Was ist Rindenritzen? Beim Rindenritzen wird mit einer speziellen Motorfräse (etwa der Eder-Borkenkäferfräse) die Rinde von Fichtenstämmen in regelmäßigen Abständen eingeschnitten. Die Fräse besteht aus vier Messern mit einer Arbeitsbreite von insgesamt 90 mm. Zwischen den Fräsbahnen verbleiben etwa 24 mm breite, intakte Rindenbereiche. Die Frästiefe ist auf 9 mm begrenzt. Ziel ist, die Rinde für den Buchdrucker brutuntauglich zu machen.

Abb. 1: Borkenkäferfräse. Foto: Gernot Hoch (BFW)
Wann und wie kann Rindenritzen eingesetzt werden?
Aktuelle Forschungsergebnisse des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) und der Österreichischen Bundesforste AG im Nationalpark Kalkalpen zeigen, dass das Rindenritzen besonders als prophylaktische Maßnahme höchst wirksam ist. Bei frisch gefällten oder durch Sturm geworfenen Fichten, die nicht rechtzeitig aus dem Wald gebracht werden können (oder wie im Falle des Nationalparks aus naturschutzfachlichen Gründen dort verbleiben müssen), sollte das Rindenritzen unmittelbar nach dem Anfall des Holzes durchgeführt werden - noch bevor ein Befall durch Borkenkäfer stattfindet.

Abb. 2: Bearbeitung einer frisch gefällten Fichte mit der Borkenkäferfräse. Nach der Entastung kann die gesamte Rindenoberfläche behandelt werden. Foto: Gernot Hoch (BFW)
Bei der prophylaktischen Anwendung reduzierte sich im Versuch die Zahl der sich entwickelnden Buchdrucker (Ips typographus) auf nur etwa 4 % im Vergleich zu unbehandelten Stämmen. Die Studie zeigte, dass in unbehandelten Kontrollblochen durchschnittlich 9,3 Käfer pro dm² Rindenfläche schlüpften, während es bei prophylaktisch behandelten Blochen nur 0,4 Käfer pro dm² waren. Buchdrucker bohrten sich auch in die behandelten Stämme ein, die begonnene Brut konnte sich allerdings nicht entwickeln.
Auch bei bereits befallenem Holz kann das Rindenritzen eine sinnvolle bekämpfende Maßnahme sein, allerdings mit deutlich geringerer Wirksamkeit als bei der prophylaktischen Anwendung. Im Versuch führten wir das Rindenritzen durch, als sich die Borkenkäferbruten im mittleren bis fortgeschrittenen Larvenstadium befanden. Hier reduzierte sich die Zahl der schlüpfenden Käfer signifikant auf etwa 40 % im Vergleich zu unbehandelten Stämmen (3,7 statt 9,3 Käfer pro dm²).
Im Gegensatz zum Buchdrucker kam es bei ungefährlichen sekundären Borkenkäferarten wie dem Gelbbraunen Fichtenbastkäfer (Hylurgops palliatus) und dem Zottigen Fichtenborkenkäfer (Dryocoetes autographus) zu keiner Reduktion des Bruterfolges. Ersterer konnte die prophylaktisch geritzten Stämme sogar besser nutzen.
Faktoren für den Erfolg
Die Wirksamkeit des Rindenritzens wird beeinflusst durch:
- Den Zeitpunkt der Anwendung (je früher, desto besser).
- Das Mikroklima am Lagerort (Sonneneinstrahlung fördert das Austrocknen) und die Feuchtigkeit des Holzes, welche die Geschwindigkeit der Abnahme der Bruttauglichkeit des Materials bedingen.
- Die Rindenstärke hatte im Versuch überraschenderweise keinen signifikanten Einfluss; wichtig ist, dass die Frästiefe ausreicht, um den Holzkörper freizulegen.
Vorteile für den Wirtschaftswald
- Kosteneffizienz: Zeitbedarf und Treibstoffaufwand sind beim Rindenritzen geringer als bei vollständiger motormanueller Entrindung.
- Flexibilität: Es ermöglicht einen zeitlichen Puffer, wenn Holz nicht sofort abgefahren werden kann. Einzelne geworfene Bäume, die nicht bringbar sind, können risikofrei im Bestand verbleiben.
- Einsetzbar im Schutzwald: Wenn etwa Fichten für den Lawinenschutz quer gefällt werden müssen, kann die Borkenkäfergefahr durch diese Bäume minimiert werden.
- Ökologischer Mehrwert: Während der Buchdrucker kaum Entwicklungsmöglichkeiten findet, bietet das Holz weiterhin Lebensraum für sekundäre, ungefährliche Käferarten und andere xylobionte Arten.
Praktische Empfehlungen
- Das Rindenritzen vor allem prophylaktisch einsetzen.
- Auf eine den ganzen Stamm umfassende und bis zum Holzkörper reichende Bearbeitung achten, vor dem Ritzen entasten.
- Geritzte Stämme – insbesondere beim bekämpfenden Einsatz – möglichst sonnig lagern, um die Austrocknung zu fördern.
- Bei bereits befallenem Material ist die vollständige Entrindung mit einer Motorfräse sicherer. Im Versuch wurde damit auch noch eine sehr gute bekämpfende Wirkung bei Bruten im Jungkäferstadium gezeigt (0,007 Käfer überlebten pro dm²).

Abb. 4: Fichtenbloch nach der Ritzung. Die Rinde wurde von der Fräse bis zum Holzkörper entfernt. Foto: Gernot Hoch (BFW)
Etabliert wurde das Rindenritzen als Borkenkäfermanagement im Nationalpark Bayerischer Wald, mit dem Ziel, windgeworfenes Fichtenholz in einem möglichst günstigen Zustand im Hinblick auf Biodiversität aber ungefährlich aus Waldschutzsicht im Wald zu belassen. So wird die Methode in Naturschutzgebieten sehr wahrscheinlich vermehrt Anwendung finden. Aber auch im bewirtschafteten Wald haben Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer mit dem Rindenritzen eine wirksame Methode zur Hand, die besonders dann wertvoll ist, wenn verstreut liegendes Sturmholz nicht rechtzeitig oder gar nicht gebracht werden kann. Die gezielte Anwendung kann so einen wichtigen Beitrag zum Borkenkäfermanagement im Wald leisten.
Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse der Versuche im Nationalpark Kalkalpen findet sich im Artikel des Forstschutz Aktuell 69 (2024).





