Spinnen eignen sich auf Grund ihrer hohen Arten- und Individuenzahl sowie ihrer oft arttypischen Biotopansprüche besonders gut als Indikatorgruppe für die Bewertung von Habitaten. Auf einer Kurzumtriebsfläche im oberpfälzischen Wöllershof, einem angrenzenden Acker und benachbarten Waldparzellen wurde über mehrere Jahre die Spinnenfauna erforscht. Besonders interessierte die Frage, ob sich innerhalb weniger Jahre waldtypische Spinnenarten auf der Kurzumtriebsfläche einstellen und inwieweit sich die Spinnenfauna im Hinblick auf das Ausgangsstadium "Acker" verändert. Darüber hinaus wurden die Auswirkungen der Ernte eines aufstockenden Energiewaldes auf die Spinnenzönose ermittelt.

Kurzumtriebsflächen, auch Energiewälder bzw. Schnellwuchsplantagen genannt, sind Flächen mit schnellwachsenden Baumarten, die in kurzen Umtriebszeiten von zwei bis zehn Jahren bewirtschaftet werden. Nach der zyklischen Ernte treiben die Bäume wieder aus (Stockausschlag) und können nach einigen Jahren erneut genutzt werden. Das Prinzip der schnellwüchsigen Baumarten ähnelt dem früher weit verbreiteten Niederwald. Im Unterschied dazu wird der Energiewald in der Regel auf stillgelegten landwirtschaftlichen Flächen angebaut und bei der Begründung züchterisch bearbeitetes Material von Pappel, Aspe und Weide verwendet. Kurzumtriebsflächen dienen vorwiegend der Hackschnitzel-Produktion zur Gewinnung von (Wärme-)Energie.

Spinnen (Arachnida: Araneae) kommen in allen terrestrischen Lebensräumen in großer Artenzahl vor. Allein in Deutschland sind über 1.000 verschiedene Spinnenarten bekannt. Auf Grund der spezifischen Ansprüche vieler Arten an bestimmte (Mikro-)Habitate und an spezielle Lebensraumanforderungen eignen sie sich besonders für die qualitative Charakterisierung von Groß- und Kleinlebensräumen. Anhand der Spinnenfauna lässt sich gut bewerten und dokumentieren, inwieweit unterschiedliche Faktoren (z.B. Änderung der Nutzungsintensität, Schadstoffimmissionen, Entwässerung, Sukzession etc.) Lebensräume beeinflussen bzw. verändern.

Versuchsanlage

Das acht Hektar große Untersuchungsgebiet Wöllershof liegt in der Nähe von Neustadt an der Waldnaab (Oberpfalz) und wurde 1992 auf ehemaligem Ackerland angelegt. Die Umtriebszeit betrug überwiegend fünf, auf einigen Teilflächen auch zehn Jahre. In den Jahren 1995, 2000 und 2006 wurden Fallen auf der Fläche (ausschließlich in Pappeln der Mehrklonsorte Max) ausgebracht. Im benachbarten Acker (Weizen) wurden 1995 und 2000 ebenfalls Fallen installiert. 2006 wurden dort keine Fänge mehr durchgeführt, da die Ackerlandfauna dort als relativ statisch anzusehen ist. Zusätzlich wurden 2000 und 2006 in angrenzenden Fichtenwäldern Fallen aufgestellt, um Vergleiche zwischen den verschiedenen Lebensräumen im Hinblick auf die Sukzessionsentwicklung zu ermöglichen.

Die Fallen wurden von Mai bis Anfang November alle vier Wochen geleert und die gefangenen Spinnen bestimmt.

Ergebnisse der Aufnahmen

Insgesamt wurden in den drei Aufnahmejahren über 6.500 adulte Spinnen aus 156 Arten und 20 Familien bestimmt. Die arten- und individuenreichsten Familien waren die Linyphiidae (Zwerg- und Baldachinspinnen) und die Lycosidae (Wolfsspinnen). Die Fangsummen sind auf dem Acker am höchsten, was auf die zahlreichen Fänge aus der Familie der Linyphiidae zurückzuführen ist. Im Jahr 1995 entfielen von den 2478 gefangenen Spinnen 2096 Individuen auf diese Familie.

In Tabelle 1 sind die Anzahl und Verteilung der gefangenen Spinnen auf dem Acker im Jahr 1995 sowie die Fangzahlen auf der Kurzumtriebsfläche in den Jahren 1995, 2000 und 2006 aufgelistet. Darüber hinaus zeigt Tabelle 1 die Aufgliederung der Spinnenfänge nach Wald-, Offenland- und eurytopen (griech. "weit verbreitet") Arten. Wie nicht anders zu erwarten, dominieren auf der Ackerfläche die Offenlandarten. Auf der Energiewaldfläche nimmt ihre Zahl hingegen kontinuierlich ab, während die Zahl typischer Waldarten sowie eurytoper Arten ständig wächst.

Die Spinnenfauna der Energiewald-Versuchsfläche weist bereits von 1995 auf 2000 deutliche Veränderungen auf, diese Tendenz setzte sich auch im Jahr 2006 fort.

Gerichtete Sukzession

Von der Ackerfauna bis zum Stand der Versuchsfläche im Jahr 2006 lässt sich eine gerichtete Entwicklung der Sukzession deutlich erkennen. Arten mit Wald als Schwerpunktlebensraum, die aber insgesamt ein breites Lebensraumspektrum besiedeln, sind auf der Energiewaldfläche vorhanden. Sehr eng an den Wald gebundene Arten lassen sich aber nur in wenigen Exemplaren nachweisen.

Die Spinnenfauna auf der Kurzumtriebsfläche befindet sich in einem eigenständigen Stadium, das sich sowohl vom Acker als auch vom Hochwald deutlich unterscheidet, sich aber diesem immer mehr annähert. Störungstolerante Offenlandarten sind bereits nach vier Jahren weitgehend verschwunden. Gehölz- und Waldarten nehmen hingegen weiter zu.

Auf Grund der regelmäßigen Beerntung kann die Sukzession wahrscheinlich nicht bis zur eigentlichen Waldfauna fortschreiten. Denkbar ist auch, dass nach Abtrieb der Bäume einwandernde bzw. sich vermehrende Offenlandarten die Zönose zumindest kurzzeitig wieder verändern. Im weiteren Verlauf gehen diese Arten aber wegen der rasch zunehmenden Beschattung wieder zurück oder verschwinden ganz.

Ungeachtet des zwischenzeitlich zweimaligen Umtriebes des Energiewaldes schreitet die Fortentwicklung der Spinnenfauna auf der Versuchsfläche zu einer Gehölz- bzw. Niederwaldfauna hin fort. Im Jahr 2006 waren auch größere, für Wälder und Gehölze typische Spinnenarten (einige Lycosidae und Amaurobiidae) individuenreicher auf der Versuchsfläche zu finden. Möglicherweise werden größere Waldarten auf Grund der periodischen Störungen, die die regelmäßige Ernte des Energiewaldes hervorruft, nicht dieselben Dichten erreichen wie in Wäldern. Voraussichtlich kann sich aber nach vier bis fünf Umtrieben letztendlich eine niederwaldtypische Spinnenzönose entwickeln bzw. etablieren.

Die Ackerfauna setzt sich in der Regel aus ausbreitungsstarken, störungstoleranten und häufigen Arten zusammen. Wegen der im Vergleich zum Acker verminderten Bearbeitungsintensität im Energiewald können sich hier Arten ansiedeln und vermehren, die in der intensiver genutzten Kulturlandschaft weniger Lebensraum finden (z.B. in Brachen, Randstreifen und Hecken). Obwohl Kurzumtriebsflächen nicht als besonderes Reservoir für Rote-Listen-Arten gelten, bieten sie doch einen anspruchsvolleren Lebensraum als ein Acker.

Winterfänge

Im Winter 2006/07 wurden erstmals auch winteraktive Spinnen zur Bewertung der Sukzession auf der Versuchsfläche erfasst. Die Winterspinnenfauna war, teilweise auch bedingt durch das untypisch warme Winterwetter, sogar etwas artenreicher als im vorausgegangenen Sommerhalbjahr. In den Winterfängen dominierten Linyphiidae (Zwerg- und Baldachinspinnen) noch deutlicher als bei den vorherigen Untersuchungen. Die Winterfänge enthielten weitere 21 Arten und erhöhten damit die Gesamtartenzahl auf 177 Spinnenarten. Gesamt betrachtet zeigt sich eine deutlich größere Ähnlichkeit der Kurzumtriebsfläche zu den untersuchten Waldbereichen als zum angrenzenden Acker, was die bisherigen Ergebnisse aus den Sommer-Untersuchungen bestätigt.