Ingo Burgert, Leiter der Forschungsgruppe Wood Materials Science an der ETH-Zürich & Empa, schätzt Holz nicht nur als vielseitigen und ästhetischen Baustoff, er hat auch grossen Respekt vor der Leistung der Bäume. Immerhin können sie über 100 Meter hoch und Tausende Jahre alt werden.

Holz ein genialer Faserverbundstoff

Der Wissenschaftler betrachtet Holz als einen genialen, natürlichen Faserverbundstoff aus Zellulose, Hemizellulose und Lignin. Mit ihren langen, geordneten Zuckermolekülketten sorgt Zellulose für die Zugfestigkeit, die Einlagerung von Lignin macht den Zellwandverbund dagegen druckfest. Burgert möchte den Werkstoff Holz so verbessern, dass er weniger schwindet und quillt, damit er als Werkstoff zuverlässiger und breiter einsetzbar wird. "Der Baum hat das Holz für seine eigenen Anforderungen optimiert, nicht für die des Bauwesens", so der Forscher. Der gesunde Baum halte sein Holz immer oberhalb einer Holzfeuchte, bei der das Schwinden einsetzen könne. Somit seien Quellen und Schwinden im lebenden Baum kein Thema.

Wenn der Mensch den Baum fällt

Sobald das Holz trocknet, verlieren die Zellwände Wasser, sodass das Holz schwindet. "Diese Probleme beginnen erst, wenn der Mensch den Baum fällt, und das trockene Holz beginnt, eine Ausgleichsfeuchte zur Umgebung einzunehmen", erläutert Burgert. Treten dann Feuchtewechsel auf, kommt es zu den im Holzbau unerwünschten Spannungen, Verformungen und Rissen.

Natürliche Prozesse nachahmen

Ziel der Forschung ist es, das Quellen und Schwinden des Holzes bei wechselnder Umgebungsfeuchte zu reduzieren und damit die Dimensionsstabilität des Holzes zu erhöhen. Dazu muss man die Holzwände hydrophober machen, also dafür sorgen, dass sie weniger Wasser aufnehmen. Hierfür greift Burgert unter anderem auf Mechanismen zurück, die das Holz natürlicherweise mitbringt.

Viele Bäume bilden im Inneren des Stammes ein Kernholz, bei dem der Baum aktiv hydrophobe Subtanzen in die Zellwände von schon abgestorbenen Zellen einlagert. "Bäume verfügen also über Möglichkeiten, die es erlauben, die Eigenschaften des Holzes noch lange nach seiner Bildung zu verändern. Wenn wir das Holz nachträglich chemisch modifizieren wollen, stehen wir vor sehr ähnlichen Herausforderungen und können daher von den Mechanismen der Kernholzbildung viel lernen", erläutert der Wissenschaftler.

Er versucht diese Prozesse nachzuahmen und Stoffe einzulagern, die die Eigenschaften des Holzes entsprechend den Anforderungen der Baubranche verändern.

Wasserabweisende Zellen

Das Quellen trockenen Holzes beruht darauf, dass sich Wassermoleküle in die Zellwände der Holzzellen einlagern. Also muss man die Zellwände entsprechend verändern, um sie hydrophober zu machen, so der Grundgedanke. "Wir lassen verschiedene hydrophobe chemische Substanzen in der Zellwand andocken. Dadurch füllt sich die poröse Struktur der Zellwand mit wasserabweisenden Substanzen, was den Wassermolekülen den Zugang erschwert." Da die Zellwände so insgesamt weniger Wasser aufnehmen, wird das Holz bei Umgebungsfeuchteänderungen dimensionsstabiler. Entsprechend entstehen weniger Spannungen und Risse in Bauteilen.

Kalziumkarbonat als Feuerschutz

Mit der Entwicklung einer weiteren Modifikationsmethode ist es der Forschungsgruppe gelungen, Kalziumkarbonat tief in die Holzstruktur einzulagern. Sie funktioniert nach dem Vorbild der Mineralisierung unserer Knochen, bei der ja ebenfalls in eine organische Struktur ein Mineral eingelagert wird, um den Knochen stabiler zu machen.

Gelingt es, Kalziumkarbonat ins Holz einzulagern, wird dagegen die Brennbarkeit des Holzes reduziert. Damit will der Forscher eines der grössten Hemmnisse für einen noch umfangreicheren Einsatz von Holz im Bauwesen angehen. Laborversuche zeigen, dass die Wäremfreisetzungsrate von auf diese Weise mineralisiertem Holz im Vergleich zu unbehandeltem Holz nur ein Drittel beträgt.

Daneben hebt Burgert noch einen weiteren wichtigen Pluspunkt hervor: "Unsere Methode ist deutlich "grüner" als herkömmliche Feuerschutzbehandlungen, da wir nur Holz und Kalziumkarbonat zusammenführen." Ein zugehöriges Patent ist bereits eingereicht und gemeinsam mit Industriepartnern aus dem Furnier- und Massivholzbereich arbeitet die Forschungsgruppe an der Weiterentwicklung bis zur Markteinführung.

Ein weiteres Forschungsprojekt ist eine transparente Oberflächenbehandlung, die Holz UV-beständiger und wasserabweisend machen soll. Auch hierzu wurde ein Patent eingereicht.

Anwendung bei Furnieren

Angefangen hat die Forschungsgruppe mit Modifikationen an kleinen Würfelchen und Funierblättern aus Fichten- bzw. Buchenholz. Dabei war es wichtig, sicher zu stellen, dass die Modifikationen auch am Laubholz gut funktionieren. In Anbetracht der Tatsache, dass die mitteleuropäischen Wälder künftig grössere Laubholzvorräte haben werden, besteht in der Forschung bei Laubholz noch rechter Nachholbedarf.

Mittlerweile ist die Forschungsgruppe von Burgert schon einen Schritt weiter. Es können bereits grössere Furniere und für einige Modifikationen auch Vollholz behandelt werden. Für die Furniere sieht der Wissenschaftler vor allem Anwendungsmöglichkeiten im Innenausbau von Automobilen, Schiffen oder Flugzeugen.

Ein Waschbecken aus Holz

"Die Grundidee unserer Arbeiten ist stets, die hierarchische Struktur des Holzes zu erhalten, aber gegebene Schwächen zu kompensieren oder neue Funktionen zu generieren."

Zusammen mit einem Industriepartner verwirklichte Burgert ein Waschbecken aus Holz, dessen Oberflächenbehandlung das Holz so wasserabweisend macht, dass es sich in dieser, für Holz doch extremen Anwendung bewährt. Dann wäre der Weg frei für weitere Alltagsgegenstände.

Neben dem Waschbecken, wird auch ein Türblatt aus Furnier getestet, das durch die Einlagerung von Kalk deutlich feuersicherer als herkömmliche unbehandelte Holztüren wird oder die keimabtötende Türklinke durch eingelagertes, desinfizierendes Jod (eine Entwicklung von Francis Schwarze und Mark Schubert von der Empa).

NEST - "Versuchslabor" für Entwicklungen in der Bautechnik

NEST, das modulare Experimentalgebäude von Empa und Eawag in Dübendorf ist ein infrastrukturelles Forschungsgebäude, welches die Durchführung bautechnologischer Experimente ermöglicht und gleichzeitig als Gästehaus dient. Es ist als vertikale Stapelung von Bauparzellen konzipiert auf denen unterschiedliche, unabhängige Forschungsmodule gebaut werden können. Die Fassaden gehören jeweils zu den Forschungsmodulen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und Wirtschaft garantiert, dass Erkenntnisse entstehen, die wissenschaftlich untermauert und gleichzeitig marktfähig sind.

Eines der Module ist "Vision Wood". Als Baumaterial kommt dort vor allem Buche zum Einsatz, ein Holz, das wegen seiner empfindlichen Reaktion auf Feuchtigkeit bisher kaum verbaut wird, in Schweizer Wäldern aber reichlich vorkommt. Dabei würde es sich, dank seiner hohen Festigkeit, hervorragend für tragende Konstruktionen eignen. Im NEST werden derzeit Konstruktionen aus verklebtem Buchensperrholz getestet, das sich weniger stark verformt.

Um Holz als Baumaterial pflegeleichter und noch attraktiver zu machen, haben Ingo Burgert (Empa und ETH-Zürich "Holzbasierte Materialien") und Tanja Zimmermann (Empa "Angewandte Holzforschung") mit ihren Teams dem altbewährten Werkstoff HOLZ neue Funktionen eingehaucht. Sie möchten in der Unit "Vision Wood" testen, wie sich die Materialien unter realen Bedingungen verhalten. Getestet wird beispielsweise Buchenholz, das durch spezielle Verfahren wasserabweisend gemacht wurde und somit Wasser abperlen lässt. Sogar die Silikondichtungen der Unit enthalten einen Holzbestandteil: Zellulose. Andere Themen rund um Holz sind: Antimikrobielle Holzoberflächen, Bambus-Komposit, Bauen mit Buche – auch im Aussenbereich und Vieles mehr.

Andere Module sind: Urban Mining und Recycling, Solare Fitness & Wellness. Auch Wasser und Energie sind zentrale Themen, an denen geforscht wird.