Im Rahmen des Naturwald-Programms werden in Mecklenburg-Vorpommern aktuell 37 Naturwaldreservate (NWR) mit einer Gesamtfläche von 1.645 Hektar wissenschaftlich untersucht. Zuzüglich der sogenannten Waldmonitoring-Flächen in den drei Nationalparken liegt mit insgesamt über 2.000 Hektar in mehr als 50 langzeitbeobachteten Naturwald-Flächen ein umfangreicher Pool für die Dauerbeobachtung weitestgehend ungestörter Prozesse der Waldentwicklung im nordöstlichsten Bundesland vor.
Die Dauerbeobachtung der Waldstruktur dieses bis 2023 entwickelten Versuchsflächen-Ensembles wurde 1996 begonnen. Mit dem für alle NWR vorgesehenen Probekreis-Verfahren konnte der erste Untersuchungsturnus, eine Ersterfassung, bis heute weitestgehend abgeschlossen werden. Die Methodik sieht für die Erfassung der Bestockungsparameter im Gelände die dauerhafte Einrichtung eines systematisch zufällig verteilten Netzes jeweils 1.000 Quadratmeter großer Probekreise vor. In ausgewählten NWR wurden die Waldstrukturaufnahmen an diesen vergleichsweise kleinen Probekreisen um weitere Erhebungen auf jeweils größeren Versuchsflächen-Einheiten, u. a. auf sogenannten Naturwald-Referenzflächen, ergänzt.
Damit liegt in MV ein umfangreicher Datensatz zu Dokumentation des Ausgangszustandes der Bestockungssituation von Naturwald-Flächen als Auftakt für deren wissenschaftliche Langzeitbeobachtung vor.
Erstaufnahmen liefern Hinweise auf Ahornausbreitung
Gemäß der Erstaufnahme nach dem Probekreis-Verfahrens kam Berg-Ahorn in Derbholzdimension (BHD ≥ 7 cm) in gut zwei Dritteln aller untersuchten Buchen- NWR vor. Besonders häufig war sein Auftreten auf basen- und kalkreichen Standorten. Hier fand sich die Baumart in 80 Prozent aller Gebiete. Bei NWR mit mäßig basenreichen Böden wurde Berg-Ahorn nur in jedem zweiten Gebiet gefunden und fehlte in bodensauren Buchenwäldern vollständig.
Der Status der konkurrenzstarken Baumart innerhalb der Waldbestände der untersuchten NWR stellte sich recht unterschiedlich dar. In den meisten Gebieten trat Ahorn mit hoher Stetigkeit in einer stammzahlreichen Gertenholzschicht auf. In vielen NWR hatte sich die Art auch in Stangen- und schwachen Baumhölzern etabliert und bildete dort z. T. eine den Zwischenstand dominierende Baumschicht. Einzelne NWR wiesen bei ihrer Erstaufnahme Bestandespartien mit reinem Berg-Ahorn im mittleren und starken Baumholz auf, die auf Flächen zwischen ein und zwei Hektar den Oberstand einnahmen. Reife Buchen-Altholzbestände mit einem höheren Mischungsanteil stärkerer Ahorne wurden selten vorgefunden. Insbesondere in den NWR der PNV-Gruppe der Buchenwälder basen- bis kalkreicher Standorte erreichte Berg-Ahorn z. T. nicht unwesentliche Anteil an der Bestandesdichte. Hier wurden in einzelnen Gebieten Grundflächen- und Vorratsanteile zwischen 20 und 30 Prozent ermittelt (s. Abb. 2), wenngleich in der größeren Anzahl dieser Reservate der Vorratsanteil eher um die 10 %-Marke schwankte. Dass sich für die Stammzahl-Anteile in allen NWR grundsätzlich die höchsten Zahlenwerte unter den betrachteten Dichtemaßen ermitteln ließen (s. Abb. 2), wurde als Indiz für die weitere Etablierung der Baumart in den Buchen-NWR Mecklenburg-Vorpommerns gewertet.
Wie haben sich die Verhältnisse im Zeitraum der zurückliegenden 10 Jahre verändert?
Im Monitoring-Konzept der Waldstrukturerhebungen mittels Probekreis-Verfahren ist ein jeweils zehnjähriger Abstand für Folgeaufnahmen vorgegeben. Aktuell liegt für mehr als die Hälfte aller NWR in MV mindestens eine solche Wiederholung vor. Für diese Gebiete lassen sich die gemäß der Ersterhebung erwarteten Entwicklungstendenzen einer Verschiebung im Baumartenspektrum nun erstmalig prüfen. Zur Verfügung stand dafür ein Set von 17 Buchen-NWR mit einer Gesamtfläche von 670 Hektar. Hier lagen für insgesamt 519 Probekreise zwei Aufnahmen mit einem zeitlichen Abstand von 10 Jahren vor. Gemäß der Ersterhebung betrug der durchschnittliche Grundflächenanteil der Rotbuche hier mehr als 80 Prozent.
Wiederholungsaufnahmen bestätigen den erwarteten Trend
Erwartungsgemäß wurde für ausnahmslos alle 17 NWR eine Zunahme des durchschnittlichen Gesamtvorrats registriert. Dieser resultierte vor allem aus der positiven Biomasseentwicklung bei Rotbuche, die, bei nur geringfügigem Anstieg der Stammzahl (um absolut 6 %), hochanteilig zuwachsbedingt war. Dem entgegen belegten die Ergebnisse des zweiten Erhebungsturnus einen auffälligen Rückgang der Dichte- und Vorratswerte für Stiel- und Trauben-Eiche, noch ausgeprägter für Esche. Während bei allen übrigen Baumarten keine eindeutigen Trends erkennbar waren, ließ sich für Berg-Ahorn eine deutliche Zunahme feststellen. Bezogen auf die Gesamtfläche aller untersuchten Probekreise resultierte diese sowohl aus der eindrucksvollen Erhöhung der Derbholzstammzahl um 38 Prozent, ließ sich aber auch an der Zunahme von Grundfläche und Vorrat um jeweils gut ein Drittel, feststellen. Vom ersten zum zweiten Aufnahmeturnus hatte sich Ahorn zudem im Derbholzbestand zweier weiteren NWR etabliert.
Weitere Auswertungen erfolgten für eine Gesamtheit von 9 NWR mit insgesamt 286 Probekreisen und höheren Anteilen des Berg-Ahorns im Derbholzbereich (s. Abb. 4). Hier wurde das Auftreten der Baumart in den verschiedenen Aufnahmestraten betrachtet (s. Abb. 4). Herangezogen wurde dazu die Stetigkeit, ein relatives Maß, das Auskunft über den Anteil der untersuchten Plots (hier: Probekreise) eines Gebietes gibt, auf denen die Art nachgewiesen wird.
Hier ist zu erkennen, dass das Auftreten des Berg-Ahorns in der Verjüngungsschicht unter zwei Meter Höhe tatsächlich abgenommen hat. In allen übrigen Straten, so der Verjüngung über zwei Meter Höhe, dem Derbholzbestand sowie dem vorgefundenen Totholz sind die Stetigkeitswerte des Ahorns leicht gestiegen.
Aus der festgestellten Zunahme der Stetigkeit sowie auch der absoluten Werte für Stammzahl, Grundfläche und Vorrat für die Baumart Berg-Ahorn ergab sich die Frage, ob aus diesen Befunden eine Veränderung der Baumartenzusammensetzung resultieren könnte. Wesentliche Einflussgröße war hier schließlich der Umfang der in allen Buchen-NWR für die 10 Jahre erfolgte generelle, von der Rotbuche dominierte Vorratsaufbau. In Abb. 5 sind die Verteilungen der Werte für den Stammzahl- sowie den Vorratsanteil des Ahorns in den 9 untersuchten NWR abgebildet. Man erkennt für beide Anteilswerte grundsätzlich eine Zunahme. So steigt das arithmetische Mittel des Stammzahlanteils von 12 auf 15 Prozent. Wie jedoch die Verteilung der Werte bereits vermuten lässt, ließ sich diese Erhöhung nicht statistisch sichern. Dem entgegen war der leichte Anstieg des Vorratsanteils von Turnus 1 zu Turnus 2 für den Berg-Ahorn signifikant.

Abb. 4: Untersuchte Buchen-NWR mit im Derbholz auftretenden Berg-Ahorn sowie zwei vorliegenden Waldstruktur-Datensätzen (Probekreis-Verfahren) der Erst- (Turnus 1) und Wiederholungsaufnahme (Turnus 2) nach Flächengröße, PNV-Gruppe, Jahr der Einstellung der Nutzung, Altersbereich der ältesten relevanten Bestandesschicht und Aufnahmejahr der letzten Waldstrukturerhebung.
Fazit
In 72 Prozent aller mit Buchenwäldern bestockten NWR in MV tritt Berg-Ahorn in Derbholzstärke auf. Der anhand der Waldstrukturdaten einer Ersterhebung vermutete Trend einer zunehmenden Etablierung der Art lies sich mit dem zweiten Aufnahmeturnus für 9 untersuchte NWR belegen. So waren die Stetigkeitswerte in allen Straten ab dem Gertenholz (Verjüngungsschicht über 2 m Höhe) bei der Wiederholungsaufnahme nach 10 Jahren erhöht. Die signifikante Abnahme der Stetigkeit in der Verjüngung unter zwei Metern Höhe liese sich mit dem grundsätzlichen Anstieg der Bestandesdichte in allen NWR und dem daraus resultierenden geringeren Lichtangebot in den Beständen erklären.
Neben der Buche hat innerhalb der untersuchten Gesamtheit der NWR nur der Berg-Ahorn seine Anteile erhöhen können. Dieser Trend fällt aufgrund des kurzen Untersuchungszeitraums von 10 Jahren relativ gering aus, ist aber für die Zunahme des Vorratsanteils signifikant (s. Abb. 5). Nach einer Einbeziehung der Ergebnisse der Wiederholungsaufnahme in den momentan bearbeiteten drei NWR Insel Vilm (Forstamt Rügen), Werderholz (Forstamt Gädebehn) und Brooker Wald (Forstamt Grevesmühlen) mit vergleichsweise hohen Berg-Ahorn-Anteilen werden diese Trends voraussichtlich noch deutlicher ausfallen.
Spannend ist die Frage, wie es zu der momentan ablaufenden Entwicklung der Zunahme des Berg-Ahorns kommt. Von Ausbreitungstendenzen der Art wird derzeit auch aus anderen Ländern Europas berichtet. Laufen diese Trends auf eine dauerhafte Verschiebung in den Baumartenspektren unserer Naturwälder hinaus oder wird die dort zeitgleich beobachtete Zunahme der Bestandesdichte diese Entwicklung abschwächen oder gar unterbrechen?
Aktuell ist zu beobachten, dass die Baumart auf höhere, lückeninduzierte Lichtgaben im Kronendach alter Buchenwälder zügig und stark reagiert. Die mitwachsende Buche wird in Stangen- und angehenden Baumhölzern mit ihrem in dieser Phase deutlich unterlegenem Höhenwachstum (Nagel 1986) wirkungsvoll dominiert. So prägen sich in den Buchenbeständen Partien mit reinem Berg-Ahorn im Zwischenstand aus, die für zahlreiche NWR deutlich höhere Anteile der Art im künftigen Oberstand erwarten lassen. Derartige Bestandesbilder können in NWR Mecklenburg-Vorpommerns schon heute besichtigt werden (s. Abb. 6).
Die Steuerung des Anteils der konkurrenzstarken Edellaubholzart über den Faktor Licht wird im Wirtschaftswald, besonders auf den sorptionsstärkeren Standorten, voraussichtlich an Bedeutung gewinnen. Und auch vor dem Hintergrund der recht starren Maßgaben für Wald-Lebensraumtypen nach FFH-Richtlinie könnte die aktuell beobachtete Ausbreitungstendenz der Baumart in der Zukunft Fragen aufwerfen.





