Vögel im Bannwald "Weisweiler Rheinwald" am Oberrhein

Der vorliegende Beitrag stellt ornithologische Untersuchungen in einem rheinnah gelegenen ehemaligen Auwald mit relativ hohem Grundwasserstand und Eschen, Pappeln und Eichen als Hauptbaumarten vor. Die Verteilung und Häufigkeit der Vögel zur Brutzeit und in den Wintermonaten wurde erfasst. Kartierungen wichtiger Strukturelemente wie Efeu, Totholz und der verschiedenen Baumarten innerhalb der untersuchten Fläche liefern wichtige Informationen zur Interpretation der avifaunistischen Daten. Die Auswertung zeigt welche Waldstrukturen im naturnahen Wald der Rheinauen für die einzelnen Vogelarten eine besondere Rolle spielen. Aus der Interpretation der Ergebnisse ergeben sich Anregungen zum Vogelschutz in den umliegenden bewirtschafteten Wäldern und damit ein Beitrag zum Naturschutz im Wald.

Das Untersuchungsgebiet

Das 75 ha große Gebiet des Bannwaldes "Weisweiler Rheinwald" liegt in den Rheinauewäldern der Oberrheinischen Tiefebene nördlich des Kaiserstuhles auf der Gemarkung der Gemeinde Weisweil auf 168 m.ü.M.. Das gemäßigte Klima mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von ca. 9,5°C und einer relativ geringen Nieder­schlags­menge von ca. 700 mm/Jahr erlaubt bei sehr milden Wintern eine Vegetations­periode von ca. 6 Monaten/Jahr mit üppigen Pflanzenwachstum. Der Weisweiler Rhein­wald ist von einem Netz offener Wasserflächen in Form von Gießen und Altarmen des Rheines durchzogen. Die heutige Vegetation wird überwiegend von Gesellschaften des Eichen-Hainbuchenwaldes (Stellario-Carpinetum) und des Eichen-Ulmenwaldes (Querco-Ulmetum) gebildet. In Bereichen entlang der Gewässer kommt noch lückenhaft Silberweidenwald (Salicetum albae) vor. Etwa 5 ha des Gebietes wurden mit Balsampappeln und vereinzelten Schwarznußbäumen aufgeforstet.

Brutvögel im Bannwald Weisweiler Rheinwald

Im Bannwald Weisweiler Rheinwald wurden 44 Brutvogelarten nachgewiesen. Die Siedlungsdichte der Brutvögel lag 1999 bei 103 Revieren pro 10 ha und 2000 bei 81 Revieren pro 10 ha. 1999 wurden durchschnittlich 686 Vögel pro 10 ha registriert, 2000 waren es 618 Registrierungen pro 10 ha. Die geringere Siedlungsdichte 2000 betraf vor allem die Freibrüter mit mehr als 10 Vogelarten und schwankte je nach Art zwischen 10 und 50 % (Abb. 1). Bei einigen Arten, wie z. B. Buntspecht oder Ringeltaube, nahm die Siedlungsdichte im Jahr 2000 zu. Die häufigsten Arten waren Mönchsgrasmücke und Buchfink, deren Reviere in beiden Jahren fast 30 % aller Vogelreviere ausmachten. Höhlenbrüter stellten ca. 36 % aller Vogelreviere. Wasservögel waren mit weniger als 2 % aller Vogelreviere nur außerordentlich gering vertreten.

Die Zahl der Vogelregistrierungen wurde für den alten Bannwaldteil (15 ha) und den neu ausgewiesenen Südteil (24 ha) mit ähnlicher Bestandeszusammensetzung und Alter mit­einander verglichen. Im seit dreißig Jahren ausgewiesenen alten Bannwaldteil wurden sowohl im Frühjahr 1999 und 2000 als auch im Winter 2000/2001 signifikant mehr Vögel registriert als in der südlichen Erweiterungsfläche die vor 3 Jahren als Bannwald ausgewiesen wurde (Abb.2). Die Unterschiede in der Anzahl der Registrierungen waren insbesondere bei Zaunkönig und Kleiber sehr ausgeprägt.

Efeu als Strukturelement für Vögel

Efeu überzieht Stämme und Baumkronen mit einem dichten Geflecht, das mit steigendem Alter der Pflanze immer größer wird. 10 Vogelarten nämlich Amsel (Turdus merula), Singdrossel (Turdus philomelos), Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla), Zaunkönig (Troglodytes troglodytes), Zilpzalp (Phylloscopus collybita), Sommergoldhähnchen (Regulus ignicapillus), Schwanzmeise (Aegithalos caudatus), Waldbaumläufer (Certhia familiaris), Ringeltaube (Columba palumbus) und Eichelhäher (Garrulus glandarius) wurden als Brutvögel im Efeu registriert. Während der Efeukartierung wurden 67 Vogelnester im unteren Bereich der Efeulianen gefunden. Die reifen Früchte des Efeus sind gegen Ende des Winters eine wichtige Nahrung für Amseln und Drosseln, die sich dann besonders oft im Efeu aufhalten. Auch Ringeltauben, Wintergoldhähnchen und Baumläufer wurden vergleichsweise häufig im Efeu beobachtet. Besonders dicke Lianenarme des Efeus wiesen bisweilen auch Hackspuren des Buntspechtes auf.

Diskussion und Fazit

44 Brutvogelarten im Weisweiler Rheinwald spiegeln die Vielfältigkeit dieses Bannwaldes in den Rheinauen wieder. Die Schwankungen der Siedlungsdichte der Brutvögel zwischen 1999 und 2000 liegen im Rahmen der normalen, überwiegend witterungsbedingten Fluktuationen, denen fast alle Vogelarten unterworfen sind.

Wasservögel treten dort als Brutvögel mit Höckerschwan (Cygnus olor), Stockente (Anas platyrynchos) und Reiherente (Aythya fuligula) nur in geringer Anzahl und Dichte auf. Die hohen Schwarzwilddichten im Untersuchungsgebiet und der damit verbundene Prädations­druck sind eine mögliche Erklärung. Der Eisvogel (Alcedo attis) als Charakterart der Rheinauen profitierte von den durch Windwürfe entstanden aufgerichteten Wurzeltellern gefallener Bäume entlang der Schluten und Altwasserarme. Sie bieten gute Brut­möglich­keiten und wurden im Bannwald in zwei Fällen zur Anlage von Brutröhren genutzt. Auch Westermann & Westermann (1998) spricht von der Nutzung aufgerichteter Wurzelteller nach Sturmwurf.

Der ca. 15 ha große, alte Bannwaldteil des Bannwaldes Weisweiler Rheinwald wird seit 30 Jahren nicht mehr forstlich genutzt. Dementsprechend sind die Totholzanteile und Gesamtvorräte dieser Fläche größer als in den anderen Bereichen wo einzelstammweise bis zur Erweiterung genutzt wurde. Der südliche Erweiterungsteil mit 24 ha entspricht in Bezug auf Baumartenzusammensetzung und Alter dem des alten Bannwaldteiles. Der alte Bannwaldteil war in beiden Brutperioden und im Winter dichter von Vögeln besiedelt als die südliche Erweiterungsfläche (Abb.2). Insbesondere beim Zaunkönig (Troglodytes troglodytes), Kleiber (Sitta europaea), Rotkehlchen (Erithacus rubecula) und Sommer­goldhähnchen (Regulus ignicapillus) waren die Registrierungsunterschiede groß. Sie profitieren von Strukturelementen wie aufgeklappten Wurzeltellern, liegenden Baum­kronen und alten Efeuranken (Wesolowski 1983, Hölzinger 1999) die im alten Bannwaldteil häufiger vorkommen als in der südlichen Erweiterungsfläche. Das Angebot an geeigneten Efeuranken ist im alten Bannwaldteil größer als in der südlichen Erweiterungsfläche, da dickes Efeu an den Bäumen bis zur Aufgabe der Nutzung immer wieder abgeschnitten wurde (Hohlfeld 2001).

Tab. 1: Funde belegter Bruthöhlen im Bannwald Weisweiler Rheinwald 1999/2000.
  Pappel Esche Weide Eiche Birke Buche Robinie Bergahorn Sonstige Summe:
Star 40 17 16 10 4 - - - - 87
Buntspecht 5 3 2 3 1 1 - 1 1 17
Kleiber 5 8 - 2 - 1 - 1 - 17
Blaumeise - 4 - 2 1 1 2 1 - 11
Kohlmeise 2 2 - 1 2 1 - - 1 9
Mittelspecht 4 - - 1 2 - - - - 7
Gartenbaum. - - 1 - - - 4 1 - 6
Weidenmeise 1 1 1   1 - - - 1 5
Sumpfmeise 1 1 - - - - - - 2 4
Schwarzspecht - - - - - 1 - - - 1
Trauerschnäpper - - 1 - - - - - - 1
Grauschnäpper - - - 1 - - - - - 1
Summe: 58 36 21 20 11 5 6 4 5 166

In Tabelle 1 sind die gefundenen Bruthöhlen nach Vogel- und Baumarten aufgelistet. Die Stare (Sturnus vulgaris) als häufigste Höhlenbrüter des Bannwaldes bevorzugten ehemalige Spechthöhlen in Silber- und Graupappeln als Bruthöhlen. Auch die alten Weiden entlang der Schluten und Altwasserarme spielten für sie als Bruthöhlenbäume eine wichtige Rolle. Die Buntspechte (Dendrocopus major) nutzten 8 verschiedene Baumarten als Bruthöhlenbäume, Präferenzen in der Baumartenwahl waren nicht erkennbar. Beim Gartenbaumläufer (Certhia brachydactyla) fiel auf, das die Nester überwiegend in Spalten und Rissen am Stammfuß älterer Robinien angelegt waren. Die Weidenmeise (Parus montanus) legte ihre selbst ausgehackten Nester naheliegenderweise in Baumarten mit relativ weichem Holz an bereits ausgefaulten Stellen an.

Tab. 2: Vergleich der 1999 und 2000 kartierten Bruthöhlenbäume mit den Stammzahlen aus der Forstlichen Grundaufnahme 1999 (39 Stichprobekreise, 3,85 ha) im Bannwald Weisweiler Rheinwald. Der Chi2-Test vergleicht die jeweiligen Anzahlen der Bruthöhlenbäume und der Stammzahlen der Grundaufnahme für die einzelnen Baumarten miteinander. Ein * = signifikante und zwei ** = hochsignifikante Unterschiede.
Baumart Bruthöhlen (n) Anzahl % Stammzahlen (n) Anzahl % Masse %
Pappel ** 58 35 63 4 13
Esche 35 21 318 21 23
Weide ** 21 13 2 0,2 0,5
Eiche * 20 12 140 9 34,5
Birke ** 9 5 14 1 1
Buche ** 5 4 140 9 3
Robinie 6 4 40 3 2
Bergahorn ** 4 3 223 14 7
Sonstige 6 3 595 38,8 16
Summe. 1641001535100100

Beim Vergleich des genutzten Baumartenspektrums mit der Stichprobe aus der Forstlichen Grundaufnahme in Tabelle 2 zeigten sich deutliche Präferenzen bei der Nutzung bestimmter Baumarten als Bruthöhlenbäume. Insbesondere Silber- und Graupappeln, Weiden und Birken wurden als Bruthöhlenbäume sowohl gegenüber ihrer Häufigkeit als auch gegenüber ihren Anteilen am Holzvorrat innerhalb der Stichprobekreise klar bevorzugt. Das ist überraschend, da in anderen eichenreichen Waldgebieten eine Bevorzugung der Eichen als Bruthöhlenbäume vorgefunden wurde (Hohlfeld 1996, Günther & Hellmann 1995). Die Bruthöhlenbäume im Weisweiler Rheinwald waren im Verhältnis zu ihrer potentiellen Lebenserwartung schon relativ alt. Dementsprechend traten häufig Faulstellen auf und das weiche Holz war für die Spechte leichter bearbeitbar. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass für die Höhlenbauer der Zustand des Baumes wichtiger ist als die Baumart. Eichen sind aufgrund ihres harten Holzes schwerer zu bearbeiten als die tatsächlich bevorzugten Baumarten. Vermutlich spielen sie in vielen Eichen- Hainbuchenwäldern nur deswegen die entscheidende Rolle als Bruthöhlenbäume, weil die dort lebenden Höhlenbauer keine geeigneteren Alternativen vorfinden. Stehende tote Bäume treten gegenüber ihrer Häufigkeit in der Forstlichen Grundaufnahme (3 %) öfter als Bruthöhlenbäume auf (9%) als zu erwarten wäre. Sie werden dementsprechend zur Anlage von Bruthöhlen bevorzugt. Diese Aussage wird durch Untersuchungen in anderen Bannwäldern bestätigt (Hohlfeld 1997).