Ökosystemdienstleistungen (ÖSD) sind als direkte und indirekte Beiträge von Ökosystemen zum menschlichen Wohlergehen definiert und beschreiben damit Mensch-Umwelt-Beziehungen. In wissenschaftlichen Arbeiten, Plänen und Programmen von Umweltwissenschaft und -politik haben ÖSD in den letzten 15 Jahren eine schnelle Verbreitung gefunden. Operationale Umsetzungen sind hingegen seltener, auch weil sie mit einer Fülle von Herausforderungen verbunden sind.

Obwohl meist von dem Konzept der ÖSD gesprochen wird, gibt es kein festgeschriebenes, einheitliches Regelwerk. Stattdessen gibt es ein ständig weiterentwickeltes Set verschiedener Prinzipien oder Werkzeuge, mit denen ÖSD je nach Fragestellung erfasst werden. Die Beziehung zwischen natürlichen und sozioökonomischen Systemen wird mit der ÖSD-Kaskade (Abb. 1) beschrieben: Aus biophysikalischen Strukturen und Prozessen des Ökosystems ergeben sich Funktionen, welche die Kapazität für die Bereitstellung von Leistungen schaffen.

ÖSD sind dann die tatsächlich vom Menschen in Anspruch genommenen Leistungen. Diese führen zu einem nicht mehr funktional mit dem Ökosystem verbundenen Nutzen, z. B. einem Produkt oder einer Erfahrung. Diesem kann ein individueller oder kollektiver, qualitativer oder quantitativer Wert beigemessen werden.

Ökosystemdienstleistungen und Waldfunktionen

Beim Vergleich von ÖSD mit den Waldfunktionen liegen einige Ähnlichkeiten auf der Hand. Beide stellen gesellschaftliche Ansprüche dar, die Unterteilung in versorgende, regulierende und kulturelle ÖSD entspricht den Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen. Außerdem ist in beiden Systemen die Lokalisierung über Kartierungen von besonderer Bedeutung. Die konzeptionellen Unterschiede lassen sich am besten mit den jeweiligen Entstehungsgeschichten veranschaulichen.

Die Waldfunktionen wurden in Deutschland ab Anfang der 1970er- Jahre kartiert und zuvor bereits über Jahrzehnte diskutiert; sie wurden exklusiv im Forstsektor - maßgeblich in Mitteleuropa - entwickelt und die Holzbereitstellung war stets von zentraler Bedeutung. Das Konzept der ÖSD ist hingegen vergleichsweise jung, wurzelt im Erhalt der Biodiversität und wird global von verschiedensten natur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen vorangetrieben. Vor diesem Hintergrund wurde das ÖSD-Konzept auf lokaler Ebene angewendet, um zu prüfen, welchen möglichen Mehrwert es in forstlicher Planung oder Kommunikation haben könnte. Als Untersuchungsgebiet dienten ein stadtnahes und ein stadtfernes Waldgebiet der Stadt Augsburg. Der Fokus lag auf den ÖSD und ihrem Nutzen bzw. Wert (rechter Teil der Kaskade), wobei eine monetäre Bewertung nicht angestrebt wurde.

Bereitstellung von ÖSD

Bei einem Auftaktworkshop mit lokalen Nutzergruppen wurden alle als wichtig erachteten ÖSD gesammelt, klassifiziert und gruppiert. Nach Prüfung gegenüber den ausgewiesenen Funktionen der aktuellen Waldfunktionspläne wurden 15 ÖSD ausgewählt (s. Tab. 1). Für jede dieser ÖSD wurde die Leistung quantifiziert und die Orte der Bereitstellung erfasst. Um eventuelle Schwankungen der ÖSD zu berücksichtigen, wurden nach Möglichkeit mittlere Werte für einen zehnjährigen Zeitraum (2006 bis 2015) ermittelt.

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die verwendeten Indikatoren sowie deren heterogene Datengrundlagen. Die Biodiversität wurde gesondert zu den ÖSD erfasst. Neben ausgewiesenen Naturschutz- und FFH-Gebieten, Biotop- und Artenschutzkartierungen waren das auch geförderte Flächen sowie Flächen mit Naturschutzmaßnahmen wie z. B. beweidete Waldflächen (Tab. 1). Die räumliche Zuordnung der ÖSD-Bereitstellung in Tabelle 1 ergibt sich zumeist aus den realen Eigenschaften der ÖSD. Bei komplexeren Leistungen wie Klimaregulation oder Lärmschutz hängt die Darstellung aber auch von Möglichkeiten der Modellierung und der Datenlage ab.

Es zeigen sich vier räumliche Muster (Abb. 2): Einige ÖSD wie Holzbereitstellung, Trinkwasserspende oder CO2-Bindung können dem forstlichen Bestand als traditionelle forstliche Behandlungseinheit aus der Forsteinrichtung zugeordnet werden. Andere, wie z. B. der Beitrag zur lokalen Klimaregulation außerhalb des Waldes, kann nur der gesamten Waldfläche zugewiesen werden. D. h., die klimatische Wirkung kann nicht weiter nach Bestandeseigenschaften wie Baumarten, Struktur oder Bestockungsgrad differenziert werden.

Die kulturellen Leistungen Erholung und Umweltbildung werden maßgeblich auf und entlang der Wege bereitgestellt. Als relevante Fläche der ÖSD-Bereitstellung wurden die tatsächlich genutzten Wege und der Bereich der Verkehrssicherungspflicht (angenommener durchschnittlicher Gefährdungsbereich 40 m) beidseitig entlang der Wege bestimmt. Diese Fläche dürfte den von den Waldbesuchern wahrgenommenen (und damit genutzten) Bereichen des Waldes weitestgehend entsprechen bzw. tendenziell sogar überschätzen.

Als letztes Muster gibt es die Bereitstellung von ÖSD in linienförmigen oder kleinflächigen Bereichen, die innerhalb der Bestände liegen können, wie z. B. die Flächen der Waldkindergärten als Teil der Umweltbildung, oder die sich über mehrere Bestände ziehen, wie z. B. ein Bodendenkmal in Form eines mittelalterlichen Damms als Teil des kulturellen Erbes.

Wenn alle Karten mit den Orten der ÖSD-Bereitstellung übereinandergelegt werden, ergibt sich die Anzahl der bereitgestellten ÖSD (Abb. 3). Im stadtnahen Waldgebiet finden sich gleichzeitig bis zu 13 der 15 erfassten ÖSD, im stadtfernen Waldgebiet maximal 10. Die mittlere Anzahl liegt in beiden Gebieten ähnlich bei 7,2 bzw. 6,8, das Minimum ist jeweils 3. Es zeigen sich deutliche räumliche Schwankungen der ÖSD-Anzahl; eine Häufung findet sich im zentrumsnahen, nordwestlichen Bereich des stadtnahen Waldes. Durch die Überlagerung der oben beschriebenen Muster pausen sich öfters die Flächen entlang der Wege durch, was durch die Ballung der kulturellen Leistungen Erholung, Umweltbildung und teilweise Landschafsbild hervorgerufen wird. Die auftretenden Strukturen haben dabei nur noch wenig mit den ausgewiesenen Beständen der Forsteinrichtung gemein.

Die Zusammensetzung der ÖSD ist hoch variabel. Gemeinsam auftretende ÖSD werden auch als ÖSD-Bündel bezeichnet und im Untersuchungsgebiet finden sich 272 verschiedene Kombinationen der 15 untersuchten ÖSD. Dabei zeigen sich Unterschiede zwischen den beiden Waldgebieten: Im stadtnahen Wald gibt es häufiger ÖSD-Bündel mit vielen kulturellen Leistungen und ohne Holzbereitstellung (im zehnjährigen Untersuchungszeitraum), während im stadtfernen Wald ÖSD-Bündel ohne kulturelle Leistungen die größte Fläche einnehmen.

Nutzung und Bedeutung von ÖSD

Die bisher gezeigten Ergebnisse ergeben eine auf lokalen Daten basierende, hochaufgelöste Karte dessen, was das Ökosystem Wald liefert. Um sich dem Nutzen für den Menschen und einer nicht monetären Bewertung der untersuchten ÖSD anzunähern, können unterschiedliche Indikatoren herangezogen werden (Tab. 2): Der erste Indikator beschreibt, zu welchen Kategorien des Wohlbefindens die ÖSD beitragen; sie können demnach Grundbedürfnisse, ökologische oder ökonomische Bedürfnisse befriedigen oder zum subjektiven Glück beitragen. Dabei gibt es diverse Überschneidungen, beispielsweise befriedigt Holz das Grundbedürfnis nach Rohstoffen oder Wärme, aber auch ökonomische Bedürfnisse. Nach Maslow gibt es eine Hierarchie der Bedürfnisse, der zufolge die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse wie Trinkwasser oder Nahrung der erste Schritt auf dem Weg zur Selbstverwirklichung ist.

Als weiterer Indikator dient der Ort des Nutzens (Tab. 2, Spalte 2). Die ÖSD kann direkt im Wald ("vor Ort"), außerhalb des Waldes oder ohne direkten räumlichen Bezug zum Wald ("entkoppelt") genutzt werden. Die meisten Leistungen werden in der näheren Umgebung oder vor Ort genutzt. Bei Leistungen wie CO2-Bindung oder Genressourcen ist der genaue Ort des Nutzens nicht zu bestimmen und damit entkoppelt. Umweltbildung, kulturelles Erbe oder Landschaftsbild können sowohl vor Ort als auch entkoppelt (z. B. in einem Fotoband) genutzt werden.

Das stofflich genutzte Holz zeigt die weiteste Verbreitung, die aber in der ersten Verwertungsstufe auch nicht über 100 km hinausreicht. Die Anzahl der Nutznießer ist der dritte Indikator (Tab. 2, Spalte 3). Für Genressourcen, Bodenschutz, kulturelles Erbe und Landschaftsbild konnten keine Nutzerzahlen ermittelt werden. Da die beiden untersuchten Waldgebiete verschieden groß sind, wurde die Anzahl der Nutzer jeweils auf 100 ha standardisiert. Beim Auftaktworkshop mit lokalen Nutzergruppen erfolgte neben der Auswahl der ÖSD auch eine Bewertung.

Spalte 5 der Tabelle 2 zeigt als vierten Indikator die Priorisierung der ÖSD in Prozent. Den höchsten Wert mit fast 40 % erreichen die ÖSD Erholung und Umweltbildung. Zuletzt stellen auch ausgewiesene Schutzgebiete einen Indikator dar, da sie einen hohen gesellschaftlichen Nutzen dokumentieren und lokalisieren (Tab. 2, Spalte 5). Der stadtnahe Wald in Augsburg ist ein altes Naturschutzgebiet (1940/1942), FFH-Gebiet (2016), Wasserschutzgebiet (1962) und wegen seiner außergewöhnlichen Bedeutung für Klima, Wasserhaushalt und Luftreinigung als Bannwald nach Art. 11 des Bayerischen Waldgesetzes ausgewiesen (1986). Der stadtferne Wald hat keine dieser Schutzkategorien.

Die fünf Indikatoren des Nutzens reichen von eher allgemeinen bis zu lokalspezifischen Zuweisungen. Auch wenn sie sehr verschiedenartig sind und nicht miteinander verrechnet werden können, ergeben sich in der Gesamtschau jedoch erkennbare Muster. Vor allem die herausragende Bedeutung des stadtnahen Waldes für das Wasser wird deutlich. Trinkwasser bedient ein elementares Grundbedürfnis, wird in Augsburg lokal bereitgestellt und hat eine sehr hohe Zahl von Nutznießern; zudem (oder auch deswegen) ist der Wald als Wasserschutzgebiet ausgewiesen. Der Wald trägt einerseits über die Sickerwasserspende direkt zur Wasserversorgung bei, andererseits wirkt er regulierend, weil er das Wasser reinigt und schützt. Da den Brunnen im stadtnahen Wald über den Grundwasserstrom viel mehr Wasser entnommen werden kann, als der Wald über das Sickerwasser bereitstellt, ist der Nutzen des Wasserschutzes nochmal größer, da fast die ganze Bevölkerung Augsburgs aus dem Wald mit sauberem Wasser versorgt wird.

Auch die anders gelagerte Bedeutung der Erholung wird ersichtlich: Sie befriedigt subjektive Bedürfnisse, wird direkt im Wald genutzt und hat im stadtnahen Wald ebenfalls eine sehr hohe Zahl von Nutzern. Beim Workshop wurden Erholung und Umweltbildung interessanterweise wesentlich höher als Wasserbereitstellung und -schutz bewertet, was mit der intuitiven und unmittelbaren Erfahrung der Erholungsnutzung erklärbar ist, die bei der Wasserversorgung so nicht gegeben ist.

Tabelle 2 macht auch die Schwierigkeiten deutlich, den Nutzen der Biodiversität zu fassen: Sie bedient unmittelbar ökologische Bedürfnisse, beeinflusst aber mittelbar auch alle anderen ÖSD und damit z. B. Grundbedürfnisse (wie etwa die Bereitstellung von Honig). Biodiversität kann direkt vor Ort in Anspruch genommen werden und überschneidet sich dann räumlich auch oft mit den kulturellen ÖSD. Als Anschauungsobjekt oder Reservoir für Gene und Arten kann Biodiversität aber auch entkoppelt wirksam werden. Eine Herleitung von Nutzern ist angesichts dieser Komplexität des Nutzens nicht möglich. Die frühe Ausweisung als Naturschutzgebiet und eine Fülle weiterer Kartierungen und Dokumentationen machen die einzigartige Rolle des stadtnahen Waldes für die Biodiversität jedoch deutlich.

Multifunktionalitat ≠ Multifunktionalitat

Beim Vergleich des stadtnahen und stadtfernen Waldes in Tabelle 2 zeigen sich sehr unterschiedliche Strukturen bei der Anzahl der Nutzer und den ausgewiesenen Schutzgebieten. Im stadtfernen Wald erfolgt keine Wasserentnahme, es gibt keine Hotspots der Biodiversität, die Erholungsnutzung ist wesentlich geringer und es sind keine Schutzgebiete ausgewiesen. Dafür zeigt die Zahl der Nutzer, dass im stadtfernen Wald die Bedeutung der versorgenden ÖSD, besonders von Holz als Material, und der regulierenden Leistungen CO2-Bindung und Lärmschutz höher ist. In Abb. 3 wurde bereits gezeigt, dass beide Waldgebiete eine hohe Multifunktionalität aufweisen, d. h. viele Leistungen gleichzeitig bereitgestellt werden. Die Unterschiede im Nutzen machen deutlich, dass die einzelnen Leistungen in einem ÖSD-Bündel nicht immer gleichwertig betrachtet werden können, sondern je nach Lage verschiedene Rangfolgen haben. Die multifunktionale Forstwirtschaft hat im stadtfernen Wald eine "klassische", an der Holznutzung ausgerichtete Ausprägung, während sie im stadtnahen Wald je nach räumlicher Lage primär an Wasserschutz, Erholungsnutzung und/oder Naturschutz ausgerichtet werden muss, allerdings ohne auf die Bereitstellung anderer Leistungen zu verzichten.

Schlussfolgerungen

Die angewendeten Elemente des ÖSD-Konzeptes bringen keine völlig neuen Erkenntnisse, helfen aber bei einer systematischen Betrachtung der Beiträge des Waldes zum menschlichen Wohlbefinden. Besonders im urbanen Wald können ÖSD dazu beitragen, die lokale Bedeutung der multifunktionalen Forstwirtschaft zu illustrieren. Der Aufwand für die Informationsbeschaffung ist jedoch erheblich. Das gilt für die Modellierung komplexer ÖSD wie z. B. Sickerwasserspende oder die arbeitsintensive Erhebung der lokalen Erholungsnutzung. Die eigenen Ergebnisse zur Erholungsnutzung machen auch die Unterschiede zur Waldfunktionsplanung deutlich: Letztere weist beide Waldgebiete fast vollständig als Erholungswald der Stufe I bzw. II aus, während die eigene lokalspezifische Untersuchung zeigt, dass es extreme räumliche Schwankungen der Intensität innerhalb der beiden Waldgebiete gibt und eine deutlich geringere Fläche, nämlich nur die Bereiche entlang der genutzten Wege, für die Erholung in Anspruch genommen wird. Die Muster der Bereitstellung von ÖSD in Abb. 2 und 3 zeigen, dass der Waldbestand als traditionelle, operationale Einheit durch die ÖSD gesprengt werden kann. In einem Bestand können mehrere ÖSD-Bündel mit eventuell verschiedenen Rangfolgen der einzelnen ÖSD liegen. Im forstlichen Management verlangt das kleinräumige Lösungen, die besonders bei gegenläufigen ÖSD (Trade-offs) eine waldbauliche Herausforderung sind. Gezielte waldbauliche Konzepte oder Strukturvielfalt wirken sich zwar grundsätzlich positiv auf die ÖSD-Bereitstellung aus, lösen aber nicht unbedingt Trade-offs im einzelnen Bestand.

Häufig wird der Begriff ÖSD mit der Bezahlung von bisher kostenlos bereitgestellten Leistungen assoziiert. Auch hier zeigt die Untersuchung, dass eine lokale monetäre Bewertung nur mit hohem Aufwand möglich wäre. Neben der Quantifizierung der ÖSD und der Identifikation der Anzahl der Nutzer müssten noch zusätzlich (lokale) Zahlungsbereitschaften ermittelt werden. Für ÖSD erscheint es deshalb eher praktikabel, sich einer Bezahlung über betriebliche Mehraufwendungen und Mindererträge anzunähern.