Der philosophische Blick

Giambattista Vico schrieb 1725: "Die Ordnung der menschlichen Dinge schritt so vorwärts: zunächst gab es die Wälder, dann die Hütten, darauf die Dörfer, später die Städte und schließlich die Akademien." Normalerweise müssen die Wälder dem Menschen und seiner Kultur weichen. Sie harren in dunkler Stille nur noch dort, wo das helle Licht menschlicher Erkenntnis und Schaffenskraft nicht hinreicht. Waldbau, das Kultivieren der Wälder durch den Menschen, erscheint da wie gegenläufig zum normalen Gang der Dinge. Die Frage ist, ob es sich dabei um ein harmonisches Zusammenwirken von Mensch und Wald handelt, um eine Art Aussöhnung der eigentlich verfeindeten Parteien oder um eine einseitige Unterwerfung der Wälder unter die Menschen.

Waldbau ist die Art nach der die Menschen in den Wälder sind

Hinsichtlich des Bestandteils 'Bau' im Wort 'Waldbau' ist ein Zitat von Heidegger (in Neske 1959) interessant, in dem er sich zum engen Zusammenhang zwischen Bauen, Wohnen und Menschsein Gedanken macht. Er geht vom althochdeutschen Wort 'buan' aus, das für Bauen und Wohnen zugleich steht. Auch das Wort 'bin' ist davon abgeleitet. Er schreibt: "Die Art, wie du bist und ich bin, die Weise, nach der wir Menschen auf der Erde sind, ist das Buan, das Wohnen. Mensch sein heißt: wohnen." Und weiter: "Bauen im Sinne von Hegen und Pflegen ist kein Herstellen. Beide Weisen des Bauens - bauen als pflegen, lateinisch colere, und bauen als Errichten von Bauten, aedificare, sind in das eigentliche Bauen, das Wohnen einbehalten". Wir richten uns die Welt wohnlich ein, gestalten sie nach unseren Bedürfnissen. Wald ist in diesem Sinne wohnlicher, d. h. bedürfnisgerechter, als Urwald. Wald zeigt, wer wir sind, Urwald dagegen, wer wir nicht sind (Sofern er zeigt, wer wir sind, ist uns das unangenehm. Denn wir wollen Kontrolle, auch über die wilden Kräfte in uns).

Das Bauen im Waldbau ist kein Herstellen, sondern im Sinne Heideggers ein Hegen und Pflegen. Hegen und Pflegen kann man aber nur etwas, das von sich aus gedeiht. Neben dem Handeln ist also ein Lassen dabei, d. h. ein Loslassen der Natur dort, wo sie in unserem Sinne handelt. Die Weite des Lassens bestimmt den Grad der Unterwerfung. Natur lassen wir umso mehr wieder Natur sein, je mehr wir sie ihre folgen lassen, auch wenn diese unseren Interessen entgegen laufen.

Die gestörte Erhabenheit der Wälder

Waldbau macht den Wald verfügbar. Der daraus entstehende Wald ist Spiegel menschlichen Wirkens. Wir erweitern unseren Machtbereich auf Kosten der Autonomie des Waldes. Er ist keine selbständige Gegenwelt mehr, sondern ein weiterer Teil unserer Wirkwelt. So gestaltete Natur kann selbstverständlich auch schön sein. Aber durch die Gestaltung geht ein anderer möglicher ästhetischer Aspekt verloren, der sich als Erhabenheit beschreiben lässt.

Kant konstatiert 1790 in seiner Kritik der Urteilskraft: "Die Natur, im ästhetischen Urteile als Macht, die über uns keine Gewalt hat, betrachtet, ist dynamisch erhaben". Was meint er damit? Wilde Natur birgt Gefahr, denn wir haben sie nicht unter Kontrolle. Sie ist eine Macht, die sich unserer Macht entzieht. Sind wir von ihr aktuell nicht bedroht, müssen wir uns nicht fürchten, aber der Respekt bleibt. Die Natur erscheint uns erhaben. Ein bloßes Werkzeug könnte nie erhaben sein. Erhabenheit geht durch Gestaltung verloren, nur das Lassen schafft Platz für Erhabenheit. Auch ein integrativer, multifunktioneller Waldbauansatz, der Natur und menschliche Ansprüche gleichermaßen bedienen will, kann das nicht vermeiden: Wildnis lässt sich nicht gestalten, sondern geht durch Gestaltung verloren.

Emotionale Bedeutung des Waldbaus

Die emotionale Bedeutung von Begriffen, die Gefühle, die sie in uns auslösen, spiegeln unsere Weltsicht wider. Wie stellt sich nun Waldbau in der Weltsicht von Forstfachleuten dar? Eine kleine Umfrage an der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) bezüglich der Begriffe 'Waldbau', 'Ackerbau', 'Industrie', 'Forstwirtschaft', 'Forst', 'Wald' und 'Urwald' sollte dies klären helfen. Mittels Ankreuzen einer entsprechenden Stufe auf einer Skala zwischen zwei entgegengesetzten Eigenschaftspolen wird die gefühlte Nähe zu den Polen ausgedrückt. Die Skalen waren: Wertung (Pole: negativ - positiv), Natürlichkeit (Pole: künstlich - natürlich) und Aktivität (Pole: passiv - aktiv). Daraufhin wurde die Ähnlichkeit zwischen den emotionalen Bedeutungen errechnet. Mit zehn Personen war der Stichprobenumfang allerdings recht gering, daher sollte jeder Leser für sich selbst überprüfen, ob er diese Einschätzung teilt. 'Waldbau', 'Forstwirtschaft' und 'Forst' liegen von der emotionalen Bedeutung her nah beieinander. Sie sind außerdem Begriffen wie 'Ackerbau' und 'Industrie' ähnlicher als den Begriffen 'Wald' und 'Urwald' (Abb. 2). Das heißt 'Waldbau' hat mehr mit 'Bau' als mit 'Wald' zu tun, mehr mit aktivem, künstlichem Wirtschaften als mit der passiven, sehr positiv bewerteten Natürlichkeit von 'Wald' und 'Urwald'. Nun ist klar, dass Waldbau als Form menschlichen Handelns und Gestaltens aus logischen Gründen nicht passiv sein kann. Eine höhere Einstufung in Richtung Natürlichkeit und Wertung wäre aber ohne Selbstwiderspruch denkbar (Essen und Trinken sind z. B. sehr positive, natürliche Handlungen). Waldbau ist also sogar im Empfinden von Forstfachleuten kein so naturgemäßes Handeln wie es sein könnte.

Waldbau als Ergebnis menschlicher Organisation

Klassischer Waldbau war vor allem ein Steuern der Konkurrenz zwischen den Bäumen. Ein neueres Selbstverständnis fasst weiter und sieht Waldbau als Ökosystemmanagement. Der Waldbauer steuert damit das Ökosystem Wald. Aber gerade wegen seines Steuerns wird er zur vielleicht wichtigsten Komponente des Systems. Wodurch wird nun der Waldbauer gesteuert? Wofür ist er sensibel und wofür nicht? Oftmals ist er eingebunden in eine Organisation und sein Fortkommen hängt von organisationskonformem Verhalten ab. Welches Handeln belohnt die Organisation? Worauf reagiert diese sensibel? Das hängt stark von der Konstruktion der Organisation ab, ihrer Ausrichtung. Hat sie starke Verknüpfungen zur Politik, wie eine staatliche Verwaltung, ist sie sensibel gegenüber politischen Entscheidungen. Die Politiker wiederum reagieren auf die aktuelle öffentliche Diskussion. Ist die Organisation stärker von der Politik abgekoppelt und z. B. wirtschaftlich ausgerichtet, werden entsprechend andere Handlungen wahrscheinlicher.

Waldbaudiskussionen widmen sich oft reinen Fachfragen und vernachlässigen, dass waldbauliches Handeln Ergebnis übergeordneter Strukturen ist. Der konzentrierte Blick auf das Ökosystem Wald klammert die Systemzusammenhänge, in denen der Waldbauer steht, aus. Forstwissenschaftler sind daher oft verwundert, warum ihre neuesten waldbaulichen Erkenntnisse keinen Eingang in die Praxis finden. Sie übersehen, dass theoretisches Wissen erst in Handlungswissen umgewandelt werden muss und die Rahmenbedingungen für die Anwendung dieses Wissens förderlich sein müssen. Waldbau ist Ergebnis menschlicher Organisationsstrukturen. Diese entscheiden über waldbauliche Ziele und welche Ressourcen zu ihrer Erreichung zur Verfügung stehen. Organisationsstrukturen sind daher letztlich wirksamer als Fachkenntnisse. Mit der Schaffung entsprechender Strukturen entscheiden wir darüber, ob in unseren Wäldern vor allem der Mensch oder die Natur sichtbar wird.