Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg
Abtl.-Leiter Waldnaturschutz
Wonnhaldestraße 4
79100 Freiburg
Tel. 0049 (0)761/4018-318
Autor(en): | Marisa Molinari, Andreas Schabel |
Redaktion: | FVA, Deutschland |
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Bewertung: |
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Nachdem die
Primärlebensräume der Gelbbauchunke – natürliche Überschwemmungsgebiete in Auenlandschaften
– fast verschwunden sind, bleiben der Gelbbauchunke oft nur Sekundärlebensräume. Vor allem die besonnten
wassergefüllten Fahrspuren und Pfützen auf Rückegassen im Wald sind in vielen
Gebieten für den Erhalt der Art von großer Bedeutung. Der
Waldbewirtschaftung kommt damit eine hohe
Verantwortung für diese aus Naturschutzsicht herausragende Art zu.
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Abb.1: Gelbbauchunke (Bombina variegata). (Foto: J. Mayer) |
Die Gelbbauchunke ist eine heimische Art, die unter den schutzwürdigen Arten eine prominente Stellung einnimmt. Sie ist eine Art des Anhangs II der FFH-Richtlinie, für deren Erhalt FFH-Gebiete ausgewiesen wurden. Sie ist außerdem nach Anhang IV der FFH-Richtlinie eine streng geschützte Art, deren lokale Populationen – auch außerhalb von FFH-Gebieten – durch die Waldbewirtschaftung nicht verschlechtert werden dürfen. Hinzu kommt, dass die Gelbbauchunke ihren Verbreitungs- und Vorkommensschwerpunkt in Süddeutschland hat. Sie ist also auch noch eine baden- württembergische Verantwortungsart. Darüber hinaus wurde im Nationalen FFH-Bericht im Rahmen des EU-Monitorings ein ungünstiger Erhaltungszustand für Baden-Württemberg konstatiert. In der Roten Liste Baden-Württembergs wurde sie als stark gefährdet eingestuft. Viele ihrer Vorkommen liegen heute im Wald. Die Waldwirtschaft ist daher gefordert, Konzepte für die Gelbbauchunke zu entwickeln, die einen integrierten und mit der Waldbewirtschaftung verträglichen Schutz gewährleisten. ForstBW stellt sich dieser Verantwortung und hat die FVA beauftragt, entsprechende Konzeptvorschläge zu entwickeln sowie Fortbildungen zur Gelbbauchunke im Wald durchzuführen.
Die Gelbbauchunke (Bombina variegata) war in Baden-Württemberg ursprünglich ein Bewohner der natürlichen Bach- und Flussauen, wo sich nach Hochwassern in unregelmäßigen Abständen temporäre Kleingewässer bildeten. Durch die zunehmende Siedlungsentwicklung und den Ausbau von Fließgewässern ging dieser Lebensraum fast vollständig verloren. Temporäre Kleinstgewässer entstehen aber auch in Abbaustätten wie zum Beispiel in Steinbrüchen und bei Bodenverdichtung durch Befahrung. In den letzten Jahrzehnten hat die Gelbbauchunke als ausgesprochene Pionierart dieses Potenzial erschlossen. Das in den letzten Jahrzehnten systematisch angelegte Feinerschließungsnetz im Wald mit seinen vor allem nach frostarmen Wintern auftretenden Rohbodentümpeln in den Fahrspuren bietet günstige Bedingungen für die Gelbbauchunke. Dort – nicht neben der Spur sondern mittendrin – laicht sie am erfolgreichsten. Denn in den immer wieder neu entstehenden Tümpeln gibt es keine Feinde. In halbtags besonnten Fahrspuren entwickelt sich ihr Laich innerhalb weniger Wochen zu kleinen Unken, wenn das Gewässer nicht vorher austrocknet.
Nachdem die Primärlebensräume – die natürlichen
Überschwemmungsbereiche – selten geworden sind, sind die Sekundärlebensräume im
Wald für den Erhalt der Art von großer Bedeutung. Doch auch diese
Sekundärlebensräume könnten aufgrund des Bodenschutzes und der damit
einhergehenden Sanierung der Rückegassen seltener werden. Den Zielkonflikt
zwischen Boden- und Artenschutz gilt es somit zu lösen. Denn der Artenschutz "gefährdet"
sozusagen den Schutz der Rückegassen und somit den Bodenschutz im Wald.
In den FFH-Gebieten ist ein Erhaltungsmanagement für Anhang II Arten gefordert mit dem Ziel, einen günstigen Erhaltungszustand zu gewährleisten oder wiederherzustellen. Wesentliche Komponenten des Erhaltungsmanagements sind die Vermeidung von Verschlechterungen und die Durchführung notwendiger Erhaltungsmaßnahmen. Beides orientiert sich an den Erhaltungszielen.
Erhaltungsziele der Gelbbauchunke (Bombina variegata)
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Der Arbeitsbereich Natura 2000 hat für die Gelbbauchunke im Wald eine Praxishilfe erstellt. Die Praxishilfe versorgt die forstliche Praxis mit dem notwendigen Wissen zur Gelbbauchunke und gibt Hinweise zu unterstützenden, aber auch zu beeinträchtigenden forstbetrieblichen Arbeiten und Pflegemaßnahmen. Die Praxishilfe wurde zusammen mit Experten erarbeitet und im Nachgang intensiv mit der Forst- und Naturschutzverwaltung abgestimmt und soll nun zeitnah veröffentlicht werden.
Neben dem oben genannten Erhaltungsmanagement in FFH-Gebieten genießt die Gelbbauchunke einen flächendeckenden Schutz aufgrund des Besonderen Artenschutzes (§ 44 BNatSchG), der für alle Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie zu beachten ist. Danach dürfen die lokalen Populationen der Gelbbauchunke im Zuge der Waldbewirtschaftung nicht verschlechtert werden. Selbst das unbeabsichtigte Zerstören einer Fortpflanzungsstätte beispielsweise ein Laichgewässer in einer Rückegasse, kann ein Rechtsverstoß sein. Um Rechtssicherheit im Hinblick auf § 44 BNatSchG herzustellen, sind vorsorgende Maßnahmen notwendig, mit denen etwaige Verluste im Zuge der Holzernte ausgeglichen werden.
Der Arbeitsbereich Natura 2000 der FVA-Abteilung Waldnaturschutz wurde damit beauftragt, ein Vorsorgendes Konzept im Sinne des § 44 Absatz 4 BNatSchG für den Erhalt der Gelbbauchunke im Rahmen der Waldbewirtschaftung zu erarbeiten, das den Ansprüchen des Bodenschutzes und der Holzernte gleichermaßen gerecht wird wie den Ansprüchen des Artenschutzes. Das Vorsorgende Konzept soll im gesamten Staatswald – soweit dieser Lebensraum der Gelbbauchunke ist – verbindlich zur Anwendung kommen, um Rechtssicherheit im Sinne des §44 BNatSchG herzustellen. Mit dem Vorsorgenden Konzept im Sinne des § 44 (4) sollen somit unvermeidbare Zugriffe durch die Waldbewirtschaftung vorsorglich ausgeglichen werden. Ein derartiges Konzept stellt auch das vom Arbeitsbereich Natura 2000 erarbeitete Alt- und Totholzkonzept von ForstBW dar. Die sachgerechten und praxisnahen Lösungen des Vorsorgenden Konzepts werden noch in 2018 durch die FVA entwickelt und bei der ForstBW-Jahrestagung vorgestellt. Dafür bemühte sich der Arbeitsbereich gleich von Anfang an um eine enge Zusammenarbeit mit dem Referat 84 Fachbereich Waldarbeit des Regierungspräsidiums Tübingen sowie mit der LUBW und dem Umweltministerium Referat 72 Biotop und Artenschutz / Eingriffsregelung.
Im April 2018 führte die FVA eine spannende Fortbildung zum
Thema Erhalt der Gelbbauchunke im Rahmen der Waldbewirtschaftung durch. Die
Fortbildung in Herrenberg-Mönchberg, die mit Revierleiter Winfried Seitz
durchgeführt wurde, war mit über 40 Teilnehmenden ein voller Erfolg. Die hohe Teilnahmezahl
zeigt die Aktualität des Themas sowie das große Interesse der forstlichen
Praxis und auch der unteren Naturschutzbehörden.
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Abb.2: Fortbildung. (Foto: Lucas Lang) |
Bemerkenswert war für viele
Teilnehmende, dass die unscheinbaren Eiklumpen der Gelbbauchunke, die an
Pflanzenstängeln befestigt werden oder auf den Grund sinken, nur mit einem
geschulten Auge erkennbar sind. Neueste Erkenntnisse aus der Wissenschaft gaben
nicht nur den Teilnehmenden, sondern auch den Organisierenden und Referierenden
der Fortbildung interessante und wichtige Aspekte mit auf den Weg. So konnten
Felix Schrell und Prof. Dr. Dieterich von der Universität Hohenheim mittels
einer Mustererkennungssoftware eine adulte Unke aus dem Jahre 1997 anhand eines
Fotos ihrer Bauchzeichnung in 2017 wiedererkennen. Somit konnten sie beweisen,
dass Gelbbauchunken in freier Wildbahn ein sehr hohes Alter von über 20 Jahren erreichen
können.
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Abb. 3: Biotop der Gelbbauchunke. |
Gemeinsam mit der Universität Hohenheim sollen zukünftig in
einem Projekt der Deutschen Umweltstiftung weitere wichtige Erkenntnisse zum Erhalt
der Gelbbauchunken-Populationen im Wald gewonnen werden. Im Stadtwald
Herrenberg gab Revierleiter Winfried Seitz den Teilnehmenden Impulse, wie im
Rahmen des regulären Betriebsablaufes Laich- und Aufenthaltsgewässer für die
Gelbbauchunke geschaffen werden können. Die Fortbildung soll im nächsten Jahr
wiederholt werden, mit dem Schwerpunkt der Umsetzung des Vorsorgenden Konzeptes.