Derzeit herrscht eine große Unsicherheit darüber, in wieweit sich der prognostizierte Klimawandel auf die biotischen und abiotischen Schäden im Wald auswirken könnte. Der neueste Bericht des Weltklimarates (IPCC) geht von einer Zunahme von Wetterextremen aus, worunter auch eine Zunahme von Starkwindereignissen fallen könnte. Allerdings ist eine Zunahme der Windgeschwindigkeiten in den letzten Jahren nicht überall in Europa nachweisbar. Die Statistiken über den Anfall zufälliger Nutzungen in den Wäldern Baden-Württembergs belegen insbesondere seit den Stürmen Vivian und Wiebke einen deutlichen Anstieg der nicht planmäßig durchgeführten Nutzungen im öffentlichen Wald. Auch Schelhaas et al. (2003) weisen eine generelle Zunahme von Schadholz für die Wälder Europas in den letzten Jahrzehnten nach. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es anhand einer Fallstudie zu demonstrieren, worauf bei der Erfassung und Bewertung von Risiko geachtet werden sollte.

Ziele der Risikoanalyse

Ziele der Risikoanalyse sind zunächst die Identifikation der wesentlichen Schadfaktoren (Sturm, Schnee, Insekten, Fäule usw.). Danach wird die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Ausmaß analysiert und prognostiziert. Während Ersteres, mit Ausnahme der äußerlich nicht erkennbaren Schäden (z. B. Fäulebefall) im forstlichen Bereich kein größeres Problem darstellt, ist die Herleitung von quantitativen Parametern, eine aufwändige und komplexe Aufgabe. Dies gilt umso mehr, wenn es darum geht, diese Quantifizierung für sich ändernde Rahmenbedingungen, z. B. in Bezug auf das Klima, vorzunehmen. Dies erfordert in der Regel die Einbindung von klimarelevanten Parametern in die Risikomodelle. Hinzu kommt, dass die Datengrundlage für eine fundierte Risikomodellierung häufig denkbar schlecht ist. Im Betriebsvollzug wurden in Baden-Württemberg laufende Risikoanfälle lange Zeit oftmals nur auf Abteilungsebene verbucht. Dies erschwert eine detaillierte Risikoanalyse, da die den Schaden erklärenden Variablen wie Standortseinheiten, Baumartenverteilung, Vorrat, Bestandeshöhen usw. über größere, inhomogene Flächen gemittelt werden müssen und damit an Trennschärfe verlieren. Nach großen Schadereignissen wie den Stürmen von 1990 oder 1999, die eigentlich in großem Umfang wertvolles Datenmaterial für die wissenschaftliche Analyse der Schadereignisse liefern, ist die betriebliche Arbeitskapazität bei der Bewältigung der Katastrophe derart gebunden, dass häufig keine Zeit mehr für eine Analyse des Schadereignisses bleibt. Die Aufarbeitung beschränkt sich damit auf die Analyse von Teilaspekten oder auf einzelne Fallstudien (z. B. Hinrichs 1994, König 1995, Aldinger et al. 1996).

Methoden der Risikoanalyse

Als methodische Ansätze für die Risikoanalyse und -prognose stehen verschiedene Verfahren zur Auswahl. Expertensysteme basieren meist auf Literaturanalysen oder Expertenbefragungen und dienen dazu, Waldbestände und/oder Standortseinheiten Risikoklassen zuzuordnen. Hierbei wird das gespeicherte Expertenwissen durch heuristische Regeln verknüpft. Beispiele für solche Systeme in Mitteleuropa sind die von Rottmann entwickelten für die Einordnung von Waldbeständen auf ihre Anfälligkeit für Sturmschäden (Rottmann 1986) oder Schneebruch-/druckschäden (Rottmann 1985). Dass das Expertensystem von Rottmann kaum Eingang in die Praxis gefunden hat, ist wohl mit dem zumindest teilweise subjektiven Charakter der Herleitungsschlüssel für die Anfälligkeit bei verschiedenen Schadfaktoren zu erklären.

Die häufigste Methode Risiko zu erfassen, ist der Einsatz statistischer Modelle. Diese Modelle verwenden Daten von Schadereignisse, um Risikoanfälle zu prognostizieren oder um Bestände nach ihrer Anfälligkeit zu klassifizieren. Im Rahmen eines klassischen deterministischen Ansatzes werden dabei Übergangswahrscheinlichkeiten für Altersklassen und Bestandestypen auf definierten Standortseinheiten abgeleitet. Die Theorie hierzu wurde überwiegend von Suzuki (1971) entwickelt. Dieser Ansatz wurde in großem Umfang in fichtendominierten Wäldern Sachsens angewandt (Kurth et al. 1987).

Die Standardmethode Risiko für Wälder oder Waldbestände zu prognostizieren ist der Einsatz von Regressionsmodellen. Dabei wird der Schaden bzw. dessen Eintrittswahrscheinlichkeit (abhängige Variable) in Abhängigkeit von Eigenschaften der untersuchten Waldfläche (unabhängige Variablen) modelliert. Hierfür hat sich die logistische Regression insbesondere für die Prognose von Windwurfschäden als das Standardverfahren herauskristallisiert (Hinrichs 1994, König 1995, Fridman und Valinger 1998, Valinger und Fridman 1997,1999, Jalkanen und Mattila 2000, Mitchell et al. 2001). Diese Technik hat sich bei der numerischen Analyse von Einflussfaktoren, die für Sturmschäden relevant sind, bewährt. Die verschiedenen Einflussfaktoren (unabhängige Variablen), die in Studien untersucht und als relevant identifiziert wurden, variieren sehr stark. Hinrichs (1994) verwendet die Standard-Bestandes- und Standortsparameter wie Baumartenzusammensetzung, Mittelhöhe, Exposition, Stabilitätsindex (Standortseinheit) und Alter. König (1995) ergänzt diese durch den signifikanten Parameter "Windgeschwindigkeit". Fridman und Valinger (1998) verwenden Stammvolumen, Brusthöhendurchmesser, h/d-Verhältnis, Mittendurchmesser, Mittelhöhe, N/ha, G/ha, Volumenindex und Ertragsklasse. Das von Jalkanen und Mattila (2000) entwickelte logistische Regressionsmodell zur Abschätzung der Anfälligkeit von Kiefern- und Fichtenbeständen für Windschäden verwendet Mittendurchmesser, Bestandesalter, Art des waldbaulichen Eingriffs und die Jahrestemperatursumme als signifikante erklärende Variablen. Schlüsselvariablen im Modell von Mitchell et al. (2001) sind die Standortsqualität, die Ausrichtung der Bestandesränder, die Zeit bis zum letzten Eingriff und die topographische Exposition. Neuere Untersuchungen von Mayer et al (2005) zeigen, dass auch zunehmende Bodenversauerung zu einem Anstieg von Sturmschäden führen kann. Als Klassifikationsinstrumente für Sturmschäden ist die Treffsicherheit der Regressionsmodelle allerdings nicht immer hoch. Die Fähigkeit dieser Modelle Sturmschäden vorherzusagen sinkt vor allem dann, wenn die Zahl der geschädigten Bestände deutlich von der der ungeschädigten abweicht. Die Studie von Fridman und Valinger (1998) zeigt z. B., dass mit dem Datensatz, der für das dort konstruierte Modell verwendet wurde, der Anteil der geschädigten Bestände deutlich überschätzt wurde. Auch sind Modelle, die auf lokal begrenzten Studien beruhen, von geringer Erklärungskraft. Insbesondere dann, wenn sie sich auf die Hauptsturmschadensgebiete beschränken in denen häufig die Wind­geschwindigkeit so hoch und zugleich in ihrer räumlichen Verteilung chaotisch sind, dass es kaum gelingt, Zusammenhänge zwischen bewirtschaftungsrelevanten Parametern und Sturmschäden herzuleiten (Schütz et al. 2006). Abhilfe schaffen hier nur die Untersuchungen auf der Basis von Großrauminventuren (s. Beitrag von Kohnle et al. 2008).

Als Alternative zu den statistischen Modellen verwenden Hanewinkel et al. (2004) ein künstliches neuronales Netz für die Risikoprognose. Die Prognosefähigkeit des neuronalen Netzes übersteigt die der klassischen statistischen Ansätze insbesondere bei schwieriger Ausgangsdatenlage.

Neben Expertensystemen und statistischen Modellen wurden mechanistische oder empirisch-mechanistische Mo­delle wie HWIND (Peltola et al. 1999) oder FORESTGALES (Gardiner und Quine 2000) zur Risikoerfassung entwickelt und bereits miteinander verglichen (Gardiner et al. 2000). Diese Modelle, die auf die physikalischen Grundlagen von Sturmbruch oder -wurf zurückgehen, benötigen einen hohen Aufwand für die Datenerfassung und Modellierung. Mechanische Umzieh- oder Rüttelversuche ("tree pulling, dynamic forced rocking") sowie Versuche im Windkanal sind erforderlich, um die physikalischen Prozesse, die bei der Schädigung von Bäumen durch Wind auftreten, modellhaft zu erfassen. Dennoch sind wohl allein die mechanistischen Modelle in der Lage Auswirkungen unterschiedlicher waldbaulicher Eingriffe auf die Risikodisposition abzubilden.

Komponentenmodelle werden entwickelt, um die Risikoerfassung vom Einzelbaum bis auf ganze Waldlandschaften zu integrieren (Talkkari et al. 2000). Meteorologische Komponenten wie Windgeschwindigkeit oder die Modellierung von Luftströmungen (König 1995, Lekes und Dandul 2000) sollen die Leistungsfähigkeit der Modelle verbessern. Ansätze zur Risikomodellierung findet sich bei Miller et al. (2000). Dazu gehört auch das für Schweden von Blennow und Sallnäs (2004) entwickelte Modell WINDA. Ein Problem dieser Komponentenmodelle liegt darin, dass die wissenschaftlichen Möglichkeiten zur räumlich hochaufgelösten Darstellung von Windgeschwindigkeiten derzeit noch stark eingeschränkt sind (s. Beitrag von Kohnle et al. 2008).

Bewertung der Methoden

Fasst man die dargestellten Untersuchungen im Hinblick auf eine mögliche Verwendung für eine Risikomodellierung unter sich ändernden klimatischen Bedingungen zusammen, so kann festgestellt werden, dass Expertensysteme kaum geeignet sind, komplexe Zusammenhänge wie sich ändernde Ausfallswahrscheinlichkeiten von Einzelbäumen oder Waldbeständen unter sich ändernden klimatischen Bedingungen darzustellen. Am ehesten werden mechanistische Modelle in der Lage sein, detailliert Auskunft über Sturmwurf- oder Bruchgefahren von Einzelbäumen zu geben, da sie klimarelevante Einflussgrößen wie kritische Windgeschwindigkeiten enthalten. Ähnlich wie bei den Komponentenmodellen stellt sich hier auch die Schwierigkeit der räumlich hoch aufgelösten Darstellung von Windgeschwindigkeiten ein.

Statistische Modelle sind gut einsetzbar, wenn sie auf einer regional breiten Datenbasis erstellt wurden und damit großräumig einsetzbar sind. Ein Beispiel für ein solches Modell ist das im folgenden Beitrag von Kohnle et al. (2008) vorgestellte inventurbasierte Sturmschadensmodell. Um Trends der Schadentwicklung zu untersuchen bedarf es langer Zeitreihen. Diese Zeitreihen ermöglichen es, die Abhängigkeit von Schadfaktoren vom zeitlichen Anfall des Schadens zu untersuchen. Darüber hinaus wäre es vorteilhaft, wenn der Zusammenhang zwischen Schadfaktoren wie z. B. bei Insekten- und Sturmschäden modellhaft dargestellt werden könnte. In der folgenden Fallstudie werden die methodischen Ansätze, die zur Beantwortung dieser Fragen beitragen könnten, vorgestellt.

Fallstudie Südschwarzwald

In der vorliegenden Fallstudie, die im Rahmen des BMBF-Verbundprojektes "Zukunftsorientierte Waldwirtschaft" im Projektverbund "Südlicher Schwarzwald" durchgeführt wurde, wurde eine Zeitreihe von 77 Jahren von 1925 bis 2001 für vier Staatsforstbetriebe im Südschwarzwald auf einer Fläche von rund 12.000 ha untersucht (Abb.2).

Die Datenbasis umfasst Verbuchungsdaten der Naturalbuchführung, in der Nutzungen auf Abteilungsebene in jedem Jahr getrennt nach planmäßigen und zufälligen Nutzungen verbucht wurden. Die zufälligen Nutzungen wurden getrennt nach den Schadarten Sturm, Schneebruch und Insekten analysiert. Zusätzlich standen die periodisch erhobenen Daten der Forsteinrichtungsinventuren auf Bestandesebene sowie historische Forstkarten, eine digitalisierte Standortskarte und ein digitales Geländemodell zur Verfügung. Insgesamt wurden so mehr als 15.000 Datensätze analysiert.

Eine statistische Modellierung wurde in drei Schritten durchgeführt: Zunächst wurde die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit für den Gesamtschaden und die drei Schadfaktoren ermittelt. Dann wurde die Höhe des Schadenanfalls modelliert. Schließlich wurde die Abhängigkeit der Schadfaktoren vom zeitlichen Anfall des Schadens modelliert. Für die Modellierung wurden Techniken der logistischen Regression mit Standardregressionen und multivariaten autoregressiven Techniken kombiniert. Im Projektgebiet waren Kalamitäten für einen Schadensanfall von 3 m3/ha/Jahr verantwortlich. Abbildung 3 zeigt die Höhe der Schäden über den gesamten Beobachtungszeitraum.

Die Verteilung der Schäden über die Zeit sowie in Abhängigkeit von Bestandes- und Standortsparametern konnte mit einem mittleren quadratischen Fehler von 6,2 m3ha-1Jahr-1 modelliert werden. Neben Variablen wie zunehmender Vorrat und Höhenlage wirkten sich vor allem vernässende Standorte erhöhend auf die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit aus. Dies zeigt sich in Abbildung 4.

Auf die Höhe des Schadens wirkten sich vor allem Variablen wie zunehmender Fichtenanteil und die Zeit aus. Die Abbildung 5 zeigt eine Darstellung des ansteigenden Gesamtschadens im Untersuchungsgebiet über der Zeit.

Die Analyse von Autoregressionen zeigt, dass beim Gesamtschaden bereits geschädigte Abteilungen in einem Rahmen von 3 bis 4 Jahren mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit nochmals geschädigt werden, als ungeschädigte (Abb. 6 "total damage").

Durch eine Kreuzkorrelationsanalyse konnte nachgewiesen werden, dass größere Sturmereignisse typischerweise Käferschäden in einem Zeitraum von bis zu 6 Jahren zur Folge haben (Abb. 6 "storm vs. insects"). Größere Sturm- und Schneebruchereignisse haben die Tendenz, sich mit einer Frequenz von 10-11 Jahren (Abb. 6 "storm") bzw. 15 Jahren (Abb. 6 "snow") zu wiederholen. Diese Periodizität der beiden Schadfaktoren "Sturm" und "Schnee" wurde mit Hilfe einer Spektralanalyse bestätigt.

Schlussfolgerung

Die Zeitreihenanalyse von Schadereignissen kann zum Verständnis von forstlichen Risikoprozessen beitragen. Zukünftig soll getestet werden, ob mit der Methodik auf der Basis automatisiert erhobener Daten im Rahmen von FOFIS (forstliches Führungsinformationssystem) bzw. FOGIS (forstliches GIS) Risikomodelle als Bewirtschaftungshilfen für den gesamten Staatswald Baden-Württemberg hergeleitet werden können. Im Idealfall müssten die analysierten Schadverläufe für die unterschiedlichen Schadfaktoren mit klimarelevanten Parametern wie Temperatur, Windgeschwindigkeit usw. korreliert werden, um die langfristigen Trends auch unter verschiedenen Klimaszenarien fortschreiben zu können.