Der Forstliche Versuchsgarten Grafrath ist über Deutschland hinaus Baumkundlern und Forstleuten als dendrologisches Schatzkästlein bekannt. Jetzt wird er auch verstärkt für die forstliche Bildungsarbeit genutzt. Kernstück und Motor ist hierbei die Zusammenarbeit mit örtlichen Organisationen und der Bevölkerung des Umlandes. Eine Strategie, die überraschend große Gewinne für alle Beteiligten ermöglicht.

Im Frühjahr 2006 flogen im Forstlichen Versuchsgarten Grafrath drei Wochen lang die Späne. Von überall her hörte man es sägen, hämmern und klopfen. 19 Holzbildhauer der Berufsfachschule für Holzbildhauerei München gestalteten Skulpturen und andere Kunstwerke zum Thema "Natur und Mensch". Besucher waren herzlich eingeladen, ihnen dabei über die Schulter zu schauen und sie zu befragen. Eine Führung und ein Vortrag im Gemeindesaal zum Thema rundeten die Veranstaltung ab.

Die Werke sind nach wie vor im Versuchsgarten zu besichtigen. Da entdecken Sie den mannshohen geschnitzten "Waldkönig". Sie sehen Bücher, die aus einem Eschenstamm herauswachsen oder ein Auslegerkanu durch einen Scheinzypressenbestand schweben. Ein hölzerner Schiffsfriedhof und eine fast 6 m hohe Tori (das ist ein Tor, wie man es in Japan auf dem Weg zu Tempeln oder Schreinen findet) sind ebenfalls zu bewundern wie auch eine Tankstelle aus Holz, ein aus Birkenstämmchen gestalteter Strichcode und viele andere kreative Schöpfungen der jungen Holzbildhauer.

Zusammenarbeit macht stark

Die Holzbildhaueraktion war Auftaktveranstaltung für eine ganze Reihe von Aktivitäten. Sie ist ein erstes Zeichen für eine neue zusätzliche Orientierung, die im Forstlichen Versuchsgarten Grafrath neben Forschung und Wissensvermittlung über fremdländische Baumarten verfolgt wird: forstliche Bildungsarbeit bzw. Umweltbildung. Dafür hat sich die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) jedoch Partner gesucht und arbeitet mit örtlichen Organisationen zusammen. Ein neu gegründeter Arbeitskreis, bestehend aus Vertretern der Lokalen Agenda-21-Gruppen Grafrath, Kottgeisering, Schöngeising, der Ortsgruppe des Bundes Naturschutz sowie der LWF, stehen als Motor hinter dieser Bewegung. Weitere Partner sind die Gemeinde Grafrath und der örtliche Verein der Gartenfreunde. Aus der Zusammenarbeit ergeben sich viele Vorteile: Der Gemeindesaal steht für Vorträge zur Verfügung, örtliche Pressekontakte werden genutzt, Fachwissen und Fertigkeiten der Beteiligten stehen für die gute neue Sache bereit. So schrieb ein Medizinjournalist die Pressemitteilung oder eine Mediendesignerin gestaltete das Faltblatt mit dem gemeinsam entwickelten Jahresprogramm. Das Faltblatt finanzierten die drei beteiligten Organisationen (Agenda 21, Ortsgruppe Bund Naturschutz, LWF) zu je einem Drittel, es ging als Beilage der Mitteilungen der dortigen Verwaltungsgemeinschaft an etwa 3.500 Haushalte.

Die "neue" Präsenz des Forstlichen Versuchsgartens Grafrath in der Bevölkerung

Der Forstliche Versuchsgarten Grafrath klinkt sich auf diese Weise in die örtlichen Netzwerke ein und wird immer mehr zum festen Bestandteil des kommunalen Lebens. Dazu gehört auch, sich an übergreifenden Veranstaltungen zu beteiligen. So lagen dieses Jahr zwei Stationen der beliebten "Grafrather Radlrallye" innerhalb des Versuchsgartens und natürlich ist der Versuchsgarten mit Naturerlebnisspielen beim Grafrather Ferienprogramm dabei, all das mit aktiver Beteiligung oder sogar Federführung Grafrather Bürger. Der Gewinn an positivem Ansehen ist dabei ein angenehmer Nebeneffekt. So meinte einer der Beteiligten verblüfft: "Ich hätte nie gedacht, dass die Forstverwaltung so auf einen zugehen könnte."

Alte Schätze für neue Möglichkeiten

Seit die LWF den Forstlichen Versuchsgarten Grafrath betreut, bemüht sie sich, dieses dendrologische Juwel der Fachwelt zugänglich zu machen. Jährlich werden viele hundert Waldbesitzer, Forstfachleute, aber auch Gärtner, Biologie- und Forststudenten durch die Wälder aus aller Welt mit ihren 200 fremdländischen Baumarten geführt. Auch Naturschutzvereine und Schulklassen aus der gesamten Region nutzen zunehmend das Angebot. Neuanpflanzungen von 100 weiteren Baum- und Straucharten machen den Versuchgarten und seine Angebote noch attraktiver. Der Forstliche Versuchsgarten Grafrath ist also ein wichtiges Anschauungsobjekt zum Thema fremdländische Baumarten und eine nicht zu vernachlässigende Komponente des Wissenstransfers der LWF. Natürlich wird auch geforscht: Zur Zeit läuft eine Studie zur Kronenfauna an heimischen und fremdländischen Baumarten, bei der 60 Flugfensterfallen eingesetzt werden.

Mit der forstlichen Bildungsarbeit werden das Spektrum der Zielgruppen erweitert und die Möglichkeiten des Versuchsgartens noch besser genutzt. Denn schließlich liegt er sehr verkehrsgünstig: Die Münchener S-Bahn hält an der Nordseite des Versuchsgartens. Der Ammersee, ein überregionales, außerordentlich beliebtes Erholungsgebiet, liegt nur 7 km entfernt. Die 35 km Entfernung zum Ballungsraum München sind über Autobahn und Bundesstraße oder mit der S-Bahn schnell zu überwinden.

Waldpädagogische Nische angesteuert

Folgende Eckpunkte charakterisieren die Nische in der Bildungsarbeit, die im Versuchsgarten bezogen wird:

  • Zusammenarbeit mit den Organisationen und der Bevölkerung vor Ort, wobei von Fall zu Fall auch etwas weiter entfernte Partner mit ins Boot geholt werden, wie z.B. beim Projekt mit den Münchener Holzbildhauern. Die Zusammenarbeit dient dazu, finanzielle, personelle und infrastrukturelle Schwächen zumindest teilweise auszugleichen.
  • Die fremdländischen Baumarten sind das herausragende Merkmal des Forstlichen Versuchsgartens. Das soll als Ansatzpunkt dienen, um interkulturelle und globale Aspekte der Umweltbildung und des Leitthemas "Natur und Mensch" aufzugreifen. Das kann auch mit kleinen Aktionen wie der "Märchenwanderung" geschehen, bei der Märchen aus fremden Ländern an Bäumen und Beständen aus der jeweiligen Region erzählt werden.

Bürgernah sein heißt nicht nur freundlich Auskunft geben, sondern für Zusammenarbeit offen sein. Der Gewinn kann für beide Seiten, für Verwaltung und für Bürger, überraschend groß sein.