Hohe Stickstoffeinträge und Ozonkonzentrationen gehören zu den bedeutendsten vom Menschen verursachten Belastungsfaktoren für den Wald.
Die Wirkungen dieser Belastungen sind vielfältig. Die folgenden Auswirkungen werden von Experten in Zusammenhang mit der Überdüngung mit Stickstoff gebracht:
- Störungen im Ernährungszustand der Bäume: N-Überschüsse können die Aufnahme anderer Elemente wie zum Beispiel Magnesium hemmen, was zu Unterversorgungen führen kann.
- Geringeres Wurzelwachstum, insbesondere weniger Feinwurzeln. Das wiederum führt zu Kronenverlichtungen, höherer Anfälligkeit der Bäume gegen Windwurf und Trockenheit.
- Höhere Anfälligkeit der Bäume gegenüber Krankheiten und Schädlingen.
- Bodenversauerung. Diese führt zur vermehrten Auswaschung von Nährstoffen und damit zur Verarmung der Böden an wichtigen Pflanzennährstoffen wie Kalzium, Kalium und Magnesium. Im Extremfall werden giftige Stoffe wie Aluminium im Boden freigesetzt. Die Bodenversauerung führt zudem zur Abnahme der für die Durchlüftung, Entwässerung, Verrottung und Durchmischung der Waldböden wichtigen Regenwurmpopulationen.
- Abnahme der Artenvielfalt: Hohe Stickstoffeinträge fördern insbesondere das Wachstum von Brombeeren. Diese hemmen das Aufkommen von Jungwuchs.
Wie viel Stickstoff erträgt der Wald?
Abb. 2. Wo Nutztiere gehalten werden, entsteht unweigerlich Ammoniak. Deshalb kann die Landwirtschaft die Ammoniakverluste nur vermindern, nicht aber verhindern. Foto: Susanne Goldschmid/BAFU
Der so genannte Critical Load ("kritischer Eintragswert") an Stickstoff wird gemäss Bundesamt für Umwelt (BAFU) in über 80% der Wälder in der Schweiz überschritten. Der "Critical Load" ist jene Menge Stickstoff, die ein empfindliches Ökosystem wie einen Wald, ein Moor oder eine Trockenwiese erträgt, ohne Schaden zu nehmen. Sie beträgt für Wald in der Schweiz 10 bis 20 kg Stickstoff pro Hektare und Jahr. Standorte mit Einträgen von über 40kg N/ha und Jahr sind in den viehdichten Regionen der Schweiz keine Seltenheit.
Abbildung 3 zeigt die Überschreitung der Critical Loads von Wäldern. Die Überschreitung ist die Differenz zwischen der aktuellen Deposition und dem kritischen Eintragswert.
Abb. 3. Überschreitung der "Critical Loads" von Wäldern im Jahr 2000.
Wer emittiert welche Stickstoffverbindungen?
Stickoxide (NOx) und Ammoniak (NH3) sind die mengenmässig wichtigsten umweltrelevanten Stickstoff-Verbindungen, die emittiert werden. Lachgas wird in kleineren Mengen emittiert (Tab. 1). Die Landwirtschaft ist hauptverantwortlich für die Emission von Ammoniak-Stickstoff (NH3-N) und von Lachgas. Dagegen sind Haushalte, Verkehr, Industrie und Gewerbe für die Emission von Stickoxiden verantwortlich.
Schadstoff | aus Verkehr, Haushalten, Industrie und Gewerbe | aus Landwirtschaft |
Stickoxide (NOx), 1994 | 43'000 t/J | |
Ammoniak (NH3), 2000 | 3000 t/J | 41'000 t/J |
Lachgas (N2O), 1994 | 2 t/J | 8 t/J |
Wo entsteht Ammoniak in der Landwirtschaft?
Wo Nutztiere gehalten werden, entsteht unweigerlich Ammoniak. Deshalb kann die Landwirtschaft die Ammoniakverluste nur vermindern, nicht aber verhindern. Hofdünger enthalten etwa 10 bis 20% des Stickstoffs in Form von Ammonium (NH4+) und Ammoniak (NH3). Ammoniak entsteht, wenn die Ausscheidungen der Tiere mit Luft oder mit bereits mit Kot und Harn verschmutzten Flächen in Kontakt kommen. Dann wird das Ammonium durch das Enzym Urease in Ammoniak (NH3) umgewandelt. Ammoniak entsteht bei jeder "Station" der gesamten Hofdüngerkette: im Stall, im Laufhof und auf der Weide, bei der Hofdüngerlagerung und bei der Ausbringung (Abb. 4).
Abb. 4. Entstehung und Verfrachtung von Ammoniak. Quelle: AGRIDEA Lindau, BDU.
Der Löwenanteil des Ammoniaks geht bei Ausbringung verloren (Abb. 5). Knapp die Hälfte des emittierten Ammoniaks wird in einem Umkreis von 10 km wieder deponiert. Der Rest gelangt in höhere Luftschichten und wird zum Teil weiträumig verfrachtet.
Welche Faktoren beeinflussen die Höhe der Ammoniakverluste?
- Proteingehalt des Futters
Proteine sind für die Tiere lebenswichtig und deshalb unabdingbare Bestandteile des Tierfutters. Es gilt jedoch nur so viele Proteine zu verfüttern, wie die Tiere brauchen. Denn die Menge des im Harn ausgeschiedenen Stickstoffs hängt direkt von der Proteinmenge im Futter ab. Je mehr Protein über den Bedarf der Tiere hinaus verfüttert wird, desto höher sind die N-Ausscheidungen und damit auch die möglichen Ammoniakverluste. Fütterungspläne für die einzelnen Tierarten sind geeignete Hilfsmittel zur Berechnung optimaler Futterrationen. Praktische Überlegungen und Sachzwänge führen aber häufig dazu, dass sich die Betriebsleiter für unausgeglichene Rationen entscheiden. So ist zum Beispiel die Vollweidehaltung von Rindvieh ohne Zufütterung im Stall arbeitswirtschaftlich sehr interessant. Junges Weidegras ist aber sehr proteinreich und führt praktisch immer zu Überschüssen in der Ration. Ein anderer Grund für unausgeglichene Rationen sind die Futtermittelpreise. - Verschmutzte Oberfläche
Die Ammoniakemissionen nehmen mit der Grösse der durch Kot und Harn verschmutzten Fläche im Stall und im Laufhof stark zu. Hier besteht ein Zielkonflikt zwischen Tierwohl und Ressourcenschutz. Die Programme des Bundesamtes für Landwirtschaft für "besonders tierfreundliche Haltung (BTS)" und "regelmässiger Auslauf im Freien (RAUS)" verlangen die Haltung der Tiere in Laufställen und -höfen. Ställe, in denen sich die Tiere frei bewegen können, sind eindeutig tierfreundlicher und werden von den Konsumenten unbedingt gewünscht. Bezüglich Ammoniakverlusten ist dagegen der konventionelle Anbindestall wegen der geringeren verschmutzten Bodenfläche günstiger. Hier gilt es, bezüglich Gestaltung und vor allem bezüglich Reinigung der Ställe und Laufhöfe gute Kompromisse zu finden. - Temperatur
Die Freisetzung von Ammoniak nimmt mit steigender Temperatur stark zu. - Wind
Über mit Kot und Harn verschmutzten Flächen, Güllelagern und nach der Hofdüngerausbringung bildet sich eine Dunstglocke, die bis zur Sättigung Ammoniak aufnimmt. Wird die Dunstglocke durch Wind entfernt, kann die Luft erneut Ammoniak aufnehmen.
Bauern packen Ammoniakproblematik aktiv an
Die Landwirtschaft ist daran, ihre Hausaufgaben zu machen, Massnahmen umzusetzen und die Ammoniakverluste kontinuierlich zu reduzieren. So emittierte die Schweizer Landwirtschaft im Jahr 2000 bereits rund 20% weniger Ammoniak als noch 1990. Dies vor allem, weil weniger Tiere gehalten, die Tiere gezielter gefüttert und die Hofdünger mit moderner Technik gelagert und ausgebracht werden.
Einige Kantone (AR, BL, NW, OW, SH, SO, SZ ab 2007) fördern die Ausbringung der Gülle mit Schleppschlauchverteilern. Zudem müssen neue Güllegruben in den meisten Kantonen abgedeckt werden. Die meisten tierintensiven Kantone haben die Ammoniakproblematik in ihre Beratungsprogramme aufgenommen und tragen damit zur Sensibilisierung der Landwirte und Bäuerinnen bei. Einige Kantone haben Merkblätter an alle Bauernfamilien verschickt.
Trotz dieser erfreulichen Entwicklung wird ein grosser Teil der Wälder immer noch zu stark mit Stickstoff aus der Luft belastet. Die Konferenz der Landwirtschaftsämter der Schweiz (KOLAS) hat deshalb letzten Frühling Empfehlungen zur Reduktion der Ammoniakverluste aus der Landwirtschaft herausgegeben.
Ammoniak-Pilotprojekt im Kanton Thurgau
Der Kanton Thurgau ist daran, im Rahmen des mit der Agrarpolitik 2011 vorgesehenen neuen Programms "nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen" des Bundesamts für Landwirtschaft ein Pilotprojekt zur Reduktion der Ammoniakverluste anzupacken. Die übrigen Ostschweizer Kantone befassen sich ebenfalls mit der Thematik. Damit werden heute die Weichen zu einer effizienteren landwirtschaftlichen Produktion mit weniger Ammoniakverlusten gestellt.
Aktivitäten in der Innerschweiz
Die Innerschweizer Kantone sind daran, sich über die Emissionen in ihren Kantonen einen Überblick zu verschaffen. Die Kantone OW, NW, SZ, UR und ZG wollen die Reduktion der Ammoniakverluste gemeinsam anpacken. Sie werden dabei von den Erfahrungen aus dem Thurgauer Pilotprojekt profitieren. Der Kanton Luzern packt die Problematik im Rahmen des "Massnahmenplans Luft" an.
Tierbestände abbauen?
Die durchschnittlichen Tierbestände in der Schweiz nehmen seit langem kontinuierlich ab. Die Landwirtschaft geht davon aus, dass die Ammoniakverluste mit technischen Massnahmen genügend gesenkt werden können und ein rascherer Abbau der Tierbestände nicht nötig ist. Es gibt Kantone und Regionen, in denen sich die Tierhaltung konzentriert und deren Bestände zunehmen. In solchen Regionen (z. B. LU) wird weniger über einen Abbau der Tierbestände, als eher über deren Plafonierung diskutiert.
Empfehlungen an die Landwirtschaft zur Verminderung der Ammoniakverluste
- Bei der Fütterung
Proteinüberschüsse in der Fütterung vermeiden; Rindviehhaltung: In der Weideperiode gezielte Ausgleichsfütterung verfolgen; Schweinehaltung: Phasenfütterung, gezielte Wahl der Komponenten, Einsatz von N-reduziertem Futter.- Im Stall und Laufhof
Böden sauber und trocken halten; Harn muss rasch in ein gedecktes Güllelager abfliessen; Stallbereich im Sommer kühl halten; Benutzung des Laufhofs im Sommer einschränken; vermehrt Weiden.- Hofdünger-Lagerung
Güllelager abdecken (für neue Behälter obligatorisch); Gülle nur so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich rühren; offene Güllebehälter nach Möglichkeit im Sommer nicht benutzen.- Hofdünger-Ausbringung
Gülle verlustarm ausbringen, zum Beispiel mit dem Schleppschlauchverteiler; Gülle im Frühjahr und Spätsommer ausbringen; Gülle am Abend ausbringen; Gülle verdünnen; heisses, trockenes und windiges Wetter meiden; keine Gülle auf Brache und Stroh; Gülle- und Mistgaben