Die Europäische Lärche (Larix decidua) genießt auch als Harz spendender Baum eine hohe Wertschätzung. In den Harzungsgebieten Kärntens, Südtirols und dem Südwesten der Schweiz hat die Gewinnung des Lärchenharzes eine lange Tradition. Neben der vielfältigen Verwendung in der Volksmedizin und Tierheilkunde diente das dickflüssige Harz auch zur Abdichtung von Holzfässern und zum Kalfatern im Boots- und Schiffsbau. Venedig war bis zum späten 19. Jahrhundert wichtigster Handelsort für Lärchenbalsam. Von dort wurden große Teile Des Mittelmeerraumes mit Lärchenharz versorgt.

Lärchenharzgewinnung heute

Für eine wirtschaftliche Harzgewinnung sind geschlossene Lärchenbestände in einer Höhenlage von 800 bis 1.200 m ü. NN ideal. Ertragreiche Spenderbäume zeichnen sich durch Wuchsfreudigkeit und eine starke Bekronung aus. Am ergiebigsten ist die Harzgewinnung bei Bäumen im Alter von 80 bis 120 Jahren. Etwa 10 bis 15 Jahre nach der Anbohrung versiegt der Harzfluss allmählich.

Am Lärchenstamm werden im Gegensatz zur Harzung bei anderen Koniferen keine Flächenschnitte in das Splintholz eingebracht. Das sogenannte "Pechen" erfolgt bei Lärchen heute nach dem "Tiroler Bohrverfahren". Mittels einer Motorbohrgarnitur (Gewicht: 10 kg) bringt der Harzer ("Pechzieher") die Bohrung im Frühjahr möglichst südseitig am Fuß des Stammes an. Am Stamm befindliche, verharzte Rindenrisse sind ein optimaler Ansatzpunkt. Die Bohrung verläuft schräg abwärts durch den Stammmittelpunkt in Richtung Hauptwurzel. So entsteht ein etwa 50 bis 80 Zentimeter langer Bohrkanal mit einem Durchmesser von etwa 30 Millimetern. Ein versierter Harzer kann unter günstigen Bedingungen bis zu 200 Stämme pro Tag anbohren. Die Bohröffnung wird mit einem Stopfen aus Lärchenholz sorgfältig verschlossen, der erst vor der Harzentnahme entfernt wird.

Der Bohrkanal dient als Sammelraum für das austretende Harz, das mit einem rinnenförmigen, abgerundeten, metallischen "Harzlöffel" durch mehrmaliges drehen entnommen und in einen Sammeleimer überführt wird. Da der Bohrkanal in der Regel nicht verstopft (geringe Kristallisierung der Harzsäuren), kann er während der gesamten Harzungsperiode genutzt werden.

Von einem Spenderbaum können, je nach Region, etwa 200 bis 370 Gramm Harz pro Erntejahr (Mai bis September) entnommen werden. Am ertragreichsten ist die Harzausbeute in den ersten Jahren nach der Bohrung. In Südtirol wird ohne nachteilige Folgen für den Baum etwa 10 bis 15 Jahre geerntet.

Vom Lärchenharz zum Terpentin

Terebinthina laricina, auch als Venetianer Terpentin bezeichnet, wird aus frischem Harzbalsam der Lärche gewonnen. Lärchenharz ist ein Vielstoffgemisch mit besonderen Eigenschaften. Die Kristallisierung der Harzsäuren unter Sauerstoffeinfluss ist gering. Die Farbechtheit ist stabil.

Das Lärchenharz wird gereinigt, mehrfach filtriert, leicht erwärmt und durch Dekantieren in Lärchenterpentin überführt. Das Terpentin ist eine klare, gelblichgrüne, schwach viskose Flüssigkeit mit feinem aromatischem Geruch. Natives Lärchenterpentin enthält ätherische Öle (15-20 %), unterschiedliche Harzsäuren (50-65 %), Bitter- und Farbstoffe sowie Wasser. Es wird gut verschlossen und vor Licht geschützt gelagert. Mittels Wasserdampfdestillation kann das Terpentin in gereinigtes Terpentinöl (Oleum Trebenthinae) und Kolofonium getrennt werden. Letzteres findet in der chemischen Industrie sowie weltweit als Geigenbogenharz Einsatz.

Verwendung

Industrie und Handwerk: Terpentinöle dienen der Lack- du Klebstoffindustrie zur Herstellung elastischer Schutzlacke. In der Optikindustrie werden hochtransparente Terpentinöle zum Kitten und Verkleben von Linsen verwendet. Kosmetik- und Riechstoffhersteller bedienen sich gern hocharomatischer Terpentinöle. Im Malerhandwerk werden die farblosen, schnell trocknenden Öle vielfach eingesetzt.

Medizin: Die traditionelle innerliche Heilanwendung von Terpentinölen ist heute obsolet. Zu häufig treten hierbei unerwünschte Wirkungen auf. Terpentinöl wird heute ausschließlich für die äußerliche Anwendung in Form von Hautsalben, Gelen, Lotionen, Terpentinpflastern, Badezusätzen und "Pechseifen" verwendet. Diese Präparate dienen der Schmerzlinderung und regen die lokale Wundheilung an. Sie können bei rheumatischen sowie neuralgischen Beschwerden zur Stimulation der Abwehrkräfte sinnvoll sein. Lärchenöle befinden sich auch in Massage- und Duftlampenölen.

Tierheilkunde: Früher haben die Bauern angetrocknetes Lärchenharz vom Stamm gesammelt, leicht erwärmt und auf entzündete, eitrige Klauen ihrer Schafe und Ziegen aufgetragen. Heute sind in der Veterinärmedizin terpentinhalteige Salben und Öle zur Desinfektion und Durchblutungsförderung bei oberflächlichen Verletzungen sowie in der Huf- und Klauenpflege nicht selten.