Nicht nur fällen und aufarbeiten, sondern auch gleichzeitig entrinden – die aus der Eukalyptusernte stammende Technologie findet inzwischen auch den Weg in deutsche Wälder. Bisher waren Harvesteraggregate so konzipiert, die Rinde so wenig wie möglich zu verletzen und auf keinen Fall in den Stamm einzugreifen. Mit der Modifikation der Aggregate durch den Einsatz spezieller Entrindungswalzen – Debarking Heads - soll erreicht werden, die Rinde direkt im Bestand zu entfernen und dort liegen zu lassen. Dies minimiert den Nährstoffentzug aus dem Bestand. Auch als Borkenkäferprävention ist diese Methode von Vorteil. Vom entrindeten Holz geht keine Borkenkäfergefahr mehr aus. Funktioniert das Verfahren auch für mitteleuropäische Wälder? Dieser Frage gingen deutsche Forscher auf den Grund.

Auch eine vermeintlich traditionsbewusste Branche, wie die Forstwirtschaft, sieht sich immer häufiger mit sich verändernden Gegebenheiten konfrontiert. Viele Bedürfnisse und Wünsche werden an sie herangetragen.

Ausgangslage

  • Durch die Stammholznutzung mit Rinde werden dem Wald Nährstoffe entzogen, was die nachhaltig erntebaren Holzmengen limitiert.
  • Die später im Verarbeitungsprozess anfallende Rinde als Rindenmulch oder Brennstoff zu vermarkten, schöpft die Wertschöpfungskette nur relativ gering aus.
  • In der derzeitigen Forstschutzsituation steht die, möglichst chemiefreie, Borkenkäferbekämpfung an oberster Stelle. Entrinden mit Entrindungszug oder von Hand, um die Situation in den Griff zu bekommen, ist zu teuer und findet kaum noch Anwendung.
  • Holz wird vermehrt wieder energetisch genutzt. Beim Verbrennen von Holz mit Rinde entsteht dabei überproportional viel Asche und Feinstaub.

Welche Vorteile bietet das Entrinden im Wald?

Auf geringer nährstoffversorgten Standorten kann die Stammholznutzung mit Rinde langfristig die Bodenfruchtbarkeit beeinträchtigen. Dies limitiert die nachhaltig erntebaren Holzmengen. Eine Lösung wäre es, die Stämme gleich nach dem Fällen neben der Rückegasse zu entrinden. Auf diese Weise würde man die Nährstoffe in natürlicher Form im Wald belassen. Hier kann die Rinde zur Bildung von neuen Humusschichten beitragen und somit zur natürlichen Regeneration des Waldbodens. Sie leistet so einen Beitrag zum standortangepassten Nährstoffmanagement. Daneben birgt diese Vorgehensweise weitere mögliche Vorteile:

  • Das Transportvolumen liesse sich verringern und damit auch der Kraftstoffverbrauch, was ebenfalls der Umwelt zu Gute kommt und geringere Kosten verursacht.
  • Forstschutzaspekte: Bei der Borkenkäferbekämpfung bei Stehendbefall wird durch den Einsatz entrindender Technik den Käfern der Brutraum chemiefrei entzogen. Bei bereits befallenen Bäumen werden die Borkenkäfer in den Larven- und Puppenstadien zuverlässig vernichtet. Vom entrindeten Holz geht dann keine weitere Borkenkäfergefahr aus, sodass die Holzlogistik hier deutlich entlastet wird. Der Einsatz von Debarking Heads ist ein wirkungsvolles Instrument, um den Käfer in Latenz zu halten.
  • Der Entrindungsprozess im Werk könnte entfallen, was Zeit und ebenfalls Kosten einspart. Aus Energieholzsortimenten könnten rindenfreie Premium-Holzbrennstoffe erzeugt werden, die bei der Verbrennung einen deutlich verringerten Ascheanteil aufweisen und somit weniger Feinstaub freisetzen.

Mögliche Lösung

Die Entrindungstechnik stammt ursprünglich aus dem Plantagenanbau von Eukalyptus, wo sie schon seit über 25 Jahren eingesetzt wird. Der Eukalyptus hat die Eigenschaft, dass die Rinde schon kurze Zeit nach der Fällung geradezu festklebt. Deshalb wird der Eukalyptus gleich bei der Holzernte entrindet. Das entrindete Holz dient zum größten Teil der Zellstoffgewinnung. Holzschäden spielen eine untergeordnete Rolle, wichtiger ist, dass das Holz zu mindestens 97 % rindenfrei ist.

Funktioniert eine solche Entrindungstechnik auch in Mitteleuropa? Anders als in der südamerikanischen Plantagenwirtschaft wird das Holz in Deutschland nicht im Kahlschlagsprinzip entnommen, der verbleibende Bestand kann also Schaden nehmen. Auch ist hier die Durchmesserspreite der zu erntenden Bäume weitaus größer, oftmals werden zwei und mehr Baumarten je Bestand geerntet. Alles in allem herrschen hier ganz andere Voraussetzungen.

Forschungsvorhaben

Um diese Fragen zu klären, wurde 2014 in Deutschland das Projekt "Debarking Heads“ (Entrindende Harvesterköpfe) gestartet. Das Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e.V. (KWF) und die Hochschule Weihenstephan- Triesdorf (HSWT), Fakultät Wald und Forsttechnik, untersuchten gemeinsam, ob durch den Einsatz entrindender Harvesterköpfe heimische Baumarten in gängigen Arbeitsverfahren wirtschaftlich zu entrinden sind.

In einem Folgeprojekt, welches 2020 endet, werden u.a. die Logistikkette nach dem Einsatz von entrindenden Harvesterköpfen sowie der Einfluss weiterer Faktoren (wie z.B. Lagerschäden am entrindeten Holz) auf die Wirtschaftlichkeit der Entrindung betrachtet. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert.

Die Versuche wurden in verschiedenen Bundesländern mit Aggregaten verschiedener Hersteller bei verschiedenen Baumarten und zu unterschiedlichen Jahreszeiten durchgeführt. Dabei analysierten die Forscher neben technischen auch ökologische und betriebswirtschaftliche Aspekte.

Grösstmögliche Praxisnähe

Über die Beteiligung von Partnern aus der Wirtschaft, darunter Sägewerke, Industrieholzabnehmer und Scheitholzproduzenten, soll der Ansatz mit einer grösstmöglichen Praxisnähe entwickelt werden.

Vom Bestand über den Einsatz von Harvester und Forwarder bis zum Transport ins Sägewerk untersuchten die Partner die gesamte Verfahrenskette – sozusagen vom Baum bis zum Brett. Neben einem optimalen Arbeitsverfahren und damit verbunden der Leistung und den zu erwartenden Kosten richtet sich die Aufmerksamkeit u.a. auf die Bestandespfleglichkeit, die Beanspruchung der Fahrer oder auch Beanspruchung des Aggregates an sich. Besonders interessiert die Partner auch die Beurteilung des entrindeten Holzes aus Sicht der holzbearbeitenden Industrie.

Versuche in Deutschland

Wie funktioniert nun die Entrindung im Bestand? Mit einer Umrüstung der Vorschubwalzen (Walzen mit diagonalen Stegen statt Stachelwalzen) und ggf. Modifikation der Entastungsmesser lassen sich mit konventionellen Harvesteraggregaten gute Ergebnisse erzielen. Der Baum wird, ohne ihn in die Sortimente einzuschneiden, mit drehenden Bewegungen durch das Aggregat gezogen. Die Vermessung und das Einschneiden erfolgen im letzten Durchgang. Die Qualität der Entrindung hängt vom Zusammenwirken von Anpressdruck, Vorschub und Drehbewegung ab. Deshalb ist eine sorgfältige Einstellung des Aggregats auf den jeweiligen Bestand (Baumart, BHD, Jahreszeit) unbedingt notwendig.

Die Versuche in Deutschland wurden mit umgebauten Harvesterköpfen verschiedener Hersteller (Ponsse, John Deere, Logmax/Komatsu) durchgeführt. Ein dreimaliges Durchlaufen des Baumes durch das Harvesteraggregat hat sich als optimal erwiesen:

  1. Im ersten Durchlauf (in Richtung Krone) wird der Baum, ohne ihn in Sortimente einzuschneiden, durch das Aggregat gezogen und dabei entastet.
  2. Im zweiten Durchlauf (in Richtung Stammfuss) wird i.d.R. die meiste Rinde entfernt. Hierzu kann ein Umgreifen des Aggregates erforderlich sein oder das Aggregat führt den 2. Durchlauf ohne Umgreifen durch.
  3. Im dritten Arbeitsgang (in Richtung Krone) wird (ggfls. nach Umgreifen) der Stamm dann vermessen und sortimentiert.

Erste Untersuchungsergebnisse

Die Untersuchungen zeigten, dass die Entrindung im Sommer (im Saftfluss) besser als im Winter funktioniert. Es werden im Frischholz Entrindungsprozente von bis zu 100% - im Schnitt um 90 % (im Nadelholz) erreicht.

Im Käferholz zeigten die Untersuchungen einen Entrindungsgrad von ca. 80%. Ob eine vollständige Entrindung erforderlich ist oder ob eine Teilentrindung ausreicht, hängt von den gesteckten Zielen und Anforderungen des Waldbesitzers und der holzverarbeitenden Industrie ab.

Die beschriebene Holzaufarbeitung beansprucht ca. 30% mehr Zeit als die konventionelle. Die Kosten für die Entrindung betragen ca. 3 - 5,- Euro/Festmeter.

Die Entrindungsqualität bei den Frischholzversuchen ist als gut bis sehr gut einzustufen.

Während die Stegwalzen weniger stark in den Stamm einschneiden als die herkömmlichen Stachelwalzen, sind die Schäden, die beim Entrinden durch die fester eingestellten Entastungsmesser entstehen, etwas deutlicher als wenn nicht entrindet wird.

Bei den Baumarten Kiefer, Buche und Eiche kommt es in der Vegetationszeit vernachlässigbar selten, bei den Baumarten Fichte, Douglasie und Lärche öfter vor, dass beim Abschieben langer Rindenstreifen gelegentlich Rindenstücke zwischen Stamm und Messrad geraten und so verhindert wird, dass das Messrad sich dreht. Das Aggregat "verliert" hierbei das Mass, die Steuerung "weiss" zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, an welchem Teil des Stammes das Aggregat steht und welche Stärke seit dem letzten Nullschnitt zurückgelegt wurde. Der Fahrer muss in diesem Fall den Stamm aus dem Aggregat lassen, erneut greifen und einen neuen Nullschnitt setzen, damit die Messung von vorne beginnen kann. Das Problem ist einfach zu beheben, aber es kostet etwas mehr Zeit und erhöht den Kraftstoffverbrauch und den X-Holz-Anteil geringfügig.

Die Gesamtleistung in Festmeter je Maschinenstunde reduziert sich durch die zusätzliche Entrindung um rund 10%. Natürlich wirken sich hier auch weitere Faktoren aus, die ebenfalls die Arbeitsproduktivität bei einer regulären Aufarbeitung mit einem Harvester beeinflussen, wie z.B. Vertrautheit des Fahrers mit der Maschine und dem Verfahren, Geländeverhältnisse, Tages- und Jahreszeit, Witterung, h/d-Verhältnis der Bäume.

Das entrindete Holz sollte während der Vegetationszeit vier bis fünf Tage im Bestand abtrocknen, damit es nicht beim Rücken aus dem Rungenaufbau des Rückezuges rutscht oder die Polter auseinanderrollen.

Mit dem entrindenden Harvesterkopf kann auch ohne Entrindung aufgearbeitet werden, sodass nicht fortwährend die Vorschubwalzen gewechselt werden müssen. Dies spart Montagezeit. Über eventuelle Langzeitfolgen für das Aggregat kann noch keine Aussage getroffen werden.

Weder am verbleibenden Bestand, noch am Waldboden waren bei den bisherigen Versuchseinsätzen Schäden abweichend von einer regulären Massnahme mit einem Harvester festzustellen. Dennoch ist anzunehmen, dass es durch das Arbeitsverfahren zu Schäden an der Verjüngung in bereits stark verjüngten Beständen kommen kann. Verjüngte Bestände waren bisher allerdings nicht Bestandteil der Versuchsflächen.

Der Kraftstoffverbrauch je Fm erhöht sich, auch wenn es den einzelnen Unternehmer nicht entlastet, für den "ökologischen Fussabdruck" des Verfahrens ist es wichtig: Der Mehrverbrauch von Kraftstoff, der für die Entrindung aufgewendet wird, relativiert sich voraussichtlich durch Kraftstoffeinsparungen in der Rückung und in den folgenden Arbeitsschritten der Logistikkette durch reduzierte Volumina und Massen. Betrachtet man die gesamte Logistikkette, könnte eventuell eine absolute Kraftstoffersparnis pro Festmeter entstehen.

Ein Problem bei der Nutzung von entrindetem Holz kann es bei längerer Lagerung im Wald geben, weil es dann zu Verfärbungen kommen kann, die Einfluss auf die Vermarkt- und Verarbeitbarkeit haben.

Insgesamt kann man jetzt schon sagen, dass zahlreiche Vorteile gegenüber dem bisherigen Verfahren sichtbar wurden.

In Deutschland sind derzeit mehr als 30 umgebaute Harvesterköpfe verschiedener Hersteller im Einsatz, die bei der Aufarbeitung gleichzeitig entrinden können. Auch wenn die Technik noch weiterentwicklungsfähig ist, ist die Möglichkeit, das Holz gleich im Bestand zu entrinden, für den Waldbesitzer durchaus attraktiv und birgt aus waldschutzfachlicher Sicht ein grosses Potenzial!

Wie weiter?

Es werden weitere Versuche mit Harvesterköpfen von verschiedenen Herstellern zu unterschiedlichen Jahreszeiten und mit wechselnden Baumarten durchgeführt, Daten erhoben und analysiert, das Verfahren wird weiterhin noch optimiert und ggf. soll die eine oder andere technische Änderung umgesetzt und getestet werden.

Zum Entrindungsgrad werden weitere Erhebungen gemacht, aus welchen Rückschlüsse bezüglich der verbleibenden Rindenmenge für den Bestand gezogen werden können.

Wirtschaftliche Faktoren werden er- und berechnet, die Rindenverteilung im Bestand wird erfasst und am Schluss wird eine Empfehlung ausgesprochen, wann, bei welchen Baumarten und -durchmessern oder zu welchem Zweck ein entrindender Harvesterkopf sinnvoll und wirtschaftlich einzusetzen ist.