Wälder funktionieren nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft: Die Bäume weiden mit ihrem Wurzelwerk den Boden ab. Sie entwinden ihm dabei Nährstoffe und Wasser. Während die Bäume aufwachsen, wird der Boden ständig an Nährstoffen verarmt, die Bäume selbst werden dagegen stetig reicher. Erst mit dem natürlichen Tod der Bäume wendet sich unter Urwaldverhältnissen das Blatt: Die leblosen Bestandteile fallen zu Boden und geben diesem damit zurück, was ihm die Bäume vorher genommen hatten.

Aufgrund dieser Selbstdüngung sind Wälder aus sich heraus über die Jahrtausende ohne zusätzlichen Dünger ausgekommen. Die aktive Umverteilung der Stoffe vom Unterboden auf den Oberboden steigert auf lange Sicht sogar die Fruchtbarkeit von Waldböden. Die Bäume schaffen sich selbst ihren eigenen günstigen Standort.

Ungenutzt heißt nicht nutzlos

Ernterückstände sind somit kein Abfall, sondern ein wesentliches Element der von Wäldern praktizierten Kreislaufwirtschaft. Will mal die Ernte auf bisherige Abfallprodukte ausdehnen, stellt sich immer die Frage nach den Vor- und Nachteilen. Mit dem zusätzlichen Ernteprodukt Kronenmaterial werden Erlöse erwirtschaftet und gleichzeitig Energie aus einem nachwachsenden Rohstoff gewonnen. Die Kehrseite der Medaille ist ein schleichender Verlust an Bodenfruchtbarkeit und Humusbildung mit Kosten für die Bodengüte.

Wo man die Grenze zwischen Produkt und Ernterückstand zieht (Abb. 2), hat auch immer ökonomische Konsequenzen. Die Nutzung füllt den Geldbeutel sofort und unmittelbar, der Nutzungsverzicht mit Zeitverzögerung und nur mittelbar über die Erhaltung oder Steigerung der Bodenfruchtbarkeit.

Knappes Gut Waldboden

Die Ressource Waldboden ist knapp. Nur wenige Dezimeter an der Erdoberfläche entscheiden über die Möglichkeiten der forstlichen Produktion. Zwar gibt es die Mineralverwitterung als nachschaffende Kraft des Bodens, doch auch diese Minerale sind irgendwann einmal aufgebraucht.

Ein Lösungsansatz: neue Quellen erschließen. Das hieße die knappe Ressource Waldboden durch eine Düngung aufzustocken bzw. damit die Nutzungsverluste zu kompensieren. Man könnte dafür die bei der späteren Verbrennung der Biomasse anfallende Asche verwenden. Hierbei würde man die Selbstdüngung mit organischen Ernterückständen durch eine Fremddüngung mit mineralischem Dünger ersetzen; wie bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung.

Allerdings unterscheiden sich Bäume und landwirtschaftliche Nutzpflanzen in ihrer Wachstumsdynamik und damit Nährstoffaufnahme stark. Ein entscheidender Vorteil einer natürlichen Versorgung aus dem Humus ist die langsame aber gleichmäßige und verlustfreie Freisetzung der Nährstoffe. Der andere Vorteil ist das optimal abgestimmte harmonische Verhältnis der Nährstoffe zueinander. Zu Humus gewordene Ernterückstände enthalten die Nährstoffe genau in den Anteilen, wie sie die Bäume benötigen. Ernterückstände sind daher ein kostengünstiger Mehrfach- oder Volldünger.

Weise Beschränkung der Nutzung

Die Humusbildung ist wichtig für die Bodenfruchtbarkeit. Dafür muss einerseits genügend Streumaterial zur Verfügung stehen, andererseits der daraus gebildete Humus in einer passenden Geschwindigkeit zersetzt und den Bäumen nutzbar gemacht werden. Wesentliches Element dieser Humuspflege ist nach Karl Gayer die "weise Beschränkung der Nutzung".

Weise ist eine Nutzungsbeschränkung dann, wenn der Verzicht durch anderweitige Vorteile aufgewogen wird. Diese Vorteile liegen beim Belassen der Ernterückstände im Wald auf der Hand. Sie sind weniger ein Verzicht, als vielmehr eine Rücklagenbildung zur Sicherung oder Steigerung der Bodenfruchtbarkeit.

Unser Wissen ist noch Stückwerk

Wichtig ist es, die Unbedenklichkeitsgrenze für die Kronenbiomassenutzung zu bestimmen. Das muss einer intensivierten Nutzung vorausgehen, damit diese innerhalb der Grenzen der Nährstoffnachhaltigkeit bleibt. Es ist allerdings ziemlich aufwendig, die für ein Nährstoffmanagement nötigen Daten über die einzelnen Bilanzglieder des Stoffhaushalts zuverlässig zu bestimmen. Die Nährstoffbilanzen können nicht für ganze Betriebe summarisch gelten, sondern müssen sich auf konkrete kleinflächig verbreitete Standorte beziehen. Man braucht Informationen über Ein- und Austräge, die Mineralverwitterung und die Nährstoffgehalte der Ernteprodukte. Hier ist unser Wissen noch unvollkommen und nicht großflächig verfügbar. Es ist auch schwierig, die einzelnen Bilanzglieder überall so präzise zu bestimmen, dass man sich bei der Nutzung ganz sicher sein kann, nicht die Grenzen der Nachhaltigkeit zu überschreiten.

In dieser Situation spricht vieles dafür, Vorsicht walten zu lassen – insbesondere auf Standorten mit geringer Nährstoffausstattung; hier ist das Risiko einer unbeabsichtigten Übernutzung besonders hoch. Es ist sicher vernünftiger, vorsichtig zu agieren und die Ernterückstände als Investition in die Bodenfruchtbarkeit zu betrachten. Mit diesem konservativen Ansatz befindet man sich auf der sicheren Seite der Nachhaltigkeit und erzielt einen positiven Effekt auf die Bodenfruchtbarkeit.