Knapp ein Drittel der Schweiz ist bewaldet. Ohne den Einfluss des Menschen wäre dieser Anteil gemäss dem Schweizerischen Landesforstinventar über 70 Prozent. Unsere Vorfahren rodeten die Wälder, um Flächen für Ackerbau und Viehwirtschaft zu gewinnen, und schufen im Verlauf der Jahrhunderte dadurch eine vielfältige Kulturlandschaft. Selbst steilste und unwirtliche Lagen wurden urbar gemacht, um Nahrungsmittel für die wachsende Bevölkerung zu gewinnen, so wie dies in vielen Entwicklungsländern heute noch geschieht.

Weltweit geht der Wald deshalb zurück. Nicht so in der Schweiz: Hier hat er in den vergangenen 150 Jahren um 30 bis 50 Prozent zugenommen (vgl. Abb. 2). Auch zur heutigen Entwicklung liegen unterschiedliche Zahlen vor: Gemäss dem Landesforstinventar hat die Waldfläche zwischen 1983/85 und 1993/95 um 47'612 Hektaren (476 km2) zugenommen. Die Arealstatistik weist zwischen 1979/85 und 1992/95 eine Zunahme um 18'385 Hektaren (183 km2) aus.

Klar ist: Die Waldausdehnung fand praktisch ausschliesslich im Berggebiet statt. Viele Fragen bleiben offen: Liegt der Höhepunkt der natürlichen Wiederbewaldung vor oder hinter uns? In welchem Ausmass wird sie in Zukunft weitergehen? Mit welchen Folgen ist sie verbunden? Stellt die Waldzunahme ein Problem dar? Und schliesslich: Was sind eigentlich die Ursachen dieses Phänomens?

Waldausdehnung bewegt die Politik

Auf den ersten Blick erscheinen die Hintergründe einfach: Wald kommt dort auf, wo die landwirtschaftliche Bewirtschaftung aufgegeben wird, weil sie nicht mehr rentabel ist (vgl. Abb. 1, 3). Im Vormarsch ist der Wald also auf den so genannten Grenzertragslagen. Die Aufgabe der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung erregte bereits früher die Gemüter und löste wissenschaftliche Studien und politische Vorstösse aus. Damals stand allerdings weniger die Waldzunahme zur Debatte als diejenige des Brachlandes. Die Agrarpolitik reagierte 1979 mit der Einführung von Bewirtschaftungsbeiträgen. Damit sollte die Vergandung verhindert und die Landwirtschaft in Lagen mit erschwerten Produktionsbedingungen gefördert werden.

Grosse Bedeutung für die Brachlandthematik hat die Reform der Agrarpolitik von Anfang der 1990er-Jahre. Der massive Ausbau von flächengebundenen Direktzahlungen hat den Anreiz, Grenzertragslagen zu bewirtschaften, deutlich erhöht. So streiten sich heute da und dort Landwirte um Pachtflächen, die für die Produktion wenig attraktiv sind. Förster beobachten mancherorts einen zunehmenden Druck der Landwirtschaft auf den Wald.

Wie effizient sind Massnahmen?

Kommt der Wald trotzdem unverdrossen zurück? Wirken die finanziellen Anreize zur Aufrechterhaltung der Bewirtschaftung nicht? Eine solche Schlussfolgerung wäre voreilig, da die neue Agrarpolitik erst seit Mitte der 1990er-Jahre wirksam ist, die jüngsten Statistiken zur Waldausdehnung aber die Zeit zwischen ca. Mitte der 1980er- bis Mitte der 1990er-Jahre erfassen.

Eine Politik, die eine nachhaltige Landnutzung fördern will, muss verstehen, wie Entscheidungen zur Nutzung von Land getroffen werden. Aus einer oberflächlichen Betrachtung und Ursachenanalyse werden oftmals verkürzte Schlussfolgerungen gezogen. Ein Beispiel dafür ist etwa die Vermutung, dass die Erhaltung möglichst vieler kleiner und tendenziell im Nebenerwerb geführter Landwirtschaftsbetriebe die Bewirtschaftungsaufgabe bzw. Waldausdehnung verhindert. Auch die gegensätzliche Position wird vertreten; dass ein Agrarstrukturwandel in Richtung grosse und schlagkräftige Haupterwerbsbetriebe notwendig sei, um dies zu erreichen. Allerdings lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen Agrarstruktur(-wandel) und Aufgabe der Bewirtschaftung weder theoretisch eindeutig begründen noch mittels Daten belegen.

Wie und warum breitet sich der Wald aus?

Mit Fragen der natürlichen Wiederbewaldung befasste sich die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL im Forschungsprojekt WaSAlp (Waldausdehnung im Schweizer Alpenraum). Dessen zentrale Forschungsfragen lauteten:

  • Gibt es typische Muster der natürlichen Wiederbewaldung und wie können sie erklärt werden?
  • Welches Verhältnis besteht zwischen den Agrarstrukturen bzw. ihrem Wandel und der natürlichen Wiederbewaldung?
  • Wie beeinflussen die agrarpolitischen Direktzahlungen, mit denen eine flächendeckende Bewirtschaftung angestrebt wird, die Waldausdehnung?

Das Projekt wurde von einem interdisziplinären Team aus zwei unterschiedlichen Perspektiven bearbeitet:

  • sozialwissenschaftlicher Zugang: Welche wirtschaftlichen, politischen und anderen gesellschaftlichen Ursachen fördern oder bremsen die Bewirtschaftungsaufgabe?
  • naturwissenschaftlicher Zugang: Wie läuft die "Rückeroberung" von Wiesen und Weiden durch den Wald genau ab?

Ziel des Projektes war es zudem, die Bevölkerung in den untersuchten Gemeinden einzubeziehen. Eine Journalistin begleitete dazu das Projekt WaSAlp und sorgte dafür, dass sich nicht nur Forschende, sondern auch weitere interessierte und betroffene Personen mit der natürlichen Wiederbewaldung befassen.

Waldausdehnung: Gut oder schlecht?

Für die einen ist das Verschwinden der Landwirtschaft eine grosse ökologische Katastrophe für das Berggebiet, während andere im Rückzug des Menschen eine Chance für die Natur erblicken. Die möglichen Folgen der natürlichen Wiederbewaldung und deren Bewertung wurden im Projekt WaSAlp zwar nicht untersucht. Trotzdem möchten die Forschenden die Bewertungsfrage angesprechen. Ob es angesichts der stetig zunehmenden Waldfläche einen politischen Handlungsbedarf gibt, ist nämlich aufgrund der Wirkungen der Waldausdehnung zu entscheiden, und nicht aufgrund der Ursachen. Kenntnisse über die Ursachen sind – falls Handlungsbedarf erkannt wird – erst für die Gestaltung von Massnahmen entscheidend.

Wirkungen entfaltet die natürliche Wiederbewaldung in drei Bereichen:

  1. Naturgefahren
    Wälder schützen vor Naturgefahren. Im Übergang von der Bewirtschaftung zum Wald können die Risiken von Naturgefahren (Bodenerosion, Lawinen) jedoch zunehmen.
  2. Naturschutz
    Nach der Aufgabe der Bewirtschaftung nimmt die Artenvielfalt vor Ort anfänglich meist zu, danach eher wieder ab. Selbst bei vollständigem Verschwinden der Landwirtschaft gehen allerdings kaum Arten verloren; indessen verschwinden kulturbedingte Lebensgemeinschaften (Artenkombinationen).
  3. Kulturlandschaft
    Nur ein kleiner Teil der Alpen ist eigentliche Kulturlandschaft. Vermutlich gerade deswegen wird sie von vielen als besonders kostbar erachtet . Eine bewaldete Landschaft wird laut einer gesamtschweizerischen Befragung dennoch höher bewertet als eine nicht bewaldete, eine leicht bewaldete höher als eine stark bewaldete.

Generell ist die Waldausdehnung also weder "gut" noch "schlecht". Eine Bewertung kann nur im konkreten Einzelfall vorgenommen werden und ist nur kleinräumig möglich.

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