Papier ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Kein Material begleitet uns umfassender durch den Tag. Von der Zeitung beim Frühstückstisch über die Aktenberge im Büro, die Werbepost im Briefkasten bis hin zur Gute-Nacht-Lektüre: Auf Papier als Träger von Informationen kann die Menschheit schon lange nicht mehr verzichten. Ebenso ist es als Verpackungsmaterial oder Hygienepapier Teil unseres täglichen Lebens, auch wenn wir es kaum noch als Holzprodukt wahrnehmen. Die Forstwirtschaft steht am Anfang dieser Kette, sie stellt den Rohstoff zur Verfügung. Grund genug, etwas mehr über unser Papier zu wissen.

In Deutschland und der EU

Die Bundesrepublik ist mit ca. 20 Millionen Tonnen einer der größten Papierverbraucher der Welt. Jeder Bundesbürger verbraucht pro Jahr durchschnittlich etwa 230 kg Papier. In der Europäischen Union ist Holz das zweitwichtigste Importgut nach Rohöl.

Allein die bayerische Papierindustrie verarbeitet neben Altpapier und Nebenprodukten aus der Sägeindustrie jedes Jahr 1,2 Millionen Kubikmeter Industrieholz aus der Forstwirtschaft. Ohne diesen Absatz wäre es nicht möglich, die Jungbestände rentabel zu durchforsten und sie so zu stabilisieren und ihre Holzqualität zu verbessern.

Ein Sachse erfindet den Holzschliff

Papier war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein knappes und teures Gut. Es wurde noch nicht aus Holz, sondern aus dem begrenzten Rohstoff Hadern hergestellt. Hadern sind Lumpen alter Kleider und Stoffe. Für den Druck von Zeitungen in der Massenproduktion reichte dieser Rohstoff bei weitem nicht aus. Da machte 1843 der sächsische Webermeister Friedrich Gottlob Keller (1816-1895) einen einfachen Versuch: er klemmte ein Brett an einen Schleifstein und schliff es unter Zugabe von Wasser ab. Beim Trocknen der milchigen Tropfen blieben feine Papierblättchen zurück, der Holzschliff. Diese Entdeckung veranlasste Keller zu weiteren systematischen Experimenten, die zum Ausbau des Verfahrens führten. Im Jahre 1845 übernahm der Papierfabrikant Heinrich Voelter Kellers Patent und entwickelte den Holzschliff weiter. In der Folge wurden zahlreiche Holzschleifereien gegründet. Bis 1870 wurden in ganz Deutschland 112 Holzschleifereien eingerichtet, bis 1879 waren bereits 340 Werke in Betrieb.

Der Holzschliff ist ein einfaches, mechanisches Verfahren, das eine Ausbeute von 98 % erreichte und eine komplette Rohstoffumstellung einleitete. Zeitungspapier konnte jetzt zu 80 % aus billigem und in Massen verfügbarem Holz hergestellt werden. Doch wegen der geringen Festigkeit musste der Papiermasse noch 20 % langfaseriges Lumpenpapier aus Hadern zugegeben werden, das wesentlich teurer war als die Produktion des Holzschliffs.

Chemischer Aufschluss des Holzes

Erst mit der Erfindung der chemischen Auflösung von Holz, bei der das Lignin entfernt wird und nur die faserbildende Zellulose erhalten bleibt, war ein Stoff gefunden, der das Lumpenpapier ersetzen konnte. Bis 1890 wurden etwa 25 verschiedene Verfahren entwickelt, um Holzzellulose zu gewinnen. Alexander Mitscherlich (1836-1918), Forstprofessor in Hannoversch Münden, bestimmte mit seinen Forschungen die Entwicklung zum industriellen Verfahren ganz wesentlich mit.

In Deutschland verbreitete sich bis zum Zweiten Weltkrieg das saure Sulfitzellstoffverfahren, bei dem das Holz mit Magnesiumsulfit aufgelöst wird. Es eignet sich vor allem für harzarme Hölzer. Für die harzreiche Kiefer kommt hingegen nur das alkalische Sulfatzellstoffverfahren in Frage. Deshalb ist dieses Verfahren für die kiefernreichen skandinavischen Länder sehr wichtig.

Mit dem chemisch gewonnen Holzzellstoff ließ sich nun auch der Anteil langer Fasern im Papier - bisher aus Lumpen hergestellt - vollkommen mit dem Waldprodukt Holz decken. Damit war endlich ein unerschöpflicher und vor allem preiswerter Rohstoff erschlossen.

Mit Papyrus fing alles an ...

Doch wie sah es vor der industriellen Herstellung von Papier aus, woher kommt überhaupt das Wort "Papier"? Unser Wort "Papier" stammt von Papyrus, einer Pflanze, die in der Antike im Nildelta weit verbreitet war. Der Stängel der ca. drei Meter hohen Pflanze wurde in Stücke von etwa 40 cm geschnitten, dann wurde der Bast entfernt und das Mark in Lamellen aufgespalten. Anschließend wurden die Streifen auf glatter Unterlage nebeneinander gelegt und kreuzweise mit einer zweiten Schicht bedeckt. Der Pflanzensaft wirkte dabei als Bindemittel. Durch Zusammenkleben dieser Blätter entstand eine lange Papyrusbahn, die aufgerollt und verschnürt wurde. Papyrus war bereits in der Römerzeit sehr teuer und mit hohen Steuern belegt. Nach dem Fall Roms und dem Siegeszug der Araber verboten die Sarazenen den Export der knappen und wertvollen Schriftunterlage ins Abendland.

... dann folgte Pergament

Dort hatten sich bereits für kurzlebige Texte Wachstäfelchen und für wichtige Schriften, die lange Zeiträume überdauern sollten, das Pergament etabliert. Pergament wird aus Tierhäuten hergestellt, die auf einen Holzrahmen gespannt und bearbeitet werden. Die Methode ist aus der griechischen Stadt Pergamon überliefert, die sich auf diese Weise um 200 v. Chr. nach einem Papyrusexportverbot der Ägypter beholfen haben soll. Pergament ist haltbarer und wurde für besondere Zwecke, z. B. Urkunden, verwendet. Mit dem Aufkommen von Pergament in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten setzte sich die Buchform (Codex) gegenüber der bisher üblichen Rollenform des Papyrus durch. Der Codex war handlicher und in ihm ließ sich mit Blättern eine bestimmte Schriftstelle viel schneller wieder auffinden als in der umständlich zu handhabenden Rolle.

Pergament

Pergament wird in einem langwierigen und komplizierten Bearbeitungsprozess aus Tierhäuten hergestellt. Im Gegensatz zur Lederherstellung läuft das Verfahren vorwiegend mechanisch ab. Die Felle werden gewässert, in Kalkasche gelegt, auf einen Holzrahmen gespannt und dann mit einem Schabeisen entfleischt und enthaart. Anschließend wird die verbleibende Haut sorgfältig geschliffen, geglättet und mit Kalk berieben.

Papier kommt auf

Pergament war teuer. Für eine einzige Bibel beispielsweise wurden die Häute von 200 bis 300 Schafen benötigt. Aber für die Umsetzung der Erfindung der Buchdruckerkunst war billiges Druckmaterial die Voraussetzung. Papier ist ursprünglich eine chinesische Erfindung (100 n. Chr.). Sein Produktionsprozess wurde fast ein Jahrtausend lang geheim gehalten und erst die Araber brachten es in den Westen.

Bei der mittelalterlichen Papierherstellung wurden angefaulte Lumpen zu einem Faserbrei zerstampft, Wasser hinzugegeben und die entstandene Masse in eine Form auf ein Drahtsieb geschöpft, so dass die Flüssigkeit abtropfte und die Fasern zurückblieben. Anschließend wurden die entstandenen Bogen mehrfach gepresst, geglättet und gegebenenfalls noch geleimt. Zum Zerkleinern der Lumpen brauchte man große mechanische Kräfte, es entstanden die Papiermühlen.

Papiermühlen – Technik im Mittelalter

Die erste Papiermühle Europas stand im maurischen Spanien. In Italien fanden sie sich ab 1276. Die Italiener verbesserten nicht nur den Produktionsprozess, sondern auch die Qualität des Papiers. Die erste Papiermühle in Deutschland errichtete der Nürnberger Handelsherr Ulman Stromer 1390 an der Pegnitz. Um 1450 gab es etwa zehn Papiermühlen in Deutschland, die Hadern verarbeiteten.

Im 15. / 16. Jahrhundert wurde in allen Verwaltungsbereichen immer mehr die Schriftlichkeit gefordert. Dies kam der Papierproduktion zu Gute, weil die Nachfrage nach Schreibmaterial stieg. Langsam stellten die deutschen Städte ihre Rechnungs-, Meister- und Amtsbücher von Pergament auf Papier um. Die zunehmende Nachfrage förderte den neuen Handwerkszweig des Papiermachers. Auf Grund des ab 1450 hinzukommenden Buchdrucks weitete sich die Papierherstellung rasch aus.

Eine besonders populäre Ware, die aus dem neuen Schreibmaterial entstand, waren Spielkarten, die als Massenartikel eine rasche Verbreitung über ganz Europa fanden.

Rohstoffknappheit im 18. Jahrhundert

Ausschließlicher Rohstoff für die Papierherstellung waren helle Hadern, denn auf Baumwolle zurückzugreifen wie in China war nicht möglich. Weil nur helle Hadern verwendet werden konnten, kam es im druckfreudigen 18. Jahrhundert zu einem Engpass in der Versorgung mit diesem Grundstoff. Die Erfindung der chemischen Bleiche mit Chlor 1787 erlaubte es, auch farbige Hadern zu verwenden und damit die Versorgung sicherzustellen.

Allerdings, und das wurde oben bereits erwähnt, kam es im Laufe der industriellen Revolution erneut zu Engpässen, die jedoch nach der Erschließung des Holzes als Papierrohstoff gelöst wurden.

Der Buchdruck – Die Schwarze Kunst beschleunigt die Papierverbreitung

Um 1450 arbeitete Johann Gensfleisch, genannt Gutenberg, in Mainz an der Erfindung des Buchdrucks. Das bahnbrechende daran war, dass er mit beweglichen Lettern arbeitete und Weinpressen einsetzte, um Papier oder Pergament gleichmäßig zu bedrucken.

Gutenberg druckte von seiner berühmten 42-zeiligen Bibel insgesamt 180 Exemplare. Weil die Kosten für bestes italienisches Papier nur ein Drittel der Kosten für Pergament betrugen, wurden 150 Exemplare auf Papier gedruckt. Nur für 30 Exemplare wurde der wesentlich teurere, aber erlesene Rohstoff Pergament verwendet.

Anfangs wurde die Druckkunst als nova forma scribendi, als "neue Form des Schreibens" bezeichnet. Das Druckereigewerbe wurde bereits im 15. Jahrhundert zu einer der Hauptindustrien Europas. Zahlreiche Papiermühlen und Druckereien wurden noch in diesem Jahrhundert gegründet. Sie druckten die Inkunabeln, auch als Wiegendrucke bezeichnete Bücher, die noch vor dem Jahr 1500 entstanden.

Die Entwicklung der "Schwarzen Kunst" verursachte einen Umbruch in der Schriftwelt. Die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse war jetzt wesentlich leichter geworden. Das förderte Bildung und Kommunikation sowie auch den wirtschaftlichen Fortschritt. Der Buchdruck ist eine Erfindung, die die ganze Geisteswelt und auch das Handwerk revolutioniert hat. Der Buchdruck ist ein Meilenstein der Neuzeit und bis heute ein Kennzeichen unserer Kultur.