Soll ein Baum mit der Motorsäge gefällt werden, muss der Forstarbeiter entscheiden, ob er diesen Baum aus eigener Kraft sicher in der gewünschten Richtung zu Fall bringen kann, oder ob er zur Unterstützung eine Seilwinde benötigt. Fällt die Entscheidung "pro Winde", muss das Baumzugseil vor Beginn der Motorsägearbeiten hoch am zu ziehenden Baum befestigt ("angeschlagen") werden, und zwar umso höher, je schwerer der Baum ist, je schiefer er steht und je schwächer die Winde ist.Die herkömmlichen Techniken des Seilanschlages bei der seilunterstützten Fällung haben alle ihre Vor- und Nachteile. 

Beim Anschlagen des Seils sind alle herkömmlichen Verfahren mit Vor- und Nachteilen behaftet: Mit der Seilklettertechnik und mit Hilfe von Steigeisen lässt sich der Seilanschlag zwar in grosser Höhe anbringen, doch ist die Kletterei teuer und nicht jedermanns Sache. Vom Boden aus sind nur Anschlagshöhen von fünf bis sechs Metern erreichbar und das Hantieren mit Aluminiumleitern ist umständlich und vor allem gefährlich.

Die Darmstädter Seilzugtechnik (DST) ist dagegen so effizient und einfach, dass man sich fragt, weshalb sie nicht häufiger zum Einsatz kommt. Die erforderliche Ausrüstung kann den örtlichen Gegebenheiten angepasst und einfach per Katalog bestellt werden. Fast alle benötigten Ausrüstungsteille stammen aus der Seilklettertechnik.

So funktioniert es

Per Hand mit der "Pendeltechnik" oder mit einer Wurfbeutelschleuder wird ein 350 g schwerer Wurfbeutel mit einer per Kleinkarabiner verbundenen Wurfschnur (Nylon 2,6 mm) über einen ausreichend hohen Ast geworfen oder geschleudert. Kommt der Wurfbeutel wieder am Boden an, wird er vom Karabiner getrennt und vorerst in der Hosentasche verstaut. Der Karabiner, der immer noch an der Wurfschnur hängt, wird mit einem Schliessring verbunden, an dem ein 8 mm starkes Klemmknotenseil befestigt ist. Dieses Seil nennt man Nachziehleine oder "N-Leine". Nun wird mit Hilfe der Wurfschnur die N-Leine über den Ast gezogen. Während dieses Arbeitsschrittes sollte man die Wurfschnur sauber in der Falttasche verstauen.

Sobald Karabiner und Schliessring zum zweiten Mal am Boden ankommen, werden "N-Leine" und Wurfschnur getrennt, der Wurfbeutel wieder mit der Wurfschnur verbunden und mit der Falttasche bis zum nächsten Einsatz zur Seite gestellt.

Im letzten Arbeitsschritt wird das eigentliche Baumzugseil hochgezogen. Dieses kann entweder direkt das Windenseil sein oder, falls das Windenseil zu kurz ist, ein Verlängerungsseil aus Stahl oder Dyneema-Kunstfaser. In beiden Fällen muss das Seil zur eingesetzten Windenzugleistung passen.

Ist das Zugseilende über den Ast gezogen worden, wird wahlweise mit einem auf dem Seil aufgefädelten Gleithaken oder einem Schäkel eine Würgeschlinge gebildet, die sich beim Anziehen des Seiles um den Stamm herum zuzieht. Sind Äste im Weg, die das Zuziehen verhindern, besteht beim Einsatz eines Verlängerungsseils die Möglichkeit, anstelle der Schlinge eine Schlaufe zu bilden und die beiden Seilenden per Schäkel mit dem Windenseil zu verbinden.

Da sich die Schlaufe nicht zuziehen kann, besteht die Gefahr, dass das Seil beim Anziehen am Baum verrutscht, sich dabei verdreht und unter ruckartigen Belastungen bricht. Deswegen muss der Seilanschlagpunkt immer höher als der Windenstandort sein. Wenn die Winde tiefer als der Seilanschlagpunkt steht, muss der seiltragende Ast stabil genug sein, um beim Anziehen des Seils nicht abzubrechen. Im Zweifel ist es daher sicherer, mit einer Würgeschlinge zu arbeiten.

Die DST nutzt das Hebelgesetz

Mit steigender Seilanschlaghöhe sinken kontinuierlich die zum Ziehen des Baumes erforderlichen Kräfte.

So kann zum Beispiel für die Fällung einer starken Randbuche eine Zugleistung von 8 t erforderlich sein, wenn das Zugseil in 5 m Höhe angebracht ist. Bei einer Anschlaghöhe von 10 m sinkt der Leistungsbedarf auf 4 t und bei einer Anschlaghöhe von 15 m auf 2,66 t. Mit anderen Worten: Ein Baum, dessen Fällung bei niedrigen Anschlaghöhen eine 8 t-Winde an die Leistungsgrenze bringt, lässt sich theoretisch (wenn es sein muss auch praktisch!) mit einem grossen Handseilzug ziehen.

Die starke Verringerung der erforderlichen Zugleistung durch einen höheren Seilanschlag hat mehrere Vorteile:

  • Sie schont Schlepper, Seilwinde und die übrige Ausrüstung.
  • Es können Maschinen und Winden mit geringerer Leistung verwendet werden.
  • Das Risiko von Scherbrüchen im Stamm sinkt, da die Bruchleiste der Fallkerbe weniger auf Zug belastet wird.
  • Beim Einsatz von Umlenkrollen können schwächere Ankerbäume verwendet werden, wodurch man eine grössere Auswahl an geeigneten Bäumen findet und damit ein Beiziehen schräg zur geplanten Fallrichtung leichter vermeidet.
  • Es werden Leistungsreserven frei, dank derer sich ein Baum bei der Fällung leichter durch einen engen Kronenverbund mit Nachbarbäumen "durchziehen" lässt.

Vieles geht, aber nicht alles

In gefährlichen Situationen verringert die Anwendung der DST das Unfallrisiko für den Forstarbeiter und auch für Unbeteiligte. Nach Sturmereignissen sind Bäume häufig in grösseren Höhen abgeknickt. Mit der DST können diese Bäume am abgeknickten Teil angeschlagen und zu Boden gezogen werden. Gleiches gilt für gebrochene Äste, die über Wegen hängen. Auch kann gefahrlos ein weiteres Zugseil am Baum befestigt werden, wenn sich herausstellt, dass eine einzelne Winde zu schwach ist.

Die DST hat allerdings auch ihre Grenzen. So braucht es für diese Technik Mindestens einen geeigneten Ast in ausreichender Höhe. Auch zu viele Äste am Baum können die Arbeit erschweren oder unmöglich machen.
Zum Beispiel sind stark beastete Fichten oder Tannen am Waldrand typische "DST-Problembäume". Derartige Situationen lassen sich mit dem "DST-Lifter" zumindest entschärfen. Dieses Gerät wird auf die in der Waldarbeit weit verbreiteten "Silky"-Teleskopastungsgestänge aufgesteckt und der Wurfbeutel damit über störende Äste hinweg gehoben. Dadurch sind, je nach Länge des Gestänges, Höhen von 6 – 8 m erreichbar.
Erfordert die Fällung einen höheren Seilanschlag, stösst auch der DST-Lifter bei astreichen Baumen an seine Grenzen.

Trotz all dem steht Forstleuten mit der DST ein sicheres, häufig anwendbares und kostengünstiges Arbeitsverfahren zur Verfügung. Ausserdem: Die Arbeit mit der DST macht Spass! Ein wichtiger Punkt – soll doch ein Rückfall ins "Leiterzeitalter" vermieden werden.

Die Ausstattung der DST

Grundausrüstung: (Kosten ca. € 250.–)

  • 1 Wurfbeutel (350 g)
  • 1 Wurfschnur aus Nylon (50 m lang, 2,6 mm stark)
  • 1 sicherbarer Kleinkarabiner
  • 1 Schliessring
  • 1 Nachziehleine ("Klemmknotenseil", 8 mm stark, 40 lfdm) mit Transporttasche
  • 1 "Notfallset", wird erforderlich, wenn sich der Wurfbeutel zum Beispiel in einem Steilastverklemmt. Das Set besteht aus 50 lfdm der Wurfschnur sowie einem zweiten Wurfbeutelmit Kleinkarabiner. Alles zusammen ist einsatzfertig auf einer kleinen Seilspule aufgewickelt.
  • 1 Faltbox für die Wurfschnur
  • 1 einfache Materialkiste aus Kunststoff

Geräterweiterung 1:

  • 1 Wurfbeutelschleuder (Kosten je nach Modell € 130.– bis € 245.–)

Geräterweiterung 2:

  • 1 Verlängerungsseil 30 lfdm (Dyneema oder Stahl)

(Kosten € 250.– (Stahlseil) bis € 900.– (Dyneemaseil)