Wann ist ein Bach ein Bach?

Es gibt keine scharfe Abgrenzung zwischen den Begriffen Bach und Fluss. Der Übergang ist fließend. Es gibt allerdings einige Definitionsversuche.

Häufig werden kleine Fließgewässer anhand ihrer Breite von Flüssen abgegrenzt. Ist das Gewässer breiter als zehn Meter (manchmal auch fünf Meter), handelt es sich demnach um einen Fluss. Auch das Einzugsgebiet kann als Unterscheidungsmerkmal dienen. Diesbezüglich bietet das berichtspflichtige Teilnetz der Wasserrahmenrichtlinie Orientierung. Demnach wären alle Fließgewässer mit einem Einzugsgebiet kleiner als zehn Quadratkilometer kleine Fließgewässer. Die Abgrenzung zwischen Bach und Fluss kann alternativ auch über den Abfluss (z. B. 20 m³/s) erfolgen.

Als pragmatische Faustregel gilt: Wenn Ufergehölze eine geschlossene Krone über dem Gewässer bilden, handelt es sich um einen Bach.

Umweltfaktoren

Einer der wichtigsten Umweltfaktoren in Fließgewässern ist die Strömung. Sie bewirkt großräumige Landschaftsveränderungen ebenso wie kleinräumige Umgestaltungen im Gewässerbett und in der Aue. So entstehen Kolke, Prallhänge mit Uferabbrüchen, ein nach Korngrößen fein differenziertes Sohlmaterial und ein sich ständig veränderndes Mosaik von Kleinstlebensräumen. Die Strömung sorgt für eine hohe Dynamik und damit für eine hohe Strukturvielfalt.

Die Lebewesen haben sich an die ständige und starke Strömung in Bächen angepasst. So sind ihre Körper oft stromlinienförmig und abgeflacht, sie klammern sich am Substrat fest und verkriechen sich im Lückensystem der Bachsohle. Manche besitzen sogar Saugnäpfe, um nicht abzudriften (Abb. 2).

Naturnahe, kleine Fließgewässer sind aufgrund der hohen Strömung, der kühlen Temperaturen und der geringen Nährstoffkonzentration stets sauerstoffgesättigt. Viele Arten sind daran angepasst und reagieren empfindlich auf Schwankungen im Sauerstoffgehalt.

Licht ist die Energiequelle für Algen und höheren Pflanzen in Bächen. Oberläufe sind –  mit Ausnahme von Gletscherflüssen –  tendenziell klarer als Mittel- und Unterläufe, da sie weniger gelöste organische und anorganische Partikel transportieren. Hochwasser vermindert die Transparenz des Wassers durch die mitgeführten Partikel.

Gliederung von Fließgewässern

Fließgewässer werden von der Quelle bis zur Mündung in Zonen eingeteilt, die sich durch Temperaturmaxima und Bodenstruktur unterscheiden. Jeder Zone sind so genannte Leitfischarten zugeordnet, die für die jeweiligen Lebensgemeinschaften charakteristisch sind.

Die verschiedenen Regionen gehen fließend ineinander über und stehen über die Wasserführung, den Stofftransport und die Gewässerorganismen miteinander in Verbindung. Jedes Flusssystem stellt ein räumliches Kontinuum dar.

 

 

Quellen und Quellrinnsale

Quellen sind einzigartige Lebensräume für viele hochspezialisierte Arten. Hierzu zählen viele eiszeitliche Reliktarten. Durch die enge Verzahnung von terrestrischen und aquatischen Lebensräumen weisen grundwassergespeiste Biotope einen hohen Strukturreichtum auf. Quelllebensräume sind äußerst störungsempfindlich und können schon durch kleine Eingriffe irreparabel geschädigt werden. Deshalb sind Quellbereiche auch nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 30) besonders wertvolle Biotope und vor nachhaltigen Beeinträchtigungen oder Zerstörungen geschützt. Auch in der FFH-Richtlinie sind Quellen aufgeführt.

Es werden verschiedene Quelltypen unterschieden. Nach dem Bayerischen Quelltypenkatalog werden diese nach ihrem Austrittsverhalten und dem vorherrschenden Substrattyp unterschieden. Im Quellbereich selbst unterscheidet man verschiedene Lebensgemeinschaften, die sich auf Teilbereiche spezialisiert haben: Grundwassertiere (z. B.: Höhlenassel) wandern aus dem Grundwasser in den Quellbereich ein und sind an ein Leben im Dunkeln und im engen Lückensystem des Grundwassers angepasst. Die sogenannten Krenobionten sind hoch spezialisierte Arten, die nur im Quellbereich vorkommen. Sie reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen ihrer Umwelt. Die Krenobionten haben ihr Hauptvorkommen in Quellen, sind aber etwas anpassungsfähiger und kommen auch im Oberlauf von Bächen vor.&

Aus dem Oberlauf dringen immer wieder Arten ein. Es sind strömungsliebende Arten, die auf einen hohen Sauerstoffgehalt angewiesen sind. Eine eigene Artengemeinschaft bildet die Fauna hygropetrica - die Fauna der nassen Steine und Felsen. Die Fauna liminaria ist die Tierwelt der feuchten Böden und Sümpfe im semiaquatischen, semiterrestrischen Lebensraum an den sumpfigen Rändern von Sickerquellen. An manchen Stellen staut sich das Wasser. Hier leben Stillwasserarten.

Waldbäche

Die an die Quellregion anschließenden Bäche zeichnen sich durch sommerkalte Wassertemperaturen und einen stets sehr hohen Sauerstoffgehalt des Wassers aus. Die Umweltbedingungen sind sehr stabil und die Bacharten reagieren empfindlich auf Veränderungen. Bachforellen sind beispielsweise auf kühles und sauerstoffreiches Wasser angewiesen und leiden schnell unter Hitzestress.

Die kleinen Bachläufe dieser Übergangskategorie sind oft kaum einen halben Meter breit. Sie stellen jedoch einen sehr großen Anteil an der gesamten Lauflänge des Gewässersystems und erstrecken sich als immer feiner verzweigtes Netz bis in die entferntesten Winkel unserer Landschaft. Diese oft recht unscheinbaren Fließgewässer besitzen daher einen hohen Stellenwert im Naturhaushalt, sowohl für den Wasserhaushalt als auch für die Lebensraumvernetzung unserer zerstückelten Landschaft.

Typische Strukturen in kleinen Fließgewässern

Durch die Reibung des Wassers am Gerinne wird dessen Gestalt ständig verändert. Auswaschungen und Ablagerungen von feinerem Sohlmaterial werden in naturnahen Gewässern durch vielfältige Strömungsverhältnisse hervorgerufen. Überall dort, wo der Wasserströmung ein Widerstand entgegengesetzt wird, kommt es zu Turbulenzen und alternative Fließwege werden erschlossen. Gehölze, die der seitlichen Verlagerung des Fließgewässers im Wege stehen, werden umspült und bilden kleine Inseln im Gewässer. Verliert das Wurzelwerk den Halt, entstehen sogenannte Sturzbäume, deren Stamm oder Krone teilweise in das Gewässer ragt. Alle diese Elemente (Totholz, Substratvielfalt, Laufmobilität etc.), die durch den Kontakt mit der fließenden Welle entstehen und gleichzeitig die Wasserströmung beeinflussen, zählen zu den natürlichen Gewässerstrukturen (Abb. 7).

Abbildung 8 zeigt ein naturnahes Fließgewässer. Der Bach ist in seinem Lauf nicht eingeschränkt und weist eine hohe Strukturvielfalt auf: unterschiedliche Substrate wie Sand, Kies, Steine, Blöcke, Totholz, wechselnde Strömungsgeschwindigkeiten, fließende Abschnitte, Abstürze, Gumpen etc. sowie Baumbestand im Auenbereich.

Die verschiedenen Gewässerstrukturen bilden den Lebensraum für eine Vielzahl von Wasserlebewesen. Je höher die Zahl an unterschiedlichen Strukturen in einem Gewässer, desto vielfältiger ist dessen Spektrum an Tier- und Pflanzenarten. Zum Fließgewässer gehört nicht nur das Bachbett, sondern auch das Gewässerumfeld – die Aue – und die Wasserführung im Kieskörper unterhalb des Gewässerbettes.

Fließgewässertypen Baden-Württembergs

Fließgewässer sind nicht gleich Fließgewässer. Das Klima, das zugrundeliegende Relief und Substrat, das Ausgangsgestein und dessen Verwitterungsprodukte bewirken, dass Fließgewässer in ihrer Form, Chemie und Hydrologie unterscheiden. Das wirkt sich wiederum auf die Lebensgemeinschaften der Gewässer aus – in den unterschiedlichen Gewässern kommen naturgemäß unterschiedliche Lebensgemeinschaften vor.

Für die Erfolgsbewertung degradierter Gewässer ist es notwendig, zu wissen, wie das Gewässer im natürlichen Zustand aussehen würde. Das schließt auch die Tier- und Pflanzenarten ein, die dort vorkommen sollten. Dazu wurden die Fließgewässer nach Vorgaben der EU-WRRL bundesweit typisiert. Abhängig von der Geologie, Geomorphologie und der Ökoregion werden in Deutschland 23 Typen unterschieden. Diese Typen dienen als Referenzgewässer, die als Leitbild für die Wiederherstellung des guten ökologischen Zustands dienen. Hintergrundinformationen zur Fließgewässertypologie inklusive Steckbriefen von Fließgewässertypen sind auf der Internetseite des Umweltbundesamtes zu finden.

Die aktuelle Fließgewässertypologie in Baden-Württemberg ist als interaktive Karte im Daten- und Kartendienst der LUBW (UDO) verfügbar. Zusätzlich stehen hier Steckbriefe mit anschaulichen Skizzen und Bildern zu den Referenzgewässern frei zur Verfügung.

Fazit

Fließgewässer sind vielfältig und dynamisch. Durch ihre hohe Strukturvielfalt im natürlichen Zustand bieten sie Lebensraum für zahlreiche, zum Teil hoch spezialisierte Organismen. Von der Quelle bis zur Mündung befinden sich Fließgewässer in einem ständigen Stoff- und Artenaustausch. Auch die Umweltbedingungen ändern sich ständig. Eine Quelle ist ein völlig anderer Lebensraum als beispielsweise ein Tieflandfluss.

Um Aufwertungsmaßnahmen an Gewässern planen zu können ist es deshalb wichtig, den Fließgewässertyp zu kennen. Nur so kann das Gewässer dem natürlichen Zustand wieder angenähert werden.