In der Neuzeit, also seit dem Jahr 1492, wanderten 257 Wirbeltierarten in Deutschland zu und wurden hier sesshaft (Geiter et. al. 2001). Erfaßt sind dabei nur diejenigen Einwanderer, die sich hier seit mindestens 25 Jahren erfolgreich fortpflanzen und somit ihren Bestand in der neuen Umgebung etabliert haben. Dabei werden Neozoen, die mit Hilfe des Menschen hier eingebürgert wurden, von den Agriozoen, die selbständig in den neuen Lebensraum einwanderten und hier Fuß fassen konnten, unterschieden. Unter den Wirbeltieren dominieren die Vögel mit 162 Spezies, dies entspricht 63 % aller neu zugewanderten Tierarten. Der hohe Anteil der Vögel ist mit der ausgeprägten Mobilität dieser Tierklasse zu erklären.

Erste Welle in der Jungsteinzeit

Ganz allgemein lassen sich drei Einwanderungswellen feststellen. Die erste und wahrscheinlich umwälzende Veränderung erfolgte bereits in der Jungsteinzeit, als der Mensch begann, Wälder zu roden, Kulturpflanzen anzubauen und Haustiere zu züchten. Damit wurde auf großer Fläche die ursprüngliche Waldlandschaft in eine "Kultursteppe" verwandelt. Zahlreiche Vogelarten der offenen Landschaft folgten, wie z. B. Feldsperling, Feldlerche, Rebhuhn und andere Arten, nicht zuletzt die "Kulturfolger", beispielsweise Haussperling, Rauchschwalbe und Hausrotschwanz. Einen Teil der neuen Arten brachte der Mensch als domestizierte Tiere auf seiner Wanderung aus dem Osten mit, genannt sei hier die Haustaube, die hier alsbald wieder verwilderte. Diese Archäozoen, die heute zur heimischen Tierwelt zählten, sind in der erwähnten Zusammenstellung nicht erfaßt. Wahscheinlich wanderte die Mehrzahl aller Vogelarten der offenen Feldflur und der Wiesen bereits vor vielen tausend Jahren hier ein und ist heute zu einem festen Bestandteil unserer Fauna geworden.

Zweite Welle in der Neuzeit

Eine zweite Welle der Einwanderung und Einbürgerung setzte mit der Neuzeit ein, also mit der Exploration der neuentdeckten Kontinente und Länder, allen voran Nord- und Südamerika, aber auch Ostasien, Afrika und Australien. Vor allem in den "Kolonialländern", wie z. B. England, wurde es bald Mode, Pflanzen und Tiere aus den Kolonien in das Mutterland und umgekehrt aus der europäischen Heimat in die neuen Länder zu verfrachten, um sie hier in Tiergärten oder auf Landgütern auszusetzen. Nachdem auf diese Weise einige Schädlinge importiert bzw. auch exportiert wurden, versuchte man mit entsprechenden Gesetzen und strikten Einfuhrbeschränkungen dieses unkontrollierte und gefährliche Treiben zu beenden, um den Bestand der endogenen Flora und Fauna, insbesondere den Pflanzenanbau und die Forstwirtschaft nicht zu gefährden. So wurde beispielsweise unser heimischer Star vor etwa 150 Jahren zum Nachteil der Obst- und Weinbauern in Nordamerika, Australien und Neuseeland eingebürgert bzw. eingeschleppt.

Dritte Welle im Moment

Die dritte Welle der Einwanderung und weltweiten Verschleppung verschiedener Vogelarten findet gegenwärtig infolge des regen internationalen Reiseverkehrs und des Austausches an Gütern und Waren statt. Die klimatische Veränderungen, aber auch der Wandel der Bewirtschaftung und Bebauung großer Flächen, die Zunahme an Naturparks, zoologischen Gärten, privater Tierhaltung und nicht zuletzt die verschärften Schutzbestimmungen in vielen Ländern begünstigen die Veränderung der Fauna durch Neozoen.

Ein typisches Beispiel hierfür ist die Zunahme der "weissen Reiher" in jüngster Zeit besonders in Südbayern, allen voran der Silberreiher (Casmerodius albus), gefolgt vom Seidenreiher (Egretta garzetta) und dem kleinen Kuhreiher (Bubulcus ibis). Dies kann nicht allein mit der Klimaerwärmung begründet werden, denn gleichzeitig treten an den Gewässern vermehrt auch Arten aus dem hohen Norden, wie z. B. Gänsesäger (Mergus merganser), Eisente (Clangula hyemalis) und seit 1977 auch Eistaucher (Gavia immer) auf (Langenberg 2004).

Dabei spielt auch eine allgemeine Zunahme dieser Arten in den Herkunftsgebieten eine wichtige Rolle, die nicht zuletzt auf die dortigen Schutzbemühungen zurückzuführen ist. Beispielsweise sind die meisten Individuen des Löfflers (Platalea leucorodia), die in jüngster Zeit vermehrt in Deutschland beobachtet werden, häufig beringte Jungtiere. Demzufolge handelt es sich vorwiegend um "Flüchtlinge" aus den geschützten, gehegten und zunehmenden Populationen der angrenzenden Länder. Ganz allgemein steigen die Populationen dieses storchengroßen Vogels an der Nordsee und in Südeuropa, vor allem infolge der dortigen Schutzbestimmungen und Fördermaßnahmen. Davon profitieren ebenfalls die weißen Reiherarten, aber auch der Schwarzstorch (Ciconia nigra) und der Weißstorch (C. ciconia), deren Bestände sich in ihren angestammten Brutgebieten nördlich der Alpen zur Zeit wieder erholen.

Neu zugewanderte Vogelarten, wie z. B. Girlitz (Serinus serinus), Türkentaube (Streptopelia decaocto) und Karmingimpel (Carpodacus erythrinus) wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts beobachtet und registriert (Jäkel 1891). Teilweise unterstützten schon damals Einbürgerungsmaßnahmen diesen Prozess. Die Expansion dieser Arten nach Westen ist mittlerweile zum Stillstand gekommen oder teilweise bereits wieder rückläufig.