Forsthydrologisches Forschungsgebiet

Bereits 1972 wurde das Forsthydrologische Forschungsgebiet Reinhardswald am Rande des nordöstlichen Kassler Beckens eingerichtet.

Der Elsterbach entwässert am Messwehr ein 426 ha großes Einzugsgebiet. Das Gebiet weist einen Höhenabfall von 465 m auf 220 m ü. NN auf und ist zu 95 % bewaldet. Standorts- und Bestockungsverhältnisse sind typisch für das nordhessische Mittelgebirge. Der kleine Flusslauf fließt meist ruhig dahin, kann sich nach heftigen Regenfällen aber auch in einen reißenden Bach verwandeln. Er speist sich aus zwei Gewässerarmen, deren Quellgebiete geologisch sehr unterschiedlich sind. Der nordöstliche Arm (Teileinzugsgebiet 1, Elsterbach „staunass“) entspringt in den vom Buntsandstein dominierten, staunassen Plateaulagen. Er fällt in den Sommermonaten zeitweise trocken. Der nordwestliche Arm (Teileinzugsgebiet 2, Elsterbach „Basalt“) fließt dagegen dauerhaft aus dem von tertiären Tonen und Sanden sowie Basalt geprägten Gebiet, in dem tiefgründige, gut wasserdurchlässige und überwiegend eutrophe Böden vorherrschen.

Die Bestockung des Gesamteinzugsgebiets bestand vor den Schadereignissen zu 42 % aus Fichte, 39 % Buche, 6 % Eiche und 13 % sonstigen Baumarten. Im Teileinzugsgebiet 1 „staunass“ mit einer Größe von 131 ha dominierte vor dem Sturm „Friederike“ im Januar 2018 deutlich die Fichte mit einem Flächenanteil von 75 %. Das Teileinzugsgebiet 2 „Basalt“ (83 ha) war hingegen zu 81 % mit Laubholz bestockt, der Fichtenanteil betrug nur 19 %.

Zunahme von Kalamitätsflächen

Die Bestockung des Gesamteinzugsgebiets hat sich seit Januar 2018 durch den Sturmwurf „Friederike“ sowie massiven Borkenkäferbefall in den Folgejahren stark verändert. Die durch den Sturm entstanden Freiflächen waren im gesamten Einzugsgebiet mit insgesamt 4,3% der Holzbodenfläche noch vergleichsweise moderat. Durch massiven Borkenkäferbefall in den Folgejahren vergrößerte sich der Anteil kalamitätsbedingter Freiflächen an der gesamten Holzbodenfläche bis zum Herbst 2020 jedoch auf 17 %.

Der Anteil an stehendem Totholz lag 2020 noch bei 5 % der Holzbodenfläche des Gesamteinzugsgebiets, ein Jahr später war er bereits auf knapp 9 % angestiegen. Die Rolle von stehendem Totholz ist im Hinblick auf den Wasser- und Stoffhaushalt noch weitgehend unerforscht.

Auswirkungen auf die Gewässerqualität

Die Gewässerqualität des Elsterbachs (Wehr) und seiner Zuflüsse zeigen einen ausgeprägten saisonalen Verlauf. Ursache hierfür sind im Wesentlichen die unterschiedlichen Abflussmengen - niedrigere Abflüsse im Sommerhalbjahr, hohe Abflüsse im Winterhalbjahr. Bei den sommerlichen Abflüssen handelt es sich hauptsächlich um Wasser aus tieferen Bodenschichten und dem Grundwasser. Hohe Abflüsse im Winterhalbjahr oder ganzjährig nach extremen Starkregenereignissen speisen sich hingegen großenteils durch Wasser aus oberen, versauerten Bodenschichten.

Wie 14-tägliche Laboruntersuchungen belegen war die Nitratkonzentration mit Werten um 3 mg/l (Median) und Maximalwerten von 10 mg/l relativ gering. Diese Werte haben sich sehr verändert, so wurde im hydrologischen Jahr 2021 dann mit bis zu 22 mg/l Nitrat ein massiver Anstieg bei den Spitzenkonzentrationen beobachtet. Noch deutlicher war der Anstieg der Nitratkonzentrationen im Bachwasser des nordöstlichen Gewässerarms mit einem deutlich höheren Anteil von Kahlflächen als im Gesamteinzugsgebiet.

Verluste wichtiger Nährelemente

Ursache für den starken Anstieg dürften die Mineralisierungsprozesse auf den Kalamitätsflächen sein. Hieraus ergeben sich weitergehende Folgen: Das Anion Nitrat wird durch die basischen Kationen Kalium, Magnesium und Calcium sowie die sauren Kationen Aluminium und Mangan begleitet. Somit sind die steigenden Nitratkonzentrationen mit höheren Verlusten wichtiger Nährelemente oder einer stärkeren Lösung von Aluminium und Mangan verbunden.

Geringere Abflussmengen

Der Gebietsniederschlag betrug zwischen 1973 und 2005 im Mittel 783 mm, der mittlere Abfluss 246 mm. Das bedeutet rund 30 % des Niederschlags fließen im Mittel im Vorfluter ab. Während im hydrologischen Winter (November bis April) rund 48 % des Niederschlags fielen, flossen 70 % des Jahresabflusses in diesem Zeitraum ab.

Abb. 2 und 3: Gewässerarm Elsterbach „staunass“.  Links: Ausgetrocknet. Rechts: Kurzzeitig wasserführend nach Starkregenereignissen im Sommer. Fotos: Birte Scheler

Durch den großen Anteil zusätzlicher waldfreier Flächen und der hierdurch verringerten Interzeption und Transpiration wäre zu erwarten gewesen, dass ein höherer Anteil des Niederschlags im Elsterbach abfließt. Dies war in den beiden Jahren 2020 und 2021, für die lückenlose tägliche Abflussdaten vorliegen, jedoch nicht der Fall. In beiden Jahren war der Abfluss mit 20 % (2020) respektive 17 % (2021) des Niederschlags sogar sehr gering. Ursache hierfür dürfte die trocken-warme Witterung seit 2018 sowie die Niederschlagsverteilung mit geringen täglichen Niederschlagsmengen gewesen sein. So fielen in den hydrologischen Jahren 2020 und 2021 trotz durchschnittlicher Jahresniederschläge nur an vier bzw. zwei Tagen mehr als 20 mm Niederschlag.

Austräge mit dem Bachwasser

Durch das Fehlen des kühleren und feuchteren Waldinnenklimas kommt es auf Freiflächen zu einem raschen Abbau der Humusschicht. Da die Baumschicht fehlt und sich noch keine üppige krautige Vegetation entwickeln konnte, werden die beim Abbau freigesetzten Nährstoffe nicht von Pflanzen aufgenommen. Stattdessen werden sie mit dem Sickerwasser in tiefere Bodenschichten verlagert oder gelangen mit oberflächennahem Abfluss in den Elsterbach. Am deutlichsten zeigen sich die Folgen dieser Umsetzungs- und Auswaschungsprozesse im Gewässerarm „staunass“. Der Anteil an Kalamtätsflächen beträgt 47 % in diesem Teileinzugsgebiet. Die mittlere Nitrat- und Kaliumkonzentration im Bachwasser war 2021 dreimal so hoch wie früher. Die Mangan- und Aluminiumkonzentration war im Vergleich zum Beginn der 2000er Jahre ebenfalls erhöht, während die Calcium- und Magnesiumkonzentration weiter auf dem Niveau der frühen 2000er Jahre lagen.

Kohlenstoffverlust

Beim verstärken Abbau organischer Substanz auf Freiflächen wird außerdem Kohlenstoff freigesetzt. Er wird einerseits in Form von CO2 in die Atmosphäre abgegeben, anderseits in gelöster Form mit dem Bodenwasser in Richtung Grundwasser verlagert bzw. verlässt mit dem Bachwasser das Ökosystem. Bis 2003 wurde im Bachwasser kein Kohlenstoff analysiert. Ein Vergleich mit den Bächen eines zweiten forsthydrologischen Forschungsgebiets (Krofdorf in Hessen) zeigt jedoch deutlich höhere Konzentrationen von gelöstem organischem Kohlenstoff (DOC) im Elsterbach. Sie lag bei 6 mg/l (Median), die Spitzenkonzentrationen im Juli 2021 bei 14 mg/l. Im nordöstlichen Gewässerarm des Elsterbachs wurden sogar DOC-Konzentrationen von 14 mg/l (Median) bzw. 33 mg/l (Maximum) gemessen. Diese Ergebnisse zeigen, dass einige Auswirkungen der Kalamitäten „auf den ersten Blick“ nicht sichtbar, aber sehr wohl vorhanden sind.

Mehr Bildung von Nitrat

Die Ergebnisse aus dem langjährig untersuchten Forschungsgebiet Elsterbach belegen, dass großflächige Einflüsse auf die Waldstruktur Störungen im Stoffhaushalt verursachen und Nährstoffverluste nach sich ziehen. Ein wichtiger Schlüsselprozess ist in diesem Zusammenhang die vermehrte Bildung von Nitrat (Überschussnitrifikation) auf Grund des veränderten Kleinklimas auf Kahlflächen. Gleichzeitig nimmt die Vegetation weniger Stickstoff auf, da die Bäume fehlen. Erhöhte Nitratausträge können zum einen eine Belastung für das Grund- und Trinkwasser darstellen. Außerdem verursachen sie je nach Standort erhöhte Austräge der Nährstoffkationen Kalium, Magnesium oder Calcium sowie der sauren Kationen Aluminium und Mangan. Insbesondere auf sehr nährstoffarmen Standorten mit einer Basensättigung um 5 % über die gesamte Profiltiefe (wie sie im Teileinzugsgebiet 1 „staunass“ vorherrschend sind), sind solche Nährstoffverluste aus dem oberen Mineralboden für die kommende Waldgeneration sehr kritisch.

Seit Mitte der 1980er Jahre sind Säure- und Sulfatschwefeleinträge drastisch zurückgegangen. Aus diesen Gründen sowie geringer Abflussmengen in den Jahren 2021 waren am Wehr lediglich die Nitratausträge mit dem Bachwasser höher als in früheren Jahren.

Ausblick

Um genauere Daten zur Berechnung der Stofffrachten zu erhalten, wurde im Februar 2022 am Wehr des Elsterbachs eine Multiparametersonde eingebaut. Die Sonde erfasst stündlich die Nitrat-N- sowie DOC-Konzentration (gelöster organischer Kohlenstoff). Hierdurch wird es zukünftig möglich sein, die Nährstoffverluste genauer zu berechnen und Austragsspitzen zu erfassen.