Untersuchungen zum Gewässerzustand

Im Fokus des Artikels stehen die kleinen und mittleren Fließgewässer, die vom Wald besonders geprägt sind. Darunter fallen Wasserläufe von 5 bis 10 m Breite bei einem mittleren jährlichen Abfluss unter 5 m3/s und einem Einzugsgebiet von maximal 150 km2. Eine anschauliche Definition eines Flusses lautet: Ein Fluss beginnt dort, wo ein Gewässer so breit ist, dass ein Kronenschluss der Ufergehölze nicht mehr gegeben ist. Vor allem bei kleinen Bächen spielen Ufergehölze eine wichtige Rolle für die Gewässermorphologie. Bei den größeren Flüssen treten sie mehr in den Hintergrund.

Eine Vorstellung von der Ausdehnung des gesamten Gewässernetzes in Baden-Württemberg und seiner Länge innerhalb des Waldes gibt Tabelle 1. Die tatsächliche Länge aller Gewässerstrecken übersteigt die hier nach dem Amtlichen Wasserwirtschaftlichen Gewässernetz (AWGN) der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LUBW) ermittelte Gewässerstreckenlänge. Im AWGN sind viele Gewässerstrecken abweichend von ihrem eigentlich gekrümmten oder mäandrierendem Verlauf eher geradlinig dargestellt. Das führt bei der Berechnung zu einer zu kurzen Gewässerstrecke. Einige kleine Fließgewässer, die im Jahresverlauf nur vorübergehend wasserführend sind, werden hier nicht mit einbezogen.

FließgewässerLänge in kmAnteil in %
Baden-Württemberg gesamt43250100
Innerhalb der Waldflächen Baden-Württembergs1550035,9

Tab 1. Das Gewässernetz von Baden-Württemberg: Gesamtlänge und Länge im Wald. Datengrundlage: ATKIS-Datensatz, Stand 03/2002 (Waldfläche) und LfU-Datensatz “Fluss10k”, Stand 12/2002 (Fließgewässer). Als Gewässer innerhalb Waldes wurden flächenscharf die von Waldflächen Fließstrecken erfasst.

Gewässerrelevante forstliche Maßnahmen

Um den Effekt einer forstlichen Maßnahme auf ein Fließgewässer beurteilen zu können, wurden die Reaktionen der im Gewässer lebenden Tiere – die Gewässerfauna –  beobachtet. Auch als Parameter bei der Zustandserfassung zur Überprüfung der Wasserrahmenrichtlinie ist die Gewässerfauna geeignet. Sie spiegelt nicht nur kurzzeitige Schwankungen im Gewässermilieu, sondern auch langfristigere Effekte wieder.
Im Folgenden werden die Auswirkungen von:

  • Waldbaulichen Maßnahmen
  • Wegebau
  • Holzernte und Holzlagerung 

auf die Gewässerfauna beschrieben. Eigene Untersuchungen und die Auswertung von Fachliteratur bilden die Basis für die Beurteilung der Maßnahmen. 

Waldbauliche Maßnahmen

Lenkung der Baumartenzusammensetzung

Eine einseitige Förderung von standortsfremden Wirtschaftsbaumarten, v.a. Picea abies, Fichte, verringert das Nahrungsangebot über Laubeintrag im Gewässer. Dies hat negative Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaft der Fließgewässer.
Nadelstreu wird von Zerkleinerern wie dem Bachflohkrebs (Gammarus sp.) nur sehr schlecht verwertet. Studien haben gezeigt, dass in mit Fichten bestockten Abschnitten ca. 80 % weniger sogenannte Zerkleinerer zu finden waren. Auch die veränderte Wassertemperatur und der chemische Stoffhaushalt wirken sich negativ auf die Biomasse der Zerkleinerer aus.

Die geringe Biomasse der Zerkleinerer (Primärproduzenten) wirkt sich wiederum auf die Sekundärproduktion aus. Zerkleinerer sind wichtige Wegbereiter für den Zerfall größerer Pflanzenteile zu feinpartikulärem organischem Material (Detritus). Sie machen grobpartikuläres Material für Arten der Typen Sedimentfresser (z.B. manche Larven von Eintagsfliegen) und Filtrierer (z.B. Wasserfloh) verfügbar. Geht umweltbedingt der Anteil der Zerkleinerer stark zurück, hat dies gehörigen Einfluss auf die Nahrungskette.
Deutlich wurde: In Nadelholzabschnitten treten auch Weidegänger (Algenaufwuchs-Fresser), Sedimentfresser und Filtrierer sowie Räuber in deutlich geringerer Dichte auf – 1/4 bis 1/3 der Individuen im Vergleich zu den Laubwaldabschnitten. Untersuchungen zeigen aber, dass in Gewässerstrecken mit einem nadelholzreichen Gewässerrand wenige eingestreute Laubbäume oder Laubbaumgruppen ausreichen, um die Biomasse des Gewässergrundes deutlich zu erhöhen.

Die Zusammensetzung und Struktur von Ufergehölzen beeinflusst die Ausbreitung von Tieren über den Luftraum entlang des Gewässers . Dies ist z.B. für Insektenweibchen von Bedeutung, die vor der Eiablage einen gewässeraufwärts gerichteten Flug (Kompensationsflug) durchführen müssen. Für verschiedene Insektenarten wirken gleichaltrige, dicht geschlossene 25- bis 40-jährige Fichtenreinbestände als Ausbreitungshindernisse. 
Für die Barrierewirkung werden verschiedene Ursachen angenommen: 

  • Sichthindernisse aufgrund dichter Nadelholzbestände
  • gesenkte Lufttemperaturen als klimatische Barriere gegenüber Laubwaldabschnitten
  • verhinderte Orientierung am abendlichen Talwind, der den fliegenden Insekten als Wegweiser dient,  aufgrund dichten Nadelholzbewuchses

Derartige Hinderungswirkungen betreffen vor allem Arten mit geringen Ausbreitungsdistanzen und enger Bindung an das Gewässer, wie viele Eintagsfliegen und einzelne Köcherfliegenarten. Für sehr mobile Arten (z.B. Libellen) spielen diese Barriere-Effekte eine geringere Rolle.

Absenkung des Bestandesalters 

Eine Nutzung lange vor der natürlichen Ausreifung der Waldbäume führt nicht nur in Lebensräumen der Landoberfläche (terrestrisch), sondern auch in solchen in Gewässern (aquatisch) zu einem Mangel an Totholz. Totholz spielt in Fließgewässern eine wichtige Rolle für deren Struktur, die Ausprägung der Strömung und Hydraulik, die Hydrologie (Lehre des Wassers) sowie als Lebensraum und Nahrungsquelle für die Flora und Fauna.

Eine in der Bachsohle wechselnde Abfolge von Flachwasserabschnitten (riffles) und Abschnitten tieferen Wassers (pools) ist typisch für viele Gebirgs- und Bergbäche, aber auch größere Fließgewässer. Sehr tiefe Pools entstehen durch quer zur Strömung liegendes Totholz. Sie dienen Fischen vor allem bei sommerlichem Niedrigwasser als Zufluchtsort. Als Bereiche geringer Strömungsgeschwindigkeit bieten sie außerdem Schutz vor Fressfeinden bzw. Räubern (Prädatoren) wie z.B. dem Graureiher oder bei Hochwasser. Das Vorkommen von Pools scheint außerdem die Größe von Fischpopulationen zu limitieren, da verschiedene Entwicklungsstadien und Arten von Fischen unterschiedliche Typen von Pools, flache oder tiefe, benötigen.

Totholz, das die Strömung gegen die Ufer ablenkt, verstärkt die Seitenerosion und erhöht so den Wechsel zwischen Verengungen und Weitungen (Breitenvarianz). Auf diese Weise kann Totholz auch zur Renaturierung von Gewässerläufen beitragen.
Mit der Förderung der Entstehung von Totholz im Gewässerumfeld kann die Forstwirtschaft zu artenreichen und naturnahen Fließgewässern beitragen. Unter Beachtung der Bestimmungen des Wassergesetzes (nach § 47 WG B-W sind Störungen des Wasserlaufs zu beseitigen) soll Totholz aus Fließgewässern im Wald wegen seiner hohen ökologischen Bedeutung deshalb nur ausnahmsweise geräumt werden. 

Waldfragmentierung durch Erschließungsmaßnahmen und Hiebsflächen

Die Auswirkungen von Erschließungsmaßnahmen werden im Folgenden beschrieben. Eine Fragmentierung des Waldes (Zersplitterung, Zergliederung) durch Hiebsflächen in Form von Kahlschlägen bis 1 ha Größe wird, bezogen auf gewässerökologische Aspekte, als unbedenklich eingestuft (Kahlhiebe über 1,0 ha gemäß § 15 LWaldG B-W dürfen ohne Genehmigung der Forstbehörde nicht vorgenommen werden).

Wegebau

Die Erschließung des Waldes führte zwangsläufig zur Störung der Durchgängigkeit der Waldgewässer. An den vielen Weg-Gewässer-Kreuzungen werden kleinere Wasserläufe (Sohlbreite 2 bis 3 m) hauptsächlich durch Schleuderbetonrohre (Dohlen) unter den Wegen durchgeführt. Deren Durchwanderbarkeit hängt von der Sohlbeschaffenheit im Rohr, von den Strömungs- und den Lichtverhältnissen ab (Abb. 4.). Meist bilden sie eine deutliche Wanderungsbarriere. Außerdem entstehen unterhalb der Verrohrung häufig kolkartige Auswaschungen mit einem tiefen Absturz (Abb. 5.). Abstürze am Rohrauslauf erschweren den Organismen den Gewässeraufstieg. Kleinlebewesen, die auf oder in der Gewässersohle leben, können Rohre mit steilem Gefälle, hohen Durchflussgeschwindigkeiten und mit glatter Sohle gegen die Fließrichtung nicht passieren. Enge, lange und damit entsprechend dunkle Verrohrungen (> 25 bis 30 m) werden von Fischen nur noch vereinzelt und Verrohrungen > 50 m meist gar nicht mehr durchwandert.

In einer Studie der FVA wurde deutlich, wie stark die Waldbäche durch den Wegebau zerstückelt sind (Tab.2.). Auf 2 km Gewässerstrecke im Wald kommen zwischen 1 bis 11 Verrohrungen, durchschnittlich etwa alle 300 m eine.
Ausschlaggebend für die Durchwanderbarkeit von Verrohrungen ist für Fische vor allem der Absturz am Rohrausgang. Bei wenig sprungfähigen Arten wie der Groppe (Cottus gobio) sind schon Abstürze am Rohrauslauf von 10 cm Höhe unüberwindbar. Bei einer Untersuchung von 53 Dolen hatte sich bei 19 (36 %) ein Absturz über 10 cm ausgebildet. Die Durchwanderbarkeit kann für diese Fischart nur durch entsprechende Umgestaltungsmaßnahmen wiederhergestellt werden.

ForstamtWaldgewässerWaldwegeGewässerquerungen
 lfm/halfm/haGesamtn/km Gewässer
Villingen-Schwenningen 
(Staat)
2810592920,5
Murrhardt241339155
Nürtingen161132912,8
Bad Rippoldsau11934455,73,5
Pfalzgrafenweiler7126158-
Gesamtwald 
Baden-Württemberg
11111- 

Tab.2. Gewässerdichte, Wegedichte und Gewässerquerungen (Kreuzungen) im Wald. Datengrundlage: ATKIS-Datensatz, Stand 03/2002 (Waldfläche) und 
LfU-Datensatz "Fluss10k", Stand 02/2002 (Fließgewässer).

Holzernte und Holzlagerung (Nasslager)

Holzernte

Bei der Entnahme von Holz im Umfeld von Fließgewässern können Fäll- und Holzrücke-Arbeiten die Uferstrukturen sowie Ufer- und Auenvegetation beschädigen. Infolgedessen kann verstärkt Feinerde in Waldbäche eingetragen werden. Eine Art, die besonders empfindlich auf Sandbewegungen und Schlammaufwirbelungen reagiert, ist z.B. die in Baden-Württemberg vom Aussterben bedrohte Bachmuschel (Unio crassus, Abb.6). Sie kommt in Fließgewässern im Wald, vor allem in Mittelläufen rasch fließender Bäche der kollinen Höhenstufe – niedrigste Höhenstufe der Vegetation vieler Gebirge (500 bis max. 800 m)  – vor.
Im Zusammenhang mit der maschinellen Holzernte hat die Feinerschließung von Waldbeständen seit Mitte der 80er Jahre zunehmend an Bedeutung gewonnen. Müssen Gewässer für Rückegassen gequert werden, ist ein sensibler Umgang mit der Gewässerfauna erforderlich.

Nasslager

Die hessische Forstlichen Versuchsanstalt hat Berieselungswasser-Proben untersucht. Dabei zeigten die Messungen von pH-Wert, elektrischer Leitfähigkeit und ausgewählten anorganischen Wasserinhaltsstoffen keine bedenklichen Veränderungen der Wasserqualität. Während der Anfangsphase der Nasslagerung traten zwar deutliche Anreicherungseffekte von Ammonium (NH4), Chemischem Sauerstoffbedarf (CSB) und biochemischem Sauerstoffbedarf nach 5 Tagen (BSB5-Wert) auf, diese sanken aber im ersten Jahr der Holzkonservierung wieder deutlich. Die durch Nasslagerung freigesetzte organische Verbindungen schienen überwiegend bakteriologisch abbaubar und enthielten keine toxisch wirkenden Stoffe. An Wasserproben etwa 100 m unterhalb der Einleitungsstelle des Berieselungswassers war keine Beeinflussung der Wasserqualität mehr nachweisbar. Für Fließgewässer gibt es in Verbindung mit Nasslagern keine Hinweise auf akute Schädigungen an Fischbeständen oder gar auf Fischsterben. Das Einbringen von Auswaschungen aus Holzmengen über 2.000 Festmeter stellt jedoch eine stoffliche Belastung dar, die negative Auswirkungen auf aquatische Lebensgemeinschaften haben kann.
Durch die Nasslagerung von Rundholz (Abb. 7.) sind insgesamt keine nachhaltigen negativen Auswirkungen auf Fließgewässer zu erwarten, wenn entsprechende Vorgaben bei Einrichtung und Betrieb von Nasslagerplätzen eingehalten werden (z.B. Vorgaben der Forstdirektion Freiburg).