Im Landeswaldrevier Casel, gelegen im südwestlichen Teil des Landkreises Spree-Neiße im Süden Brandenburgs, wurden neun Schalenwildkadaver ausgelegt und mit Wildkameras beobachtet. Die Untersuchungen dauerten vom 2. Mai 2012 bis 3. Mai 2013 und ergänzten damit die Arbeit des "NECROS-Projektes" in der Lieberoser Heide am Lehrstuhl Allgemeine Ökologie der BTU Cottbus-Senftenberg welches vom selbigen im Jahr 2008 initiiert wurde.

Ziel des andauernden Projektes ist es, das in Deutschland weitgehend verschollene und daher unbekannte Nahrungsnetz an Kadavern großer Wirbeltiere zu untersuchen (Krawczynski & Wagner 2008). Das Projekt erfolgt in Kooperation mit dem Landesbetrieb Forst Brandenburg unter Beachtung seuchenrechtlicher Bestimmungen. Darüber hinaus sollten die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Landeswaldrevier Casel hinsichtlich ihrer forensischen Verwertbarkeit diskutiert werden.

Methoden

Insgesamt 2.749 auswertbare Daten (Fotos, Videosequenzen) wurden erhoben. Die mit Wildursprungsschein und Wildmarke erfassten Kadaver stammten aus Wildunfällen (8) und dem Jagdbetrieb (1). Im Versuchsaufbau wurden drei Wildkameras im Abstand von drei bis fünf Metern in einem Winkel von 120° um das Versuchsobjekt in einer Höhe von 0,50 Metern positioniert. Zwei Kameras wurden auf die Aufzeichnung von Videosequenzen im Intervall von zwei und vier Minuten eingestellt. Die dritte Kamera nahm Fotos im Intervall von zwei Minuten auf.

Alle drei Tage erfolgte die Datenübertragung von den Wildkameras über die SD Karte auf den Laptop. Parallel dazu wurden mit einer Spiegelreflexkamera der Zersetzungszustand des Kadavers sowie relevante Details fotografiert. Ort und Datum wurden neben dem Kadaver schriftlich fixiert. In der angelegten Datentabelle wurden folgende Daten erfasst:

  • Untersuchungszeitraum,
  • Art des Kadavers,
  • Zersetzungsstadium,
  • Mittel der Lufttemperatur, Relative Luftfeuchte,
  • Wirbeltierart,
  • Aufsuchen mit forensischer Spurenlage (AmfSpL),
  • Aufsuchen ohne forensische Spurenlage (AofSpL),
  • Individuum/ Individuen,
  • Frequentierte Körperregionen,
  • Uhrzeit im Tagesverlauf.

Für alle neun Untersuchungszeiträume wurden folgende Informationen erhoben:

  • Kadaverart,
  • Geschätztes Gewicht in Kg,
  • Wildmarkennummer,
  • Auslageort (Forstadresse),
  • Geographische Länge/ Breite nach (Google Earth),
  • Geländetyp, Substrattyp, Klimastufe,
  • Nährkraftfeuchte und Bestockung mit Bestockungsgrad (B°).

Die Auslegeorte wurden unter Beachtung der Hauptwindrichtung aus Süd/ West so gewählt, dass über den Geruchssinn möglichst viele necrophage Wirbeltierarten, speziell Säugetiere angelockt werden sollten. Zweites Kriterium war die unterschiedliche Bestockung. Es wurden Kadaver in Nadelholz- wie auch in Laubholzbeständen mit unterschiedlichen Bestockungsgraden ausgebracht. Die Bestockung wurde hierbei als Variable mit unterschiedlichem Einfluss auf Vögel und Säugetiere betrachtet.

Die Zuordnung der Aufzeichnungen im Sommerhalbjahr folgte den in der Kriminalistik gebräuchlichen Zersetzungsphasen (frische-, aufgeblähte-, Verfalls-, späte Zerfalls- und Skelettphase).

Für das Winterhalbjahr wurde aufgrund des sich wiederholenden Zersetzungsablaufes voneinander abgrenzbare Kadaverzustandsstadien (frische Phase, Beginn der Manipulation, Aufbrech- und Öffnungsphase, Nutzung innerer Organe, Häutungs- und Verwertungsphase und Skelettphase) definiert.

Wirbeltiere frequentierten die ablaufenden Zersetzungsphasen/ Stadien sehr differenziert Der Begriff Manipulationen beinhaltet alle Aktivitäten in deren Folge Veränderungen am Kadaver selbst oder an seiner Lage entstanden sind. Das wären u.a. Nahrungsaufnahme, Wälzen, Suche von Insekten auf- und unter dem Kadaver.

Ergebnisse und Diskussion

In Summe wurden die Kadaver von acht Säugetier- und sieben Vogelarten mit unterschiedlicher Intensität manipuliert

Beim aufgezeichneten Rothirsch (Cervus elaphus) gab es lediglich Tastkontakte. Damit war jedoch die Möglichkeit der Übertragung biologischer Substanzen gegeben. Die Untersuchungen ergaben einen großen Unterschied im Aufsuchen des Kadavers durch Wirbeltiere zwischen dem Sommer- und Winterhalbjahr. Sie stimmten mit der Erkenntnis überein, dass Nutzung und Abbaugeschwindigkeit des Kadavers sich grundlegend zwischen dem Sommer- und Winterhalbjahr unterscheiden (Gu et al. 2010).

Das Winterhalbjahr lieferte im Vergleich die größere Datenmenge und ist bezüglich forensischer Fragestellungen aussagefähiger. Zu Beginn der Kadaververwertung durch Wirbeltiere werden die Augen als Nahrung ausschließlich von Kolkraben (Corvus corax) entnommen. Über den Anus und Hautverletzungen (Schussverletzung, Schnittverletzung Wildunfall) wird versucht, Zugang zum Körperinneren zu erlangen. Hier wurden Füchse (Vulpes vulpes), Kolkraben (Corvus corax), Mäusebussarde (Buteo buteo), Rotmilan (Milvus milvus) und Schwarzmilan (Milvus migrans) aufgezeichnet. Bei einem äußerlich intakten 30 Kilogramm schweren

Wildschweinkadaver wurde das Öffnen der Bauchhöhle von den hinteren Extremitäten bis zum Brustbein (Sternum) von einem Fuchs (Vulpes vulpes) aufgezeichnet. Das geschah durch wechselseitiges Zerbeißen und ruckweises Zerren der Bauchdecke entlang der Bauchnaht. Der Zerrvorgang geschah mit so großer Kraftanstrengung, dass die hinteren Extremitäten teilweise keinen Bodenkontakt hatten. Sofort nach dem Öffnen des Kadavers stieg die Anzahl der Manipulationen. Gleichzeitig erhöhte sich das Spektrum der fakultativ fressenden Wirbeltierarten. Die Haut (Integument) ist sehr zäh und wurde im Winterhalbjahr nur vom Wolf (Canis lupus) und Fuchs (Vulpes vulpes) durchtrennt. Im Sommerhalbjahr erfolgte die Öffnung des Kadavers durch Fliegenmaden und Bakterien. Vorliegende Untersuchungen bestätigen, dass der Einfluss von Wirbeltieren auf den Zersetzungsprozess von Kadavern abhängig von der Jahreszeit und dem Auslegeort ist. Im Spearman-Rho Test wurde nachgewiesen, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem B° und Manipulationen am Kadaver gab. Einige Wirbeltierarten hinterlassen spezielle Spuren. Den Spezies Wolf (Canis lupus), Fuchs (Vulpes vulpes), Marderhund (Nyctereutes procyonoides), Wildschwein (Sus scrofa), Kolkrabe (Corvus corax) und Mäusebussard (Buteo buteo) konnte eine individuelle forensische Spurenlage nachgewiesen werden. Beim Kolkraben (Corvuscorax) stellt sich diese wie folgt dar. Mit wenigen Schnabelhieben werden die Augen aus den Augenhöhlen (Orbita) herausgepickt. Der Zugang über den Anus erfolgt über ein herausgearbeitetes, größer werdendes Loch. Diese kreisrunde, im Durchmesser zehn bis zwölf Zentimeter messende Öffnung weist innen eine glatte Oberfläche auf. Bei dem aus dem Jagdbetrieb stammenden genussuntauglichen Wildschwein wurde das vorher nicht sichtbare im Durchmesser circa sieben bis acht Millimeter messende Einschussloch lokalisiert und auf circa 35 Millimeter erweitert.

Die Manipulationen der Körperregionen ergab folgende Reihenfolge (Abb. 6). Dargestellt sind die Aufzeichnungszahlen der Körperregionen sowie deren prozentualer Anteil an der Aufzeichnungssumme (2.749).

Fazit

Die Aufzeichnungen der Wildkameras am Kadaver erbrachten unter anderem den Nachweis geschützter Greifvogelarten wie z.B. Rotmilan (Milvus milvus) und Seeadler (Haliaeetus albicilla). Für die Bearbeitung von Stellungnahmen für infrastrukturelle Projekte z. B. auch für Wolf und Luchs besitzen derartige Untersuchungen zukünftig steigende Bedeutung.

Literatur

  • Krawczynski, R., Wagner, H.-G. (2008). Leben im Tod, Kadaver als Schlüsselelemente im Ökosystem, Naturschutz und Landschaftsplanung 40.
  • Gu, X., Wagner, H.-G. und Krawczynski, R. (2010). Zur Bedeutung toter Großtiere für die Biodiversität. Vortragsreihe Brandenburgische Akademie (Schloss Criewen).