Am 6. August 2017 trat das Minamata-Übereinkommen über Quecksilber in Kraft, welches den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor vom Menschen verursachten Freisetzungen von Quecksilber und seinen Verbindungen zum Ziel hat. Der Wald ist dabei als eine vergleichsweise prominente Senke von Quecksilber bekannt. Im Holz ist Quecksilber verglichen mit Nadeln bzw. Blättern und Rinde zwar in sehr geringen Konzentrationen vorhanden; die im Holz enthaltene Menge Quecksilber ist aber deshalb relevant, weil das Holz im Wald insgesamt einen großen Anteil an dessen Biomasse darstellt.

Bestimmung von Quecksilber in Jahresringen

In den letzten Jahren konnte in Österreich am Institut für Waldschutz des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) eine Methode etabliert werden, die es ermöglicht, relative Veränderungen von Quecksilberemissionen über sehr lange Zeiträume zurückzuverfolgen. Eine der ersten Arbeiten zu Quecksilberbestimmungen in Jahresringen stammt von Hojdová et al. (2011). Lange war unklar, ob das in Jahresringen gespeicherte Quecksilber eher aus dem Wurzel-, dem Rinden- oder dem Kronenbereich eines Baumes stammt (Cooke et al. 2020). 

Inzwischen kann aber dank Isotopenanalysen als gesichert angesehen werden, dass das Quecksilber in Jahresringen ausschließlich aus der den Baum umgebenden Atmosphäre aufgenommen wird (McLagan et al. 2022). Bei einem Teil der Arbeiten, die zu Quecksilberbestimmungen in Jahresringen publiziert wurden, wurden Bohrkerne aus Baumstämmen verwendet und bei einem weiteren Teil Stammscheiben beprobt. In den meisten Fällen wurden die Quecksilbermessungen in Jahresringen in Abschnitten von Jahrfünften durchgeführt.

Durch die Beprobung der einzelnen Jahrgänge in jeweils vier verschiedenen Quadranten konnten wir im Zuge der Methodenentwicklung am BFW die Ergebnisse detaillierter darstellen und die Genauigkeit steigern. So können Unregelmäßigkeiten innerhalb eines Jahresringes gemittelt werden und die Verläufe der Quecksilberkonzentrationen mit der Zeit waren gleichmäßiger. Es wird vermutet, dass derartige Unregelmäßigkeiten durch mehrfach stattfindende Änderungen der Bedingungen in direkter Umgebung eines Baumes im Laufe der Jahre, wie zum Beispiel die umgebende Vegetation, zustande kommen können. Jedenfalls ermöglicht diese Vorgangsweise, gleichmäßige Verläufe von Quecksilberkonzentrationen in Stammscheiben über lange Zeiträume zu erhalten, auch wenn man einzelne Jahre beprobt.

Österreichisches Bioindikatornetz

Von entscheidender Bedeutung für erfolgreiche Methodenentwicklungen sind grundsätzlich Proben, die aussagekräftige Informationen erwarten lassen. Das Österreichische Bioindikatornetz wurde 1983 mit Blättern und Nadeln als passiven Akkumulationsindikatoren gestartet. Auf bis zu 1500 Punkten werden jährlich jeweils zwei Bäume beprobt und deren Assimilationsorgane auf 14 Elementgehalte analysiert (B, Ca, Cr, Cu, Fe, Hg, K, Mg, Mn, N, Ni, P, S und Zn).

Abbildung 1 zeigt die Quecksilbergehalte für die verschiedenen Standorte des Österreichischen Bioindikatornetzes für die Jahre 1986 (a), 1996 (b), 2006 (c) und 2021 (d). Man erkennt als grobe Tendenz über alle Standorte einen deutlichen Abfall der Quecksilbergehalte in Richtung der Gegenwart. Zusätzlich zu den international bekannten Quecksilberemissionsquellen wie Chloralkalielektrolyse, Zementproduktion und Kupferrecycling ist in Abbildung 1 auch eine österreichische Besonderheit, der Industriezweig Primäreisenproduktion aufgrund der erhöhten Quecksilbergehalte in österreichischen Eisenerzen, gut zu ersehen: Das liegt daran, dass das österreichische Erzvorkommen, welches in Linz und Donawitz verhüttet wird, im Vergleich zu anderen Erzen deutlich höhere Quecksilbergehalte aufweist.

Abb. 1: Quecksilbergehalte in Nadel- und Blattproben des Österreichischen Bioindikatornetzes. Dargestellt sind die Jahre 1986 (a), 1996 (b), 2006 (c) und 2021 (d).

Diese Informationen aus dem Österreichischen Bioindikatornetz gemeinsam mit der Bereitschaft der Landesforstdienste in Kärnten, Oberösterreich, der Steiermark und Tirol erlaubten es, qualitativ hochwertige Proben zu bekommen. Dies wiederum ermöglichte es, im Zuge der Methodenentwicklung und der weiteren Untersuchungen die Relevanz der Quadrantenbeprobung für die Quecksilberbestimmung in Jahresringen für gleichmäßigere Verläufe der Quecksilberkonzentrationen mit der Zeit zu verstehen.

In weiterer Folge konnten Ergebnisse von zwei untersuchten Stammscheiben aus Brückl in Kärnten mit Informationen des Betreibers einer Industrieanlage verglichen werden, wodurch die Aussagekraft der erhaltenen Konzentrationsverläufe zusätzlich untermauert wurde. Der Tiroler Landesforstdienst übermittelte drei weitere Stammscheiben, die aus der Umgebung einer Kupferrecyclinganlage in Brixlegg stammten. Während das Österreichische Bioindikatornetz hier einen Unfall mit extremen Quecksilberemissionen im Jahr 2015 in den stark erhöhten Gehalten in den Nadeln deutlich detektierte, wurde dies in den Jahrringen aus 2015 und 2016 höchstens angedeutet.

Andererseits waren aber die Werte einer Stammscheibe, die weit in das 18. Jahrhundert zurückreichte, sehr überraschend: Dort wurden im Jahrring von 1813 – also lange vor der Industriellen Revolution in Österreich – die bei Weitem höchsten Quecksilbergehalte in Jahrringen aus Österreich gemessen. Eine mögliche Erklärung dafür ist die lange Bergbau- und Verhüttungstradition von Silber- und Kupfererzen in der Gegend um Schwaz und Brixlegg.

Überblick über die bisherigen Quecksilberbestimmungen

In Summe hat sich herausgestellt, dass sich mit dieser Methodik relative Veränderungen der Quecksilberkonzentrationen in der Luft sehr lange zurückverfolgen lassen. Die Höhe der Quecksilberkonzentration in Stammscheiben kann von Faktoren wie der Entfernung von der Emissionsquelle, der Lage in oder gegen die Hauptwindrichtung oder der Vegetation in Richtung der Emission beeinflusst werden. Allerdings sind die relativen Veränderungen insgesamt sehr zuverlässig rückverfolgbar.

In Österreich wurden bisher Bäume an sieben Standorten untersucht (Tabelle 1). Diese Standorte stimmen mit jenen Gebieten in Abbildung 1a (Jahr 1986) überein, wo im Österreichischen Bioindikatornetz deutlich erhöhte Quecksilberimmissionen festgestellt wurden. In einem Fall war dies nicht zutreffend, nämlich auf dem Standort Gmunden. Dort wurden in einem Zeitraum seit 1970 keine erhöhten Immissionen in der entnommenen Stammscheibe gemessen. 

Seit 1986 liegen auch die Quecksilberwerte aus dem Österreichischen Bioindikatornetz für dieses Gebiet vor: Beide Ergebnisse, aus der Stammscheibe und aus dem Österreichischen Bioindikatornetz, zeigten übereinstimmend keine nennenswerten Quecksilberbelastung für diese Periode. Grundsätzlich ist die Liste von Punktquellen im Annex D des Minamata-Übereinkommens auch ein guter Anhaltspunkt; dort werden Kohlekraftwerke, kohlebefeuerte Industrie-Boiler, Schmelz- und Röstprozesse von Nichteisenmetallen, Müllverbrennungsanlagen und Produktionsanlagen für Zementklinker als mögliche Punktquellen für Quecksilber gelistet (United Nations Environment Programme 2019).

Tabelle 1: Liste der untersuchten Standorte in Österreich mit den bisher festgestellten Höchstgehalten
StandortMaximum
Hg (ppb)
Jahr des
Maximums
BaumartZahl untersuchter
Stammscheiben
Bezug
Kürnberg
bei Linz
9,91962FichteAusschnitte
zweier Stammscheiben

Unpublizierte Daten
aus Methodenentwicklung

Donawitz20,51970Fichte2Tatzber und Fürst
(2020)
Brückl81,51986Fichte2Tatzber und Fürst
(2020, 2021)
Brixlegg149,91813Fichte3Tatzber und Fürst
(2022)
GmundenkeineskeinesFichte1Tatzber und Fürst
(2022)
Wien,
Rosenhügel
10,11974Schwarz-
kiefer
1Tatzber und Fürst
(2022)
Unteres
Lavanttal
6,11983Fichte2 

 

Auffällig ist, dass die Primäreisenproduktion, wie in Donawitz, im Annex D des Minamata-Übereinkommens nicht gelistet ist. Das ist ein gutes Beispiel für einen Industrieprozess, der dort eine Ausnahme darstellt und nur aufgrund überdurchschnittlich quecksilberhältiger Erze als eine österreichische Besonderheit für die Quecksilberimmissionen relevant ist. Besonders hierfür war das Österreichische Bioindikatornetz als Informationsquelle wertvoll.

Das Ergebnis der Stammscheibe aus der Umgebung von Gmunden zeigt, dass Standorte der Zementindustrie Quecksilber in unterschiedlich hohen Konzentrationen emittieren dürften. Selten sind in der internationalen Literatur Daten über Quecksilberbestimmungen in Jahresringen aus urbanen Gebieten zu finden. Die Stammscheibe vom Rosenhügel in Wien zeigt, dass solche urbanen Gegenden durchaus leicht erhöhte Quecksilbergehalte in der Vergangenheit zeigen können. Gründe dafür können sowohl eine in räumlicher Nähe befindliche Müllverbrennungsanlage sein, wie auch Hausbrand, speziell wenn mit Kohle geheizt wird.

Weitere aussagekräftige Standorte

Wie in Abbildung 4 ersichtlich, gibt es in Österreich nach wie vor einige Gegenden, in denen Untersuchungen von Quecksilbergehalten in Stammscheiben aussagekräftige Ergebnisse über die relativen Veränderungen von Immissionen erwarten lassen. Beispiele dafür sind die frühere Chloralkalielektrolyse bei Hallein, das westliche Niederösterreich um Amstetten, das Grazer Becken sowie eventuell das Gebiet um Kirchbichl und Eiberg (Bezirk Kufstein).

Somit hat sich für das Österreichische Bioindikatornetz neben seinen Kernagenden, wie in Fürst (2019) detailliert beschrieben, ein weiterer bedeutsamer Nutzen als eine extrem wertvolle Informationsquelle für die Methodenentwicklung für Quecksilberbestimmungen in Jahresringen mit der Quadranten-Methode erwiesen. Es ermöglichte die Identifikation von Standorten mit vergleichsweise erhöhten Quecksilberemissionen und folglich die Werbung qualitativ hochwertiger Proben.

Seit der Etablierung dieser Methode für Quecksilberbestimmungen in Jahresringen mittels Quadrantenmittelung ist es nun möglich, gezielt Punkte auch weit vor 1983 zu untersuchen. Eine Stammscheibe aus Brixlegg hat dabei gezeigt, dass das Quecksilber über extrem lange Zeiträume bestimmbar bleibt. In erster Linie liegt es am Alter der Stammscheibe, welche Zeiträume mit dieser Methode untersucht werden können. Die Methode eignet sich somit auch für die Analyse der Belastung aus historischen Emissionsquellen, die im Bioindikatornetz keinen Niederschlag mehr finden.