Der Birnbaum in der Kulturgeschichte

Bereits rund 1000 Jahre v. Chr. war die Birne bei den Griechen bekannt. Sie wird als Kultbaum und Gabe der Götter in Heldensagen erwähnt. Die Römer befassten sich ihrerseits mit der Züchtung und kannten angeblich um 300 Jahre n. Chr. bereits zwischen 30 und 40 Birnensorten. Funde in schweizerischen Pfahlbauten belegen, dass damals diese Frucht auch in unserer Gegend Einzug gehalten haben muss.

Von der Existenz der Wild- oder der bereits kultivierten Birne zeugen viele Flur- und Ortsnamen. Auch die Heimatgemeinde der Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf ZH, hat seinen Ursprung im Vorkommen von Birnen. Dieser Name erscheint erstmals 876 als "Piripoumesdorf" auf einer Schenkungsurkunde des adligen Gutsherrn Adalpern. Dieser vermachte damals seinen Besitz ans Fraumünster in Zürich. Im früheren, dreiteiligen Wappen von Birmensdorf war nebst einer blauen Blume (oben links) und einer silbernen Pflugschar (unten) ein grüner Birnbaum dargestellt.

Weitere Ortsnamen oder Wappen von Orschaften der Umgebung deuten auf das Vorkommen von Birnbäumen hin, so zum Beispiel:

  • Birmenstorf AG (1248 als "Birbonisdorf"),
  • Birr AG (1278 als "Bire"),
  • Birrwil AG (1237 als "Birnwile"),
  • Oberwil-Lieli AG mit dem "Holzbirlibaum" in seinem Wappen

Ein letzter Ortsname sei noch erwähnt: das im Vorarlbergischen liegende Dornbirn, von den Einheimischen genannt "Doräbira, welches mit "Dorn" am ehesten auf die Wildbirne hinweist.

Strauch oder Baum?

Je nach Herkunft und Standort kann die Wildbirne beides sein. Der relativ langsam wachsende Obstbaum entwickelt sich bei Lichtmangel im Bestandesinnern eines Waldes oft strauchförmig und wird 3 bis 5 m hoch. Bei genügend Licht und wenig Konkurrenz durch Waldbäume kann die Wildbirne zu einem stattlichen Baum von 15 bis 20 m Höhe heranwachsen. Ihre Altersgrenze liegt bei 150 bis 200 Jahren.

Aussehen und Vorkommen

Von den weltweit in der gemässigten Zone 20 bis 30 ursprünglichen Birnarten kommen in Europa etwa deren 10 vor. Dazu gehört auch die Wild- oder Holzbirne, welche vorwiegend auf einer Meereshöhe von etwa 500 bis 900 m, ausnahmsweise bis 1500 Meter über Meer gedeiht. Diese Wildobstart ist auch in der Schweiz anzutreffen, wenn auch recht selten, so beispielsweise im Reppischtal ZH, in Veysonnaz VS oder im Berner und Neuenburger Jura.

Verbreitung der Wildbirne in Europa (PDF)

Die je nach Wuchsart strauch- oder baumförmige Wildbirne hat meistens einen gekrümmten Stamm mit einer weit ausladenden Krone. Die im April/Mai vor dem Blattaustrieb reinweiss blühenden Wildbirnen sind im Wald und an Waldrändern nicht zu übersehen. Die lang gestielten, mit vielen feinen Seitennerven versehenen Blätter sind rundlich-herzförmig, kurz zugespitzt und äusserst fein gezähnt. Die bräunlich-gelben Früchte haben eine Grösse von 4 bis 6 cm und hängen an schwachbedornten Ästen. Die Birnen sind allerdings erst geniessbar, wenn sie überreif, also teigig sind oder wenn sie einen Frost erlebt haben. Die Früchte schmecken jedoch recht herb. Trotzdem waren sie für unsere Vorfahren in Notzeiten, speziell als Dörr- oder Backobst, eine willkommene, nahrhafte Speise.

Das Birnbaumholz

Das Holz der Birnbäume ist rötlichbraun und dunkelt unter Lichteinfluss nach. Nach wie vor ist dieses Holz ein geschätzter Rohstoff in der Möbelindustrie. Mit schwarz gebeiztem Birnbaumholz wird Ebenholz imitiert. Auch die Musikindustrie schätzt diese Holzart sehr, sei es zur Herstellung von Blockflöten, Griffen der Mundharmonika oder Klavieren. Allerdings sollte wegen ihres seltenen Vorkommens auf die Verarbeitung des Holzes der Wildbirne verzichtet werden.

Die Wildbirne hat einen grossen ökologischen Wert für Insekten, Vögel und Säugetiere. Für uns Menschen zeigt sich ihr ästhetischer Wert während ihrer Blütezeit im Frühling sowie ihre einzigartige Laubverfärbung im Herbst, wo sie das Landschaftsbild, leider allzu wenig, auf ihre Art zu prägen vermag.

(TR)