 Bohrkerne von 670 Bäumen auf jeweils 13 Plots pro Baumart gewonnen. Der Gradient für jede Baumart ist dabei so gewählt, dass die baumartenindividuellen Trockenstressgrenzen (durchschnittliche Standortswasserbilanz in der Vegetationsperiode im Zeitraum 1990 bis 2020) abgebildet werden. So erstrecken sich die einzelnen Gradienten von trockenen Plots (mit höherem Risiko) zu feuchten Plots (mit geringerem Risiko).
Schwankende Wachstumsverläufe
Klimatische aber auch nicht-klimatische Faktoren beeinflussen die Jahrringbreite von Bäumen. Der Jahrringbreitenindex (RWI) wird verwendet, um das Wachstum von Bäumen vergleichbar zu machen. Dieser Wert wird durch die Standardisierung der Rohdaten (die gemessenen Jahrringbreiten in mm) berechnet. Ein Indexwert > 1 bedeutet, dass das Wachstum in diesem Jahr über dem erwarteten Wert lag (z.B. günstige Bedingungen) und umgekehrt. Im Zeitraum der WZE von 1984 bis 2022 zeigten sich unterschiedliche Wachstumsverläufe der Baumarten. Die Buche zeigt die größten Wachstumsschwankungen, während Eiche, Kiefer und Fichte weniger ausgeprägte Schwankungen aufweisen. Insbesondere in oder nach den Trockenjahren 2003 und 2018 sind kleinere Werte des RWI, also reduziertes Wachstum, für alle Baumarten zu verzeichnen. Die trockeneren Plots zeigten ein gesteigertes Wachstum im Feuchtejahr 2007, feuchtere Plots in Trockenjahren (2003 und 2019) dagegen ein deutlich reduzierteres Wachstum.

Abb. 4: Durchschnittlicher Jahrringbreitenindex (RWI) für die einzelnen Baumarten im Zeitraum der WZE entlang des Gradienten. 1 = trockenster Plot, 13 = feuchtester Plot einer Baumart.
Zusammenhänge zwischen Vitalität und Wachstum
Vitalitätsindikatoren für den Gesundheitszustand von Bäumen sind
die Kronenverlichtung,
die Fruktifikation
das Wachstum.
Sie stehen in direkter Beziehung zueinander. Bei negativeren Werten der SWB, zeigen Buche, Fichte und auch die Eiche eine tendenziell höhere Kronenverlichtung, während für die Kiefer der gegenteilige Trend beobachtet wurde. Bei Bäumen mit höherer Kronenverlichtung – besonders deutlich für Buche und Fichte – wurde wiederum ein geringerer Ringbreitenindex gemessen, d.h. geringeres Wachstum. Auch der Zusammenhang zwischen der Fruktifikation und dem Wachstum zeigte sich am deutlichsten in der Buche und der Fichte und nur gering ausgeprägt bei Kiefer und Eiche. Die Fruktifikation wird durch unterschiedliche Stärkestufen innerhalb der WZE im Sommer (Juli/August) erfasst. Je mehr die Bäume fruktifizieren, desto höher die Stufe und desto geringer das Wachstum.
Fazit
Die Jahrringanalyse bietet die Möglichkeit, wertvolle Zusammenhänge zwischen dem Wachstum und der Vitalität aufzuzeigen. Die Beprobung entlang eines Gradienten der Standortswasserbilanz (SWB) für die einzelnen Baumarten gibt Aufschluss über die Wirkungsweise von Trockenstress auf unterschiedlichen Standorten. Es zeigte sich, dass die Bäume entlang des Gradienten unterschiedlich auf Trockenstress reagieren. Diese Beobachtungen lassen sich besonders durch die Vitalitätsindikatoren der Kronenverlichtung und des Wachstums beschreiben.



