Interview von Mike Sommer mit Clémence Dirac vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) zu den Ergebnissen der nationalen Umfrage "Waldmonitoring soziokulturell" WaMos 3, die es dem Bund ermöglicht, die Beziehung zwischen der Schweizer Bevölkerung und dem Wald zu analysieren. Die Erkenntnisse der Auswertung dienen u.a. dazu, Empfehlungen für künftige Integrale Wald- und Holzstrategie abzugeben.

Die WaMos-Umfrage ermöglicht es dem Bund, die Beziehung zwischen Bevölkerung und Schweizer Wald zu analysieren. Warum ist das wichtig?

Der Bund und die Kantone möchten wissen, was die Bevölkerung über Wälder, Waldbewirtschaftung und bestimmte Massnahmen der Waldpolitik denkt. WaMos 3 hat beispielsweise bestätigt, dass eine grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer nach wie vor hinter dem Rodungsverbot steht. Oder, dass Mischwälder weitaus beliebter sind als Wald, der fast nur aus Nadelbäumen besteht.

Bei der Weiterentwicklung der neuen Integralen Wald- und Holzstrategie 2050 will der Bund diese Erkenntnisse so weit wie möglich einfliessen lassen.

Die Resultate können aber auch für Forschende oder für die holzverarbeitende Industrie von Interesse sein. WaMos 3 lieferte neue Erkenntnisse über den Bekanntheitsgrad von Labels wie FSC und "Schweizer Holz" und über deren Bedeutung für die Konsumentinnen und Konsumenten.

Förderung der Biodiversität wird bei der Waldbewirtschaftung immer wichtiger. Werten Sie die Beliebtheit von Mischwäldern demnach als Zustimmung zur Schweizer Waldpolitik?

Durchaus. Hinweise dazu erhalten wir etwa beim Thema Totholz: Vermodernde Bäume und liegen gelassene Äste stören die Öffentlichkeit seltener als früher. Der herausgeputzte Musterwald von einst verliert an Bedeutung. Dafür wird der Mischwald, ein Wald mit vielen Sträuchern, Büschen und Jungbäumen, und eben mit Totholz, beliebter. Die Botschaft des BAFU über die Wichtigkeit multifunktionaler Wälder wird gehört und verstanden. Wälder mit abwechslungsreichen Strukturen und grosser Artenvielfalt können am ehesten alle wichtigen Waldfunktionen wahrnehmen – also vor Naturgefahren schützen, Holz produzieren, die Biodiversität sicherstellen und Erholungsraum bieten. Sie werden sich auch besser dem Klimawandel anpassen.

Ob Pilzsammler, Jägerinnen, Hundehalter, Joggerinnen oder Biker – der Wald scheint als Freizeitort immer beliebter zu werden.

Die Erhebungen im Rahmen der Umfrage 2020 zeigen, dass die Leute nicht unbedingt häufiger in den Wald gehen. Aber der Anteil der Menschen, die nie in den Wald gehen, war noch nie so gering. Der Wald ist ein beliebter Ort für neu ausgeübte Aktivitäten. Es gibt heute mehr und unterschiedliche Motivationen, um in den Wald zu gehen. Einige suchen Ruhe, andere treiben Sport, wieder andere feiern ein Fest. Die Ergebnisse der Umfrage legen diese Diversität an Aktivitäten und Motivationen dar.

Macht WaMos also auch Wissenslücken sichtbar?

Die Erhebung hat gezeigt, dass relativ viele glauben, der Wald gehöre der Allgemeinheit. Sie wissen nicht, dass er zu 30% privates Eigentum ist. Zudem glauben 40%, dass die Waldfläche gesamtschweizerisch abnimmt, dabei ist das Gegenteil der Fall. Ein Grund dafür ist vielleicht, weil man viel vom weltweiten Rückgang der Wälder hört und liest und das auf die Schweiz überträgt. Eine Erklärung könnte auch sein, dass die Waldfläche im Mittelland ja tatsächlich minimal zurückgeht, was für viele Leute sichtbarer ist als die starke Zunahme des Waldes in den Bergregionen.

Umfrage WaMos 3

Die Umfrage wurde 2020 im Auftrag des BAFU durchgeführt. Zusammen mit der ersten Erhebung von 1978 war dies die vierte Studie, die die Beziehung der Schweizer Bevölkerung zum Wald untersucht hat. Diese Umfragen werden regelmässig vom BAFU in der Schweizer Bevölkerung durchgeführt. So kann verfolgt werden, wie sich die Wahrnehmung des Waldes im Laufe der Zeit verändert. An der nationalen Umfrage, die erstmals online durchgeführt wurde, waren neben der federführenden Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) auch die Ostschweizer Fachhochschule (OST), die Haute école du paysage, d'ingénierie et d'architecture de Genève (HEPIA) und die Universität Lausanne beteiligt.

Befragt wurden 3116 Erwachsene und 156 Jugendliche aus allen Sprachregionen. Zehn Kantone entschieden sich dafür, auf eigene Kosten eine Erhebung mit erweiterten Bevölkerungsstichproben durchzuführen. Die Bevölkerungsumfrage wurde durch eine Literaturrecherche, einen Fragebogen an 150 Personen in jedem der vier Wälder (Fallstudie, Erholung) und eine Befragung von Fachleuten ergänzt.