Aufgrund der Klimaerwärmung fordern unter anderem europäische Politiker, Holzarbeiten unter Einsatz von schweren Maschinen im Wald zu stoppen und stattdessen wieder vermehrt auf Rückepferde zu setzen, da sie deutlich schonender mit der Ressource Wald umgehen. Bei den immer weiter steigendenden Anforderungen an die naturnahe Waldwirtschaft ist dies eine Überlegung wert.
Rückepferde bezeichnet im Wald eingesetzte Pferde, die dort Arbeiten wie beispielsweise das Verbringen oder Vorliefern von gefällten und entasteten Baumstämmen zum nächsten befahrbaren Waldweg oder Polterplatz übernehmen. Ausserdem ziehen sie die geernteten Bäume dem Vollernter entgegen, der sie dann aufarbeitet.
- Sie benötigen dabei in unwegsamem Gelände keine Rückegassen wie Forstmaschinen, sondern können Stämme auch durch das stehende Holz ziehen, ohne Schäden an Bäumen zu hinterlassen oder Lärm zu verursachen.
- Rückepferde reagieren auf den kleinsten Zuruf oder ein leichtes Zupfen am Zügel und können mit zentimetergenauer Präzision die Stämme rangieren und verrichten präzise ihre Arbeit.
- Pro Tag kann ein Rückepferd ca. 30 Festmeter aus dem Wald ziehen; das sind je nach Stammdicke etwa 80 bis 100 Baumstämme.
Studien aus Deutschland von der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg konnten belegen, dass beispielsweise beim Vorliefern von Vollbäumen der Pferdeeinsatz im Vergleich zum Seilschleppereinsatz neben ökologischen auch ökonomische Vorteile besitzt. Schäden an Boden und Baumbestand werden mit dem Rückepferdeinsatz verhindert. Zudem gewinnt man mit schmaleren Rückegassen Waldfläche.
In der wissenschaftlichen Arbeit von Jörg Vossenbrink an der Universität Kiel zeigte es sich, dass die Rückung mit Rückepferden als einzige Methode keinen Einfluss auf die Standortökologie hatte. In der Rückegasse waren die bodenphysikalischen Parameter nicht verändert, obwohl jeweils unmittelbar unter den Hufen hohe Spannungen auftreten.
Einige deutsche Bundesländer wie Rheinland-Pfalz, Thüringen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen setzen bereits seit geraumer Zeit bei der Holzernte im Wald auch auf den Einsatz von Rückepferden. Der Pferdeeinsatz wird mit Subventionen gefördert und es zeigt sich, dass die Nachfrage nach dieser speziellen Forstdienstleistung mehrfach höher ist als das Angebot.
In Thüringen werden beispielsweise jährlich etwa 10.000 Festmeter Holz mit Pferden gerückt. Das sind derzeit knapp ein Prozent des Jahreseinschlags. Auch im Stadtwald Lüneburg in Niedersachsen gibt es ein Pilotprojekt mit Rückepferden. Sie erledigen die Arbeit im Wald auf den empfindlichen Böden und ziehen die Stämme zu Orten, wo dann Forstmaschinen eingesetzt werden können. Damit Pferderücker konkurrenzfähiger werden, fördert Niedersachsen den Pferdeeinsatz beim Holzrücken. Es kann eine Zuwendung beim Land beantragt werden. Auch in Nordrhein-Westfalen wird der Einsatz von Rückepferden im Wald mittlerweile gefördert.
Die Vorteile des Pferdeeinsatzes im Sinne einer nachhaltigen Forstwirtschaft sind:
- Rückepferde können nahezu ganzjährig eingesetzt werden, da sie nicht von der Witterung abhängig sind, und zudem deutlich wendiger als Maschinen
- hohe Bestandespfleglichkeit (wenig Rindenverletzungen) und Rücksichtnahme auf waldbauliche Erfordernisse, wie die gezielte Schonung von Naturverjüngung
- geringer Flächenbedarf für Rückegassen und -wege
- grosse Gassenabstände sind möglich
- einsetzbar auch in schwierigem, unwegsamem, engem oder steilem Gelände sowie bei problematischen Bodenverhältnissen, ebenso in Naturschutz- oder Feuchtgebieten
- Schonung des Bodens: Verringerung des Risikos von Bodenverschmutzung durch Kraftstoffe oder Hydrauliköle, keine Bodenverdichtung (verdichteter Boden kann nur noch 15 bis 20% Regenwasser aufnehmen; in trockenen Jahren ist das ein grosses Problem)
- Überbrückung von Schlechtwetterzeiten bei nassen Böden durch Vorarbeiten für einen späteren Maschineneinsatz
- Vermeidung der Freisetzung von klimafeindlichen Gasen wie CO2 oder N2O und Reduzierung des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen
- verursachen keinen Lärm
- hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung
Weitere Informationen siehe: www.starke-pferde.com/pferdearbeit-jetzt/forstwirtschaft/
Belastbarkeit von Pferden beim Holzrücken
Ein gut trainiertes, gesundes Pferd kann beim einspännigen Zug zwischen 10 und 20 Prozent seines Körpergewichtes über einen längeren Zeitraum ziehen, ohne negative gesundheitliche Folgen, sofern die Pausen eingehalten werden (s. Starke-Pferde.com). Bei einem 800 kg schweren Kaltblutpferd würde das einem Fichtenstamm mit 25 cm Durchmesser und 5 m Länge, gezogen auf einem ebenen Nadelboden, entsprechen oder in etwa 200 kg (20%).
Kurzfristig kann ein Pferd auch schwerere Stämme (bis 50 Prozent seines Körpergewichts) ziehen. Unter den oben genannten Bedingungen wäre dies ein Stamm von 45 cm Durchmesser und 5 m Länge bzw. 0,8 Festmetern.
Pferdegerechtes Holzrücken ist ein ständig wiederholender Zyklus und heisst:
- Leerfahrt (Aufsuchen des Stammes)
- Pause (Anhängen)
- Lastfahrt
- Pause (Abhängen)
- erneute Leerfahrt
- usw.
In der Regel bleibt dem Pferd dabei genügend Zeit, sich zwischen den oft anstrengenden Zugarbeitsphasen wieder zu regenerieren. Da aber jedes Pferd individuelle Leistungsgrenzen hat, muss der Rücker/die Rückerin dies Berücksichtigen und ggf. zusätzliche Pausen einplanen.
Wissenschaftliche Studien von Vera Hoffmann an der FHS Hildesheim/Holzminden zeigen, wenn die natürlichen Leistungsgrenzen des Rückepferdes beachtet werden, ist gewährleistet, dass ein vorzeitiger Verschleiss des Pferdes unterbliebt und das Pferd als wertvoller Helfer im Wald dem Menschen viele Jahre erhalten bleibt.
Wichtig -Allgemeine Anforderungen an Rückepferde:
- Trittsicherheit des Pferdes, um sich sicher durch rutschiges und unwegsames Gelände mit Steinen, Matsch, Geäst, Baumstümpfen und Wurzeln bewegen zu können
- gute Zugwilligkeit und -festigkeit des Pferdes: sie sollten neben einem guten, ruhigen Charakter, Gehorsam und Zugwillig- bzw. Zugfestigkeit mitbringen
Für jede Aufgabe das richtige Pferd:
- Für Rückearbeiten mit Langholz und schweren Holzsortimenten werden zumeist Kaltblutrassen (ab 700 kg Körpergewicht) eingesetzt, da sie besonders leistungsstark und ausdauernd sind.
- Im Gebirge oder bei der Schwachholzernte sind leichte, untersetzte Rassen (u.a. Norweger) vorteilhafter, da sie wendiger und leichtgängiger sind.
Weitere Dinge, die es zu beachten gilt:
- Pferde und Pferdeführer (Fuhrfrau oder -mann) benötigen eine entsprechende Ausbildung, damit sie als Team sicher zusammenarbeiten können.
Ein wichtiger Teil der Grundausbildung für die Fuhrperson ist es, das Verständnis für das Pferd und dessen Verhalten zu erlangen, was die wichtigste Grundlage für die zukünftige Zusammenarbeit im Gespann darstellt.
Für Interessierte gibt es verschiedene Ausbilder. Eine Möglichkeit ist die Ausbildung in modular aufgebauten IGZ-APRI-Kursen in Deutschland. - Rückepferde benötigen eine spezielle Ausrüstung, die auf die Rückearbeiten abgestimmt ist.
- Zudem müssen die Tiere an Geräusche von Motorsägen, fallenden Bäumen, wegbrechenden Ästen, rollenden oder rutschenden Stämmen, raschelndem Laub oder Dickicht, grossen Maschinen und den Ketten, mit denen das Holz gezogen wird, gewöhnt werden.
Auf die richtige Kombination kommt es an
Rückepferde sollen Forstmaschinen nicht ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen. Die Kombination aus beidem, also das Zusammenspiel von Tradition und Moderne ist dabei am effizientesten.
Auch wenn Pferde es könnten, werden heute schwere Lasten und weite Wege pferdeschonend mit Maschinen erledigt. Aber bei der filigranen Feinarbeit im Bestand können Pferde auf kurzen Strecken jedoch ihre Stärken ausspielen, ohne sich dabei zu verausgaben.
In Thüringen beispielsweise werden leichte Baumstämme oder Stammteile auf empfindlichen Standorten boden- und bestandespfleglich durch Pferde gerückt, während die schweren Stämme den Forstmaschinen vorbehalten bleiben. Das Aufstapeln der Stämme am Wegesrand bleibt in jedem Fall weiterhin Sache von Forstmaschinen.
Klar ist auch, das Pferde Ruhepausen benötigen und so nur einige Stunden am Tag arbeiten können. Diese Einschränkungen lassen sich aber gut durch eine Kombination von Pferde- und Maschineneinsatz ausgleichen. Beispielsweise könnten Pferde schwächere Holzdimensionen oder Stammabschnitte auf empfindlichen Standorten bodenschonend und bestandespfleglich rücken, während sich Forstmaschinen um die stärkeren Holzdimensionen kümmern. Zum Aufschichten der Stämme am Wegesrand braucht es auch zukünftig Fortstmaschinen. Im Vergleich zum Pferd erbringt die Forstmaschine zwar eine etwa 10-fach höhere Leistung, Pferde können Forstmaschinen also nicht per se ersetzen, aber für bestimmte Einsatzkombinationen kann Pferdearbeit eine sehr gute und umweltfreundliche Ergänzung sein.
Rückepferde als Bodenschützer
Bei den hier vorgestellten Verfahren werden Pferde in die Holzkette sinnvoll eingebunden, was sich positiv auf die vorherigen und nachgehenden Verfahren und Gewerke auswirkt. Somit werden die sensiblen Waldböden geschont und Rückepferde werden bei ihrem Einsatz im Wald zu Bodenschützern.
In Mecklenburg-Vorpommern setzt man in Laubwäldern auf hydromorphen (stau- und grundnassen) Grundmoränenstandorten auf die Kombination moderner Forsttechnik und traditioneller Pferderückung. Beim Abtshagener Laubholzverfahren bezeichneten Vorgehen arbeiten das Rückepferd und ein mit Bändern ausgestatteter Tragrückeschlepper Hand in Hand. Bei der Ente der Nadelhölzer setzt Landesforst Mecklenburg-Vorpommern dagegen auf eine hochmechanisierte Holzernte, was bei der Bevölkerung allerdings deutlich weniger gut ankommt als die Arbeit in Kombination mit Rückepferden.
Weitere Verfahren sind:
Kölner Verfahren
- ein im Laubholz verwendetes abschnittsbezogenes Verfahren
- Rückegassenabstand von mindestens 40 m
- witterungsbedingter Einsatz von maschinellen Transportmitteln von der Rückegasse zum Polterplatz
Wittgensteiner Verfahren
- Anwendung in Mittelgebirgsregionen
- Alternative zum Schlepper
- Rückegassenabstände von mindestens 40 m
- maschineller Einsatz von Transportmitteln nur bei passender Witterung
Berliner Verfahren
- Anwendung im Laub- und Nadelholz
- genereller Verzicht auf maschinenbetriebene Transportmassnahmen bis zum Polterplatz
- das endgerückte Holz wird mit pferdegezogener Kleintechnik bis zum Polterplatz transportiert
Weitere Einsatzgebiete von Pferden im Wald
Neben der klassischen Arbeit des Holzrückens, also dem Vorliefern oder Endrücken von Stämmen oder Stammabschnitten aus dem Bestand heraus an Maschinengassen oder Forstwege gibt es noch weitere forstwirtschaftliche Bereiche, in denen Arbeitspferde sinnvoll eingesetzt werden können:
- Grubbern zur Förderung der Naturverjüngung
- Pflanzstreifen anlegen mit dem Forstpflug
- Buchensaat mit einer Spezial-Forstsämaschine
- Adlerfarnbekämpfung
Vierbeinige Waldarbeiter für eine nachhaltige Forstwirtschaft
Im Sinne einer naturnahen Forstwirtschaft gewinnt der Einsatz von Rückepferden heute wieder an Bedeutung und Pferd und Maschine teilen sich das Aufgabengebiet. Immer breiter werdende Rückegassen, auf denen auch noch Jahre danach keine Bäume wachsen, starke Bodenschäden im Wald können so weitestgehend vermieden werden.
Weiterführende Literatur:
- Michael Koch: Traditionelles Arbeiten mit Pferden. Ulmer, Stuttgart 1998, ISBN 3-8001-7383-2
- Erhard Schroll (Hrsg.): Holzrücken mit Pferden – Handbuch für die Waldarbeit mit Pferden, Starke Pferde-Verlag, Lemgo, 2016, ISBN 978-3-9808675-6-6
- Peter Herold: Untersuchungen zum Leistungspotenzial des Einsatzes von Arbeitspferden und moderner pferdegezogener Technik im Ökologischen Landbau am Beispiel der Mahd im Grünland. Dissertation Universität Kassel 2016, https://kobra.uni-kassel.de/bitstream/handle/123456789/2017061352613/DissertationPeterHerold.pdf?sequence=5&isAllowed=y








