Holz besteht etwa zur Hälfte aus dem Element Kohlenstoff. Ist der Kohlenstoff im Wald gespeichert, ist er nicht als CO2. in der Luft. Die Schweiz wird zu 30% von Wald bedeckt. Der Flächenvorrat an Holz gehört zu den höchsten in Europa. Bäume wachsen aber bekanntlich nicht in den Himmel. Das heisst: die Möglichkeit, in einem Wald Kohlenstoff zu speichern, hat ein natürliches Ende. Man kann das "Gefäss" Wald also nur einmal füllen. Sobald ein Wald einen Gleichgewichtszustand erreicht hat, ist die Nettokohlenstoffbindung null. Ein solcher Urwald speichert zwar eine bestimmte Menge Kohlenstoff, aber eine nachhaltige (also lange fortsetzbare) Nutzung durch eine Holzernte ist ausgeschlossen.

Innerhalb dieser Eckpfeiler kann man sich die berechtigte Frage stellen, ob Massnahmen, die die Biodiversität fördern, auch die Kohlenstoffspeicherung begünstigen können.

Holzvorrat versus Nutzung

Einige zentrale Erkenntnisse aus der Biodiversitätsforschung helfen hier weiter:

  1. Das Prinzip der Redundanz - mehr Arten versichern gegen Totalausfall, weil es unwahrscheinlich ist, dass ein Schadereignis alle gleichermassen trifft.
  2. Eine Störung erhöht die Artenvielfalt, weil sie die Koexistenz von Arten ermöglicht, also das Überhandnehmen einzelner Arten unterbindet.
  3. Artgemeinschaften durchlaufen natürliche Zyklen (Sukzession), es gibt also nicht den einen Endzustand. Zusammenbruch und Regeneration können nebeneinander vorkommen.
  4.  Lebensraumvielfalt erhöht die Artenvielfalt.
  5. In gewissen Grenzen kann die Artenvielfalt von Bäumen die Produktivität des Waldes erhöhen, weil unterschiedliche Arten das Ressourcenangebot komplementär nutzen können. Die Evidenz für Punkt 5 ist allerdings mager und nur für den unnatürlichen Zustand altersgleicher Kohortenwälder erwiesen.

Leider ist die Ansicht immer noch weit verbreitet, dass Produktivität etwas mit Vorratsgrösse zu tun hat. Das wäre, wie wenn man in der Wirtschaft Umsatz mit Kapital verwechseln würde. Die Vorratsbildung ist das Resultat der Verweildauer, also der Lebensdauer von Bäumen. In der Regel sterben schnell wachsende Bäume aber früher als langsam wachsende (Pappel vs. Eiche). Die Beziehung ist also eine negative. Im sich selbst überlassenen Naturwald bestimmt das Verhältnis zwischen natürlicher Mortalität und Regeneration den Vorrat. Je mehr alte Bäume es in einem geschlossenen Wald hat, desto grösser ist der Vorrat. Wir sprechen von der Baumdemographie, die den Vorrat bestimmt. Im Wirtschaftswald bestimmt dagegen der förster den Vorrat, und zwar über den Erntezeitpunkt (Umtriebszeit).

Es gibt nun zwei Wege, Kohlenstoff in Pflanzenmasse über das Leben eines Baumes hinaus zu speichern. Als Totholz im Wald oder verbaut in Häusern und Möbeln. Erstaunlicherweise ist der Effekt ähnlich gross. Es dauert in unserem Klima im Durchschnitt 72 Jahre, bis eine umgestürzte Buche oder Fichte zu 90% verrottet ist, für verbautes Holz beträgt die Zeitspanne etwa 62 Jahre. Bezieht man alle Nutzungsarten von Holz ein (also einschiesslich der Tageszeitung), liegt die mittlere Verweildauer des darin gebundenen Kohlenstoffs nach dieser Studie bei 20 Jahren – ähnlich kurz wie für grobes Astholz.

Folgen der Nicht-Nutzung von Wald

Überlässt man einen Wirtschaftswald oder einen bisher kaum genutzten Wald sich selbst, wie dies etwa in einem Naturwaldreservat der Fall ist, so bestimmt der Ausgangszustand das Geschehen stark mit. Handelt es sich um einen Kohortenwald, also einen Wald, der aus ähnlich alten Bäumen besteht, akkumuliert so ein Wald eine gewisse Zeit lang weiter Biomasse. Gleichzeitig steigt aber die Wahrscheinlichkeit zur Selbstausdünnung (einzelne Individuen sterben und schaffen Lücken), oder ein zufälliges Ereignis (z.B. ein Windwurf) schafft grossräumig Platz. Die Folge ist in beiden Fällen ein Gewinn an Biodiversität – aber ein Verlust an Kohlenstoffvorrat. Bisher kaum genutzte Wälder starten bereits von einem natürlicherweise lückigen Bestand; Lebensraumvielfalt und damit Biodiversität stellen sich hier früher ein.

Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Totholzmenge in einem Wald, der sich selbst überlassen bleibt, den Vorratsverlust durch die Bildung von Lücken kompensieren kann. Reife Naturwälder sind oft sogar recht offene Wälder. Grosse Wildtiere können zum Offenhalten solcher Lichtungen beitragen. Es ist also irreführend, die anfängliche Verdichtung des Waldes durch Nicht-Nutzung als einen dauerhaften Kohlenstoffgewinn zu betrachten. Alte und eher offene Wälder sind zudem anfälliger auf Windwurf und halten Lawinen weniger gut stand.

Unbestreitbar haben Natur-, aber auch Sonderwaldreservate einen hohen Wert für die Biodiversität. Zahlreiche Arten sind auf Alt- und Totholz oder auf lichte Wälder angewiesen. Einen zusätzlichen Speicherwert für Kohlenstoff dürften ungenutzte Wälder aber nicht haben. Gleichzeitig fällt die zeitlich unbegrenzte, nachhaltige Substitution fossiler Brennstoffe durch eine Nutzung des Holzes komplett weg.

Es gilt also, die verschiedenen Waldleistungen abzuwägen und räumlich getrennt in Wert zu setzen. Wir haben genug Wald, um uns auch Naturwaldreservate leisten zu können, ohne diese Massnahme mit einem unzutreffenden Kohlenstoffargument zu rechtfertigen.

Literaturangaben finden sich im Originalartikel