Buchenwälder galten lange als so artenarm, dass dieses Prädikat sogar Teil ihres üblichen vegetationskundlichen Namens wurde ("artenarme Buchenwälder"). Sie erfuhren dann aber einen zunehmenden und heute vollständigen Paradigmenwechsel, sodass sie nunmehr sogar als besonders artenreich und bedeutsam für den Erhalt heimischer Biodiversität verstanden werden. Doch ist dies auch wirklich gerechtfertigt? Der Beitrag unterzieht diese Sichtweise einer kritischen Betrachtung anhand der Artenausstattung und dem "Alleinstellungscharakter" der Arten hiesiger Buchenwälder gegenüber anderen Waldlebensräumen.

Bei Betrachtung aller Artengruppen sind Buchenwälder zumindest nicht extrem artenarm, wenn auch die Bewertung ihres Artenreichtums oftmals auf ausdrücklich vorläufigen, sehr alten Ergebnissen basiert. In vorliegendem Beitrag soll nun speziell der Fokus auf die an Buchenwälder gebundenen Arten gelegt werden, weil alle anderen Arten auch in anderen Waldtypen geschützt werden können und somit durch sie eine besondere Bedeutung des Schutzes von Buchenwäldern eher nicht begründet werden kann.

Boden- und Streubewohner

Die artenreiche, die Streuschicht besiedelnde und gut erforschte Artengruppe der Laufkäfer hat ein hohes Indikationspotenzial, weil viele der Arten sehr starke Beziehungen zum Standort und dem Bestandsklima haben. Die Artengruppe ist zudem in ganz Europa reich an ausbreitungsschwachen Reliktarten. Obwohl durchaus einige Arten regelmäßig in Buchenwäldern gefunden werden können, sind sie doch im Vergleich mit anderen Waldlebensräumen Mitteleuropas eher unterdurchschnittlich artenreich. Unter den Arten ist hierzulande keine Art, die an Buchenwälder streng gebunden ist, auch im Kronenraum nicht. Auch Kandidaten für solche Arten, die in manchen Regionen Europas Buchenwälder mutmaßlich zu präferieren scheinen, sind doch auch in anderen Waldtypen verbreitet, zumindest in den meisten Regionen. Buchenwälder sind in Regionen, in denen diese die Eiszeit überdauert haben, hingegen Heimat ausbreitungsschwacher Buchenwaldspezialisten, darunter auch Endemiten.

Auch bei den Mollusken, die in hiesigen Buchenwäldern eher artenarm vertreten sind, fehlen an Buchenwälder gebundene Arten vollständig. Dies steht durchaus im Gegensatz zu anderen Regionen Europas, in denen beides anders gelagert ist.

Immerhin, bei einigen Artengruppen der Bodenmesofauna sind Buchenwälder durchaus artenreich und auch artenreicher als manche anderen Waldtypen. So können speziell Hornmilben (Oribatidae) unter reiner Buche mit ihrer schlecht zersetzlichen Streu artenreicher als unter Mischbeständen und unter Esche oder Linde auftreten. Der Grund ist, dass Hornmilben eher Spezialisten ungünstiger Auflageformen sind, während unter günstigeren Verhältnissen andere Zersetzergruppen wie Collembolen dominieren. Regelrechte Buchenwaldspezialisten sind indes unter den Arten nicht.

 

Totholzbewohnende Käfer

In totholzreichen Buchenwäldern können xylobionte Käfer durchaus artenreich auftreten, wenn auch mit einer deutlichen Abnahme von Süd- nach Nordeuropa. Eine umfassende Datenauswertung mehrerer der an Urwaldstrukturen gebundenen, also einer besonders anspruchsvollen Komponente der xylobionten Käfer ergab, dass Buchenwälder des westlichen Mitteleuropas nicht über Arten verfügen, die an die Buche oder an Buchenwälder gebunden sind. Die wenigen Arten, die teilweise als Buchenwaldspezialisten wie etwa der Alpenbock (Rosalia alpina) oder der Berliner Prachtkäfer (Dicerca berolinensis) gelten, kommen auch an anderen Baumarten vor.

Bei den an Urwaldstrukturen gebundenen xylobionten Käfern im Hochspessart liegt die Buche in der Bedeutung extrem deutlich hinter der Traubeneiche, denn keine der dort nachgewiesenen "Urwaldreliktarten" kommt nur an der Buche vor. Wenn man indes Buchenwälder so definiert, dass alle Bestände mit mehr als 50 % Anteil der Buche hierunter fallen, können zwei Drittel der xylobionten Käferarten Europas in diesem Lebensraum zumindest gelegentlich gefunden werden. Zu betonen ist, dass so hohe Mischbaumartenanteile auf Normalstandorten nur durch eine intensive Waldpflege und Waldbewirtschaftung zu erreichen sind. In "naturnah bewirtschafteten" oder gar sich selbst überlassenen Buchenwäldern läge der Anteil der Mischbaumarten auf Normalstandorten in den meisten Regionen deutlich unter 5 %, ja zum Teil unter 3 %. Der Vergleich mit im natürlichen Umfang, d. h. weitgehend vollständig von der Buche dominierten Beständen fällt ernüchternd aus. Viele xylobionten Arten sind obligat an Reifungsfraß an bestimmte Blütenpflanzen gebunden, der im Umfeld ihres Brutbaumes möglich sein muss. Nur "in Spurenelementen" beteiligte Mischbaumarten und ein Mangel an Besonnung und Blütenpflanzen sind für viele Arten keine Grundlage für ein Vorkommen.

Bewohner des Blattraumes

Die Buche ist als Wirtsbaum für blattfressende und -bewohnende Tierarten eher im unteren Durchschnitt der Artenzahlen angesiedelt. Dies gilt insgesamt gesehen - und auch bei den meisten Artengruppen. Die Autoren Bußler und Goßner nennen für die Gattung Fagus 275 phytophage Arten und 44 Spezialisten, wobei diese Werte eher nach unten zu korrigieren wären. Zusammen mit der Tatsache, dass natürliche Buchenwälder überdurchschnittlich arm an Mischbaumarten sind, ergibt sich ein eher unterdurchschnittlich artenreicher Wald.

Immerhin 62 Schmetterlingsarten (ohne Kleinschmetterlinge) nennen Bastian et al. als Arten, die in Baden-Württemberg zumindest gelegentlich an der Buche gefunden worden sind. Die Artenzahl der in Buchenwäldern vorkommenden Schmetterlinge liegt dennoch deutlich unter jenen von Eichen, Birken, Weiden und Pappeln. Wittland et al. fanden bei intensiven Erhebungen von Schmetterlingen auf einer zunächst als Naturwaldreservat und somit seit einem halben Jahrhundert ungenutzten Buchenwaldfläche im heutigen Nationalpark Eifel nur einen relativ geringen Anteil von Arten, die für Buchenwälder charakteristisch sind, beziehungsweise von gefährdeten oder seltenen Arten.

Die meist eher kühl-schattigen Buchenwälder sind kein bevorzugter Lebensraum der meisten Tagfalter-Arten. Für Nachtfalter und Kleinschmetterlinge ist dies anders zu bewerten. So sind einige Kleinschmetterlinge mehr oder weniger vollständig an Buchen gebunden. Dennoch sind Buchenwälder mit deutlich längerer Vegetationstradition reicher an monophagen Arten; und vor allem auch Heimat von endemischen Arten.

Für manche Artengruppen des Kronenraumes wie die Zikaden sind Buchenwälder als Lebensraum nahezu vollständig ungeeignet. Nur fünf Zikaden-Arten kommen an Buchen vor, davon kein Buchenwaldspezialist. Eine Situation, die sich beispielsweise von Eichenwäldern stark unterscheidet. Auch unter den Blattflöhen ist keine einzige Art, die an Buche vorkommt. Netzflügler sind in Buchenwäldern ebenfalls eher artenarm vertreten und die Vielfalt sinkt deutlich, wenn die Mischbaumarten durch Konkurrenzunterlegenheit gegenüber der Buche verschwinden. Die Vielfalt an Wanzenarten in den Buchenwäldern im Nationalpark Hainich hängt an Mischungsverhältnissen, wie sie nur durch forstliche Förderung von Mischbaumarten entsteht; sie ist in extrem buchendominierten Beständen erheblich niedriger.

Wie bei vielen anderen Gattungen finden sich strenge Buchenspezialisten vor allem unter den weiteren Blattbesiedlern. Anzuführen wären hier etwa die Buchenblattgallmücke (Mikiola fagi), die Buchengallmücke (Hartigiola annulipes) oder auch die Buchenblattlaus (Phyllaphis fagi) sowie der Buchenspringrüssler (Orchestes fagi). Die Liste von Buchen-besiedelnden phytophagen Käfern ist gemessen an ihrer weiten Verbreitung kurz. Kein einziger heimischer Blattkäfer ist auf die Buche spezialisiert.

Wirbeltiere, Pilze und Pflanzen

Unter den Wirbeltieren sind keine Buchenwaldspezialisten vertreten, auch wenn manche Arten durchaus Höhlen in Buchen präferieren, da ihre oft langen, astfreien, wenig rauen Stämme Räubern wenig Möglichkeit zum Klettern bieten. In diese Kategorie fallen der Schwarzspecht (Dryocopus martius) als Baumeister dieser Höhlen ebenso wie die Hohltaube (Columba oenas) und der Siebenschläfer (Glis glis) als anspruchsvolle Nutzer derselben.

Pilze sind eine Gruppe, die Buchenwälder mit vielen Arten für sich erschlossen haben. Nach Auswertungen aus bayerischen Naturwaldreservaten besitzen dennoch nur 20 Arten eine enge Präferenz für Buchenwälder - davon sieben Arten eine weitgehend enge Bindung an die Buche. Dabei handelt es sich vor allem um Arten, die zu den ersten Zersetzern von Ästen und Zweigen zählen. Insgesamt sind nur wenige an Buchen gebundene Spezialisten unter den Pilzen zu finden, was an der geringen "Hürde" liegt, die das unverkernte Buchenholz für jene Arten darstellt, die es aufschließen wollen.

Es gibt keine Pflanzenart, die streng an Buchenwälder gebunden ist. Insbesondere Moose fehlen in der Bodenvegetation weitgehend, weil sie die jährliche Überdeckung mit schlecht zersetzbarem Laub nicht vertragen. Dicke Laubstreulagen über Moderhumus und Lichtarmut reduzieren die Möglichkeiten für basiphile ebenso wie für lichtliebende Arten. Moose und Flechten des Kronenraums sind vor allem in älteren Bestandsstadien zu finden, wenn die Buchenrinde etwas rauer wird. Buchenspezialisten sind darunter ebenfalls nicht.

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend sind nicht etwa besonders viele, sondern sogar besonders wenige Arten an Buchenwälder speziell angepasst oder auf sie streng angewiesen. Unsere Buchenwälder sind also extrem arm an treuen Arten, also an Buchenwaldspezialisten. Dies steht im Kontrast zu anderen Teilen Europas, in denen Buchenwälder die Eiszeiten überdauert haben. Unter diesem Gesichtspunkt ist es schlichtweg falsch, im mitteleuropäischen Waldnaturschutz Buchenwäldern eine besondere Stellung oder eine besonders hohe Verantwortung zuweisen zu wollen, nur weil sie eine ursprünglich besonders weite Verbreitung aufweisen und wir an ihrem europäischen Areal einen relativ großen Anteil haben. Zumal nicht unstrittig ist, welche Rolle der Mensch bei der Ausbreitung und Erlangung der Dominanz der Rotbuche in Mitteleuropa hatte.

Ein Gedankenspiel soll die Konsequenz aus dieser Erkenntnis verdeutlichen. Wir sind vor die Aufgabe gestellt, eine „Arche Noah 2.0“ mit fünf Schiffscontainern zu beladen, die fünf Ausschnitte bestausgeprägter heimischer Waldgesellschaften enthalten, die zusammen die gesamte heimische Waldartenvielfalt abdecken sollen. Zur Auswahl stehen Au- und Bruchwälder, ferner Moorwälder, Schluchtwälder, Eichenwälder, Hochlagen-Nadelwälder und schließlich Buchenwälder; und wir müssen aus Platzgründen in diesem Gedankenspiel einen Container zurücklassen, wollen dabei aber keine Art opfern. Der Container, der am Pier zurückbliebe, wäre dann aber ausgerechnet der mit dem Buchenwald, weil er schlichtweg keine "Alleinstellungsarten" beherbergt - im Gegensatz zu allen anderen Waldgesellschaften.

Ähnlich ist es mit der Artenzahl insgesamt. Es kommen, wenn man die in die Wälder eingebetteten Sonderstandorte wie Feuchthabitate und Felsen abzieht, auch nicht besonders viele Arten in hiesigen Buchenwäldern vor. Buchenwälder sind nicht ausgesprochen artenarm, zumindest bei den allermeisten Artengruppen, aber auch durchaus nicht überdurchschnittlich artenreich, wiederum von wenigen Artengruppen abgesehen. Die meisten anderen Laubwaldtypen wie die Eichen- und die Auwälder sind nicht nur reicher an gefährdeten Arten und Spezialisten, sondern auch insgesamt erheblich artenreicher.

Diese Darstellung soll ausdrücklich nicht Buchenwälder in ihrem naturschutzfachlichen Wert schmälern. Zahlreiche Arten werden regelmäßig in Buchenwäldern gefunden, darunter in unterschiedlicher Regelmäßigkeit auch seltene und gefährdete Arten sowie Arten, für die wir eine hohe Schutzverantwortung hätten. Nur könnten eben alle diese Arten auch in Deutschland überleben, wenn es hier gar keine Buchenwälder gäbe.

Dies ist ein rein hypothetisches Konstrukt und will niemand. Dieses Gedankenspiel und vorliegender Beitrag sollen aber helfen, in den letzten Jahren im populären Diskurs verschobene Maßstäbe wieder in das rechte Lot zu bringen. Unsere Buchenwälder sind als "Amazonswald Mitteleuropas" sehr irreführend apostrophiert.

Der echte Amazonaswald beherbergt zahllose Arten, die es nur dort gibt. Er ist derzeit durch Raubbau, der oftmals auch unsere Bedürfnisse und Ansprüche in Mitteleuropa nach billigem Rindfleisch, Tierfutter und "Biosprit" befriedigen hilft, einem starken Rückgang und tagtäglichem, unwiderbringlichem Aussterben zahlloser Arten ausgesetzt. Es ist auch deswegen schlichtweg sachlich falsch, unsere Buchenwälder in Mitteleuropa als "Amazonaswald Mitteleuropas" zu bezeichnen oder argumentativ deren Bedeutung und Situation mit jenem Wald auf eine Stufe zu stellen.

Wir brauchen und haben dennoch aus gutem Grund auch den Schutz von Buchenwäldern in allen sich bietenden Schutzkategorien, vom Landschaftsbestandteil bis zum Nationalpark, und dort müssen sie auf ausreichender Fläche alt werden dürfen; und das dürfen sie ja auch. Die nötige Geduld für diesen langwierigen, waldökologischen Prozess, der in vielen Naturwaldreservaten und den Nationalparken nach dem nötigen Vorlauf gerade erst beginnt, sollten wir aufbringen. Wir brauchen auf erheblicher Fläche aber auch die unterstützende Hand des Forstmanagers, der durch gezielte Eingriffe für Vielfalt sorgt, für mehr Licht im Wald, für die Förderung von Mischbaumarten und Unterwuchs. Eine sehr große Zahl von Artengruppen kann nur dann artenreich in Buchen und eben vor allem Buchenmischwäldern vorkommen, wenn auch dies gewährleistet ist.

Wichtig im Klimawandel ist vor allem auch ein Netzwerk, das den vielfach ausbreitungsschwachen Waldarten im Klimawandel Wanderungen erlaubt. Ein solches Netzwerk stellt Natura 2000 dar. Völlig zu Recht sind unsere Buchenwald-Lebensraumtypen alle in Anhang I der FFH-Richtlinie enthalten und sind ebenfalls völlig zu Recht, anders als Moor-, Schlucht- und Weichholzauwälder, keine prioritären Lebensraumtypen.

Buchenwälder haben in vielen Regionen durchaus einen hohen Wert als naturnaher Lebensraum, der gerade in nadelwaldbetonten oder sehr waldarmen Landschaften oft wichtige Refugien für viele Laubwaldbewohner bietet und unbedingt erhalten werden soll. Eine argumentative Überhöhung der Artenvielfalt der Buchenwälder läuft Gefahr, "des Königs neue Kleider" zum Gegenstand der Konversation zu machen. Zwar können in Buchenwäldern seltene und gefährdete Arten gefunden werden – etwa solche, die in Totholzstrukturen leben –, das trifft aber durchaus auch auf alle anderen Waldtypen Mitteleuropas zu - mit dem Unterschied, dass es in diesen Waldtypen zusätzlich diverse, auf diese angewiesene Spezialisten gibt. Jede artifizielle Überhöhung der Bedeutung eines Waldtyps führt relativ gesehen zur Schmälerung der Bedeutung anderer, de facto aber bedrohterer Schutzgüter und der relevanten Zusammenhänge. So ist für die Zukunft im Klimawandel an allererster Stelle ein Habitatverbund aus vielfältigen, gut ausgeprägten Waldlebensräumen entscheidend für den Erhalt der Biodiversität, auch speziell in Wäldern.

Auf einen Blick

  • Buchenwälder Mitteleuropas verfügen über sehr wenige, streng an diese Baumart oder Buchenwälder gebundene, sog. treue Arten; es ist der Waldtyp Mitteleuropas mit dem geringsten Maß der Spezialisierung der Arten
  • Auch die Gesamtartenvielfalt ist nicht überdurchschnittlich
  • Die verbreitete Überhöhung der Bedeutung von Buchenwäldern für die Biodiversität ist nicht gerechtfertigt