Klimaangepasstes Waldmanagement

Unsere Wälder müssen an den Klimawandel angepasst werden, darüber ist sich die Forstwissenschaft einig. Im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz hat die Bundesregierung Zuwendungen über die Förderprogramme für ein Klimaangepasstes Waldmanagement bereitgestellt. Damit sollen Waldbesitzende beim Waldumbau hin zu stabilen, artenreichen und klimaangepassten Laubmischwäldern finanziell unterstützt werden. 

Um eine solche finanzielle Unterstützung zu bekommen, müssen sie jedoch übergesetzliche und über die bestehenden Zertifizierungen hinausgehende Kriterien für ein an das Klima angepasstes Waldmanagement erfüllen. Im Fokus stehen dabei standortheimische Baumarten. Sie sollen sowohl bei der natürlichen als auch mit der künstlichen Verjüngung überwiegend gefördert werden. 

Baumartenempfehlungen

Werden Baumarten künstlich verjüngt, sollen die geltenden Baumartenempfehlungen der Länder Verwendung finden. Falls solche nicht vorhanden sind, gelten die Empfehlungen der in der jeweiligen Region zuständigen forstlichen Landesanstalten (www.klimaanpassung-wald.de). Vor diesem Hintergrund bestand der Bedarf, für die vier Trägerländer der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) kommentierte Listen der standortheimischen Baumarten zu erstellen. Für Hessen und Schleswig-Holstein gab es bereits entsprechende Listen, die nochmals aktualisiert wurden, für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt wurden sie neu erarbeitet.

Was gilt als standortheimisch?

Als standortheimisch werden im Zusammenhang mit dem Klimaangepassten Waldmanagement die „Baumarten der potenziell natürlichen Vegetation an einem gegebenen Standort“ bezeichnet. Konkreter gefasst gelten (nach den Förderkriterien für das Klimaangepasste Waldmanagement PLUS), die „Haupt-, Neben- und Pionierbaumarten der potenziell natürlichen Vegetation“ als standortheimisch. Der Begriff der potenziell natürlichen Vegetation (PNV) geht auf Tüxen (1956) zurück. Bei der PNV handelt es sich um die Vegetation, die sich ohne Einfluss des Menschen unter den aktuell gegebenen Standort- und Lebensbedingungen (unter Einschluss aller irreversiblen anthropogenen Änderungen) schlagartig einstellen würde. 

 

Potenziell natürliche Vegetation ist nicht gleich Sukzession

Die Definition von Waldgesellschaften nach der potenziell natürlichen Vegetation (PNV) hat demnach hypothetischen Charakter. Diese Waldgesellschaften sind nicht gleichzusetzen mit natürlichen Waldgesellschaften, die sich am Ende einer real ablaufenden Sukzession einstellen.

Es erscheint daher zielführender, auf die Baumartenzusammensetzung der natürlichen Waldgesellschaften Bezug zu nehmen. Der Begriff der „natürlichen Waldgesellschaften“ ist umfassender als der der PNV und schließt alle Sukzessions- und Entwicklungsstadien einer Waldentwicklung und somit die Neben- und Pionierbaumarten mit ein.

Listen der standortheimischen Baumarten für Nordwestdeutschland

Gemäß dieser Definition wurden für Niedersachsen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein Listen der standortheimischen Baumarten erarbeitet (Tab. 1). Sie berücksichtigen die in der nacheiszeitlichen Entwicklung in den vier Bundesländern auf natürlichem Wege eingewanderten Baumarten der natürlichen Waldgesellschaften. Die Differenzierung zwischen Baum- und Straucharten (hier nicht berücksichtigt) erfolgt gemäß der Waldartenliste von Schmidt et al. (2011).

Nacheiszeitliche Rückwanderung wichtiger Baumarten

Nach dem Ende der letzten Eiszeit haben sich die waldbildenden Baumarten aus ihren südlichen Refugien wieder in Richtung Norden ausgebreitet. Dabei herrschten im heutigen Deutschland zunächst Kiefern-Mischwälder mit Birke und später mit Hasel vor. Die Wald-Kiefer (Abb. 1) wanderte, wie durch Pollenanalysen, Großrest- und Nadelfunde belegt ist, bereits im Spätglazial, vor etwa 12.000 Jahren nach Mitteleuropa ein oder hatte dort vielleicht sogar Refugien. Bevor die Kiefern-Mischwälder vor etwa 7500 Jahren von Eichen-Mischwäldern mit Ulme, Linde und Esche abgelöst wurden, hatte die Hasel gegenüber der Wald-Kiefer zunehmend an Dominanz gewonnen. Auch in der bis vor etwa 3000 Jahren andauernden Phase der Eichen-Mischwälder fanden Verschiebungen der Baumartenanteile statt. Zu den markantesten Ereignissen gehört dabei der Ulmen-Abfall, der sich im mittleren Deutschland auf die Zeit vor etwa 6000 Jahren datieren lässt, und mit dem eine Zunahme der Esche verbunden war. 

Massive Ausbreitung der Rotbuche

Nachdem die Rotbuche schon mehr als 2000 Jahre präsent war, breitete sie sich im mittleren Deutschland erst vor etwas mehr als 3000 Jahren massiv aus und erreichte das Gebiet des heutigen Bundeslandes Schleswig-Holstein etwa vor 1600 Jahren. Ihre Verbreitung (Abb. 2) und der damit verbundene Übergang zu vorherrschenden Buchenwäldern fallen in die späte Bronzezeit, eine Zeit, in der Ackerbau und Viehzucht einschließlich Waldweide bereits große Bedeutung hatten. Für die immer wieder geäußerte These, dass die nacheiszeitliche Wiederausbreitung der Rotbuche anthropogen gefördert worden sei, gibt es jedoch keine Belege. Gleichzeitig gingen die Anteile von Hasel, Eiche, Linde und Esche stark zurück und Buchenwälder lösten die Eichen-Mischwälder ab. Die Hainbuche wanderte recht spät vor rund 4000 Jahren ein.

Geringe Fichtenanteile

Die Gewöhnliche Fichte erreichte bereits vor rund 5800 Jahren den Harz. Für diesen Zeitabschnitt gibt es pollenanalytische Nachweise dieser Nadelbaumart auch aus Hessen, wo sie beispielsweise aus dem Taunus, dem Odenwald, dem Spessart, dem Vogelsberg und der Rhön in Pollenspektren belegt ist. Ihr Anteil von etwa 0,5 – 5 % der Baumpollen in den genannten Naturräumen wird von den meisten Pollenanalytikern (Palynologen) jedoch auf Ferntransport, beispielsweise aus dem Thüringer Wald, zurückgeführt. Mit der bereits oben dargestellten Einwanderung und massiven Ausbreitung der Rotbuche geht ein deutlicher Rückgang der Fichte in den Pollenspektren auf < 1 % einher. Die Weiß-Tanne drang im Rahmen ihrer nacheiszeitlichen Rückwanderung vor etwa 5000 Jahren von Süden und Osten bis unmittelbar an die Grenzen Hessens vor. Während sie sich im Thüringer Wald etablieren konnte, ist ein natürliches Vorkommen in der benachbarten hessischen Rhön nicht belegbar. Erhöhte Anteile der Tanne in Pollenspektren aus diesem Naturraum sind auf Ferntransport zurückzuführen. Somit sind für die Trägerländer der NW-FVA keine natürlichen Tannenvorkommen bekannt.

Liste der standortheimischen Baumarten

Anmerkungen zu einzelnen Baumarten

Ahorn (Acer)
Acer campestre: Der Feld-Ahorn fehlt von Natur aus in nordwestlichen Teilen des niedersächsischen Tieflandes. Da die natürlichen Grenzen jedoch unklar sind, wird er durchweg als standortheimisch bewertet.
Acer monspessulanum: In Hessen ist der Französische oder Felsen-Ahorn nur standortheimisch im Taunus, im Rheingau und in Teilen des Rhein-Main-Tieflandes.
Acer platanoides: Von Natur aus fehlt der Spitz-Ahorn in Teilen des Tieflandes von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Da die natürlichen Grenzen jedoch unklar sind, wird er durchweg als standortheimisch bewertet.
Acer pseudoplatanus: Von Natur aus fehlt der Berg-Ahorn in Teilen des Tieflandes von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Da die natürlichen Grenzen jedoch unklar sind, wird er durchweg als standortheimisch bewertet.

Alnus (Erle)
Alnus incana: Die Grau-Erle ist in Hessen nur in der Oberrheinebene standortheimisch. Im Harz (Niedersachsen, Sachsen-Anhalt) ist ihr Status unklar.

Birke (Betula)
Betula pubescens: Die beiden Unterarten B. pubescens ssp. pubenscens (Moor-Birke i. e. S.) und B. pubescens ssp. carpatica (Karpaten-Birke) kommen in allen Trägerländern vor, werden jedoch oft nicht unterschieden. Beide Unterarten werden hier durchgehend als standortheimisch bewertet.

Stechpalme (Ilex)
Ilex aquifolium: Die Stechpalme ist in Niedersachsen in Teilen des Berglandes nicht standortheimisch. In Sachsen-Anhalt ist die Art standortheimisch nur im Nordwesten (Altmark) und in Hessen nur in der Rheinebene sowie im Odenwald.

Fichte (Picea)
Picea abies: Die Rotfichte ist nur in den Hochlagen des Harzes (Niedersachsen, Sachsen-Anhalt) und in Teilen der Lüneburger Heide (Niedersachsen) standortheimisch.

Kiefer (Pinus)
Pinus sylvestris: Obwohl der Nordwesten Niedersachsens sowie der Westteil Schleswig-Holsteins und Hessens eher nicht zum natürlichen Verbreitungsgebiet der Wald-Kiefer gehören, wird sie hier in allen Trägerländern als standortheimisch eingestuft, weil die Art auf natürlichem Wege eingewandert ist und klare Grenzen zwischen natürlichen und anthropogenen Vorkommen nicht mehr gefunden werden können.

Pappel (Populus)
Populus alba: Die Silber-Pappel gilt nur in Hessen in der Rhein- und Mainebene als standortheimisch.
Populus nigra: Die Schwarz-Pappel wird in Niedersachsen nur in der Elbtalaue als standortheimisch angesehen. Sie kommt in allen anderen Bundesländern vor, wenn auch mit größeren Verbreitungslücken.

Wildbirne (Pyrus)
Pyrus pyraster: Die Wildbirne ist in Niedersachsen nur im Hügel und Bergland sowie in der Elbtalaue standortheimisch.

Eiche (Quercus)
Quercus pubescens: In Hessen wurde die Flaum-Eiche früher an der Graburg (Ringgau, Nordost-Hessen) nachgewiesen. Aktuell sind keine Wuchsorte bekannt.

Weide (Salix)
Salix fragilis: Standortheimisch ist die Bruch-Weide in Niedersachsen im Hügel- und Bergland, in der Elbtalaue und weiteren Teilen des Tieflandes. In Sachsen-Anhalt ist sie im Harz standortheimisch. Die natürliche Verbreitung ist noch ungenügend bekannt.
Salix rubens (Salix alba x fragilis): Neben den in allen Trägerländern vorkommenden Eltern-Arten ist die Fahl-Weide (Hybrid) weit verbreitet und wird daher hier aufgenommen.

Sorbus-Arten
Sorbus aria: Die Gewöhnliche Mehlbeere fehlt von Natur aus in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. In Sachsen-Anhalt sind natürliche Vorkommen auf den Süden beschränkt (Unstrutgebiet, Unterharz).
Sorbus aucuparia: Neben der durchweg standortheimischen Unterart Sorbus aucuparia ssp. aucuparia wird Sorbus aucuparia ssp. glabrata (Kahle Vogelbeere) punktuell in Hessen (u. a. Rhön) als einheimisch angesehen.
Sorbus domestica: Der Speierling ist in Sachsen-Anhalt nur im Süden (Unstrutgebiet, Unterharz, Harzvorland), in Hessen nur in Mittel- und Südhessen standortheimisch.
Sorbus torminalis: Die Elsbeere ist in Niedersachsen nur im Hügel- und Bergland, in Sachsen-Anhalt nur im Süden (Unstrutgebiet, Harz, Harzvorland) standortheimisch. In Schleswig-Holstein gilt die nur punktuell vorkommende Art (nach Raabe (1987) als eingebürgert, während sie vom Bundesamt für Naturschutz als einheimisch eingestuft wird. Hier wird sie in allen drei Bundesländern als standortheimisch bewertet, da eine sinnvolle räumliche Differenzierung nicht vorgenommen werden kann.

Eibe (Taxus)
Taxus baccata: Die Eibe ist in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt nur im Hügel- und Bergland standortheimisch. In Schleswig-Holstein sind, anders als im benachbarten Mecklenburg-Vorpommern, keine natürlichen Vorkommen bekannt. Auch in Hessen hat sie natürliche Vorkommen, vor allem an Steilhängen.

Ulme (Ulmus)
Ulmus glabra: Von Natur aus fehlt die Berg-Ulme im Nordwesten des niedersächsischen Tieflandes. Da die natürlichen Grenzen jedoch unklar sind, wird sie durchweg als standortheimisch bewertet.
Ulmus minor: Die Feld-Ulme fehlt von Natur aus im Nordwesten des niedersächsischen Tieflandes. Da die natürlichen Grenzen jedoch unklar sind, wird sie durchweg als standortheimisch bewertet.

Zitierte Literatur

Jahnk, S. L., Behling, H., Küchler, P., Schmidt, M. (2020): Vegetations- und Landnutzungsgeschichte des Reinhardswaldes (Hessen). Tuexenia 40: 101-130. doi.org/10.14471/2020.40.025

Schmidt, M., Kriebitzsch, W.-U., Ewald, J. (Hrsg.) 2011. Waldartenlisten der Farn- und Blütenpflanzen, Moose und Flechten Deutschlands. BfN-Skripten 299: 1-111. www.bfn.de/publikationen/bfn-schriften/bfn-schriften-299-waldartenlisten-der-farn-und-bluetenpflanzen-moose

Raabe, E. W. (1987): Atlas der Flora Schleswig-Holsteins und Hamburgs. Neumünster. 654 S.

Tüxen, R. (1956): Die heutige potentiell natürliche Vegetation als Gegenstand der Vegetationskartierung. Angew. Pflanzensoziol. 13: 5-42.