Das Baumwachstum unter geänderten Klimabedingungen ist zu einer grundlegenden Frage für die Waldbewirtschaftung geworden. Neben den direkten ökonomischen Folgen von Zuwachsänderungen sind die Ertragserwartungen auch bei der Baumartenwahl zu berücksichtigen.

Das Jahrringwachstum von Bäumen wird von einer Reihe von Parametern wie der Bestandesdichte, der soziologischen Stellung, der Baumart, dem Baumalter, der Baumgröße, eventuellen Schädigungen und den Standortsbedingungen bestimmt. Die Witterungsverhältnisse unterliegen deutlichen jährlichen Schwankungen. Deshalb ist es naheliegend, Unterschiede der Jahrringbreiten mit Witterungsvariablen wie Temperatur oder Niederschlagsmengen zu erklären. Seit den 1980er Jahren ist ein deutlicher Temperaturanstieg festzustellen, somit ergibt sich die Frage nach den Wachstumsreaktionen der Bäume auf klimatische Änderungen. Vielfach wird von einer Diversifikation der Zuwachsreaktion berichtet.

In einer französisch-österreichischen Projektkooperation zwischen dem Laboratoire d‘Inventaire Forestier (LIF) und dem Institut für Waldinventur des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) wurden die Wachstumstrends von Nadelbaumarten mit einem einheitlichen Analyseverfahren untersucht. Dabei ging es darum, die Zuwachstrends von Baumarten, Regionen und Seehöhenstufen anhand von Waldinventurdaten zu analysieren und zu vergleichen.

Aus beiden Inventuren wurden vergleichbare Datensätze ausgewählt und die Analysen auf gleichaltrige Reinbestände beschränkt, um die Einflüsse von Baumartenmischungen und Ungleichaltrigkeit auszuschließen. Die Anzahl an untersuchten Probeflächen und Stämmen sind in Tabelle 1 angegeben.

Zuwachsdaten der Österreichischen Waldinventur

Die Österreichische Waldinventur (ÖWI), das größte repräsentative Monitoringprogramm im österreichischen Wald, erhebt seit 1981 auf permanenten Probeflächen in periodischen, mehrjährigen Abständen umfangreiche Daten. Fünf Wiederholungsmessungen haben auf den Probeflächen inzwischen stattgefunden. Aus den Probestammmessungen können mehrjährige Zuwächse berechnet werden, nicht aber Jahrringbreiten einzelner Jahre. Deshalb werden von der ÖWI im Umfeld der Probeflächen zusätzlich Bohrkerne geworben.

Im Labor werden mit einem Digitalpositiometer die jährlichen Radialzuwächse gemessen. Damit liegen im Datensatz der Waldinventur Zuwachsdaten mit zwei unterschiedlichen zeitlichen Auflösungen vor: einerseits die mehrjährigen BHD-Zuwächse der Probestämme und andererseits die Jahrringbreiten der Bohrkerne. Während zu den wesentlich zahlreicheren Probestammmessungen viele weitere Baum-, Bestandes- und Standortparameter erfasst werden, liegen zu den weniger häufigen Bohrkernen auch deutlich weniger Zusatzinformationen vor.

Methodische Weiterentwicklungen

Schon vor einiger Zeit war es am BFW gelungen, beide Datengrundlagen zu kombinieren und das Jahrringmuster der Bohrkerne auf die mehrjährigen Zuwächse der Probestämme zu übertragen. Mit diesem methodischen Fortschritt eröffneten sich neue Möglichkeiten wie die Entwicklung eines klimasensitiven Waldwachstumsmodells auf Jahresbasis. Gleichzeitig wurde das statistische Verfahren zur Analyse von Zuwachsänderungen anhand von Waldinventurdaten am Laboratoire d‘Inventaire Forestier (LIF) in Frankreich wesentlich weiterentwickelt.

Aus dem beobachteten Wachstumsgang wird der Einfluss von Einzelbaum-, Bestandes- und Bodenparametern herausgefiltert, sodass die Wachstumstrends für Baumarten über Regionen oder Seehöhenstufen vergleichbar werden. Wichtig ist: Der Effekt der Witterung bleibt erhalten, sodass der Einfluss der klimatischen Variablen überprüft werden kann.

Unterschiedliche Zuwachsreaktionen

Die Ergebnisse machen Unterschiede sowohl zwischen den Baumarten als auch zwischen den Regionen sichtbar. Auffallend sind zunächst die verschiedenen Zuwachsniveaus der Baumarten (Abbildung 1).

Unterschiedliche Zuwachsreaktionen

Die Radialzuwächse der Fichte sind am höchsten und liegen im Durchschnitt bei 2,2 – 3,1 mm/Jahr, jene der Weißkiefer sind mit durchschnittlich 1,2 – 2,1 mm/Jahr am niedrigsten, und die der Lärche liegen dazwischen mit 1,4 – 2,6 mm/Jahr.

Die Lärche zeigt einen deutlichen Zuwachsrückgang im Untersuchungszeitraum, die Fichte insgesamt einen geringen Abwärtstrend. Der Zuwachs der Weißkiefer weist zwischen 1981 und 2017 keinen deutlichen Trend auf, wobei wie bei der Fichte die letzten Jahre bis 2017 nach unten weisen.Die Reaktion der Baumarten auf Witterungsextreme, wie zum Beispiel auf das Trockenjahr 2003, ist unterschiedlich. Während die Radialzuwächse von Fichte und Weißkiefer im Jahr 2003 am niedrigsten sind, reagierte der Zuwachs der Lärche kaum.

Besonders interessant sind die Wachstumsunterschiede der Fichte in den einzelnen Regionen (Abbildung 2).

In den Zentralalpen ist das Zuwachsniveau der Fichte mit durchschnittlich 2,4 mm/Jahr zwar niedriger als in den Randalpen (2,8 mm/Jahr) und im Mühl- und Waldviertel (3,0 mm/Jahr). Aber: Im Mühl- und Waldviertel ist der abnehmende Zuwachstrend am deutlichsten ausgeprägt, gefolgt von den Randalpen.

Vorboten zur Borkenkäferkalamität im Wald- und Mühlviertel?

In den Zentral- und Zwischenalpen liegt kein Trend vor. Die Vitalität der Fichte hatte offenbar schon seit mehreren Jahren in der von schweren Borkenkäferschäden betroffenen Region des Mühl- und Waldviertels abgenommen. Die Trockenjahre 2018 und 2019 hinterließen wahrscheinlich auch deshalb derart massive Spuren.

Deutlicher Einfluss der Seehöhe

Bei den Analysen trat der Einfluss der Seehöhe auf das Wachstum deutlich hervor: In den oberen Lagen fallen die Zuwächse geringer aus, in den tieferen Lagen höher. Bemerkenswert ist die Variabilität der Radialzuwächse, die in den Tieflagen unter 400 m besonders hoch ist und mit zunehmender Seehöhe abnimmt (Abbildung 3).

So variiert der Radialzuwachs in der untersten Seehöhenstufe zwischen durchschnittlich 2,2 und 4,0 mm/Jahr, hingegen verläuft der mittlere Radialzuwachs in der obersten Seehöhenstufe zwischen 1,5 bis 2,1 mm/Jahr.

Die Auswirkungen des Trockenjahres 2003 sind bis in die Seehöhen von 1300 m deutlich erkennbar, darüber hinaus jedoch kaum. Generell weist der Zuwachs der Fichte ausschließlich in der obersten Seehöhenstufe einen leicht ansteigenden Trend auf, das könnte eine positive Seite der Klimaerwärmung sein. Markant ist aber der Abwärtstrend des Zuwachses der letzten Jahre in den unteren Seehöhenstufen. Auch hier hat die bereits geschwächte Fichte die Dürreperioden der Jahre 2018 und 2019 besonders getroffen.

Lärche und Kiefer in den Alpen positiv

Während der Zuwachs der Lärche für ganz Österreich deutlich abnahm (Abbildung 1), ergab sich für den Radialzuwachs in den Zentral- und Zwischenalpen ein ansteigender Trend, der sich auf einem ähnlichen Niveau wie der Zuwachs der Fichte befindet. Vergleicht man hingegen Fichte und Weißkiefer in den Randalpen, sind deutliche Unterschiede im Zuwachsniveau und auch im allgemeinen Zuwachstrend sichtbar. Während die Fichte einen Rückgang verzeichnet, weist die Weißkiefer einen deutlich ansteigenden Zuwachstrend auf (Abbildung 4).

Ähnliches Bild in Frankreich

Für manche Baumarten wie die Fichte und die Douglasie nimmt der Zuwachs in den untersuchten Regionen Frankreichs ab (Abbildung 5).

Für die Fichte in Österreich trifft der Zuwachsrückgang ebenfalls zu, mit Ausnahme der alpinen Region ab 1600 m. Für die französischen Alpen liegen für die Fichte nur wenige Daten vor, diese weisen aber ähnlich wie in Österreich auf einen Zuwachsanstieg in den höheren Lagen hin. Einige Kiefernarten legen in ihrem Zuwachs im kälteren Bereich des französischen Verbreitungsgebietes zu.

Eine ähnliche Reaktion wurde in Österreich für die Lärche in den Zentral- und Zwischenalpen festgestellt. In den oberen Seehöhen können in beiden Ländern positive Zuwachstrends festgestellt werden: in Frankreich für die Weißkiefer, der häufigsten Nadelbaumart in den französischen Alpen, und in Österreich für die Fichte. Umgekehrt sind in niedrigeren Seehöhen rückläufige Zuwachstrends feststellbar, in Frankreich etwa für die Weißkiefer in den nördlichen Ebenen.