Fossil oder Futur?

Die deutschen Testbetriebsnetze (TBN) können im Jahr 2012, wenn man die Vorstu­dien und Pilotprojekte einbezieht, auf eine rund vierzigjährige Geschichte zurück­blicken. Sie sind damit im Hinblick auf die Kontinuität der Erhebung, zusammen mit einigen wenigen TBN in Europa, einzigartige Datenquellen, um die die europäische Forstwirtschaft international beneidet wird. In einem zunehmend dynamischeren Um­feld kann ein System sich heute jedoch nicht mehr allein mit Kontinuität und Poten­zialen begründen, sondern muss auch Fragen des Nutzwertes und der Anpassungs­fähigkeit beantworten. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass auch zu Beginn die­ses Jahrzehnts der wohl turnusmäßige stattfindende Diskurs über die Sinnhaftigkeit der Testbetriebsnetze entbrannt ist. Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über den aktuellen Stand gegeben und – basierend auf den Arbeiten einer Arbeitsgruppe auf Bundesebene – eine mögliche Perspektive für die Weiterentwicklung des Testbetriebsnetzes Bund (BMELV) aufgezeigt werden.

Nutzung der TBN Daten

Ein Teil der Kritik richtet sich auf die geringere Bedeutung einer permanenten Samm­lung von Informationen über die heimische Forstwirtschaft. Zweifelsfrei kann festge­stellt werden, dass die dokumentatorische Funktion der TBN seit mindestens einem Jahrzehnt rückläufig ist. Wurden zu Beginn der TBN-Erhebungen vielfach um­fangreiche Auswertungsbände veröffentlicht, so reduziert sich die Veröffentlichung heute häufig auf kleinere Aufsätze. Auf den ersten Blick scheint die Nachfrage nach den Ergebnissen zurückgegangen zu sein. Blickt man jedoch etwas hinter die Kulissen, stellt man fest, dass sich zwar das Profil der Nutzung der Daten verändert hat, die Intensität der Nutzung aber eher nach oben gegangen ist. Allerdings unter Verlagerung der Diskussion aus dem forstöffentlichen Diskurs hinaus und in einen Bereich hinein, wo im Regelfall nur ein kleinerer Personenkreis involviert ist.

Als aktuelle Einsatzbereiche für die Verwendung von TBN-Daten sind derzeit insbesondere zu nennen:

  • Einzelbetriebliche Beratung
  • Berichtspflichten
  • Wissenschaftliche Untersuchungen
  • Politikberatung

Einzelbetriebliche Beratung

Wo flexible, lokale Auswertungsmöglichkeiten bestehen und eine ausreichende Fallzahl die Nutzung der Daten für Benchmarkingzwecke erlaubt, werden die Infor­mation von den Bewirtschaftern gerne genutzt, um den Betriebsablauf z. B. anhand automatisiert erstellbarer, graphischer Betriebs- und Zeitreihenvergleiche zu überprü­fen (Abb. 2). Vielfach wird von den Betriebsleitern als Einsatzbereich auch die Ver­wendung entsprechender Informationen genannt, um Besitzern (private Eigentümer, kommunale Gremien) Rechenschaft über den Betriebserfolg zu geben.

Berichtspflichten

Für die "Forstwirtschaftliche Gesamtrechnung", die schlussendlich auch in die "Volks­wirtschaftliche Gesamtrechnung" der Europäischen Gemeinschaft einfließt, bilden die Testbetriebsnetzdaten eine wesentliche Grundlage. Es ist offenkundig, dass hier ein System vorhanden ist, das einen wesentlichen Informationsbedarf befriedigen kann, der bei Wegfall des Systems durch andere, vermutlich aufwändigere Erhebungen ersetzt werden müsste.

Wissenschaftliche Untersuchungen

Die Nutzung der Daten für wissenschaftliche Zwecke hat sich in den letzten Jahren intensiviert und durch die Nutzung elaborierterer Auswertungsmethoden beträchtlich erweitert.

Politikberatung

Wenig augenscheinlich (aber existent) ist die Rolle der TBN in der Politikberatung. Von der Beantwortung von Landtagsanfragen bis zur Berechnung von Fördermittel­sätzen reicht das Spektrum der Fragestellungen. Kennzeichnend für diese Art der Fragestellung ist dabei (neben der inhaltlichen Dimension) oft auch der Zeithorizont. Die Fristigkeiten, mit denen Antworten im politischen Prozess gegeben werden müs­sen, sind im Regelfall wenig bis nicht kompatibel mit der Durchführung von ad hoc Datenerhebungen und Sonderprojekten. Nur eine breite und flexibel auswertbare, permanent aktualisierte Datenbasis ermöglicht Reaktionszeiten, die im Wochen-, teil­weise sogar im Stundenbereich liegen (müssen).

Denkmodell: Modularer Aufbau der TBN

Die nachfolgend vorgestellten Überlegungen beruhen auf dem in weit überwie­genden Teilen konsensualen Ergebnis eines Workshops (FVA, Freiburg; 1./2. März 2012), an dem Vertreter aus dem ganzen Bundesgebiet teilgenommen haben.

Kernbestandteil dieses Konzepts ist ein modularer Aufbau, der künftig drei Kate­gorien von Daten aufweisen soll:

  • Verbindlich zu erhebende Daten
  • Fakultative Daten
  • Sonder- und Zusatzerhebungen

Rückgrat des TBN ist weiterhin ein verbindlicher Datensatz, in dem wesentliche Kennzahlen abgebildet sein sollen. Dabei spielt zum einen die Bedeutung der Daten für die aktuellen Berichtspflichten eine wesentliche Rolle. Zum anderen werden aber auch die wichtigsten Zeitreihen für den klassischen dokumentatorischen Bereich fort­geführt und bleiben als Kerninformationen für Betriebsvergleiche enthalten.

Neben das Pflichtprogramm tritt ein fakultativer Bereich. Hier sind Basisdaten zu höher aggregierten Kennzahlen des Kernbereichs enthalten. Hinzu kommen Kenn­zahlen, für die ein standardisiertes Datenfeld bundesweit angeboten werden soll, de­ren Meldung aber nur noch bei guter eigener Datenverfügbarkeit und auf freiwilliger Basis erforderlich ist. Auswertungen finden hier dann auf einer reduzierten Zahl von Meldebetrieben statt, bleiben aber permanent möglich.

Zusätzlich wird es in einer dritten Erfassungsebene sogenannte Sondererhebungen geben. Hier steht es den einzelnen, auf Länderebene organisierten Betreibern frei, bisherige Zahlenreihen mit eigener technischer Infrastruktur weiterzuführen. Bedeu­tender wird jedoch die bereits von einigen wenigen Ländern praktizierte Möglichkeit sein, quasi nebenbei, aktuellen Kenntnisbedarf zu befriedigen und eine Verdichtung an Information dort vorzunehmen, wo Detailwissen erforderlich ist. Dabei schließt dieser Ansatz auch die Abarbeitung länderübergreifender oder aber bundesweiter Fragenstellungen nicht aus. Hier müssen nur vor Einstieg in die jeweilige Erfassungssaison die entsprechenden Kooperationen gebildet und ggf. ein Träger für gemeinsame Auswertungen gefunden werden.

Über diesen modularen Ansatz wird der Erhebungsaufwand für die Teilnehmer struk­turell verringert, die Flexibilität in regionaler und zeitlicher Auflösung jedoch deutlich erhöht. Abb. 3 gibt einen exemplarischen Überblick über die auf Bundesebene in einer Arbeitsgruppe bereits einvernehmlich abgestimmten Veränderungsmöglichkeiten.

Der Bereich Sondererhebungen kann dabei den Weg für Zukunftsoptionen der TBN bereiten, denn hier können neue Optionen zunächst versuchsweise erprobt werden, ohne dass aufwändige technische oder organisatorische Veränderungsprozesse angestoßen werden müssten.

Fazit

Insgesamt betrachtet stellt das TBN derzeit eine weiterhin wichtige Datenquelle für unterschiedlichste Zwecke dar. Bei Wegfall des Netzes bestünde Grund zu der An­nahme, dass der Erhebungsaufwand für diese Meldepflichten nur marginal reduziert, die Flexibilität der Datennutzung aber weitgehend zerstört würde. Klar erscheint auch, dass Probleme eher in der konsistenten Anwendung der Buchungsregeln bestehen, als im System an sich. Hier sollte sich (nach Entscheidung über die künftigen Strukturen) das Augenmerk auf eine Optimierung der Aufnahmeanweisung richten.

Zusätzlich bestehen, bei Realisierung eines modularen Aufbaus, beträchtliche Zu­kunftsoptionen bei steigender Reaktionsfähigkeit auf aktuelle Anforderungen. Als Fazit bleibt, dass man nicht das "Ob" der TBN diskutieren sollte, in jedem Falle aber das "Wie".