Zart und hellgrün sind die Blätter der jungen Buchentriebe, die sich im Frühsommer vor der malerischen Kulisse der Berchtesgadener Alpen in den Himmel strecken. In fünf Pflanzreihen sprießen die winzigen Bäumchen im Versuchsgarten der Baumschule des Bayerischen Amtes für forstliche Saat- und Pflanzenzucht (ASP) in Laufen.

Gerhard Huber, der die Buchensamen im Frühjahr 2008 aussäte, blickt zufrieden auf die Anzucht. "Die Buchen wachsen wunderbar und sind voll belaubt." Das Besondere: Die Samen, die hier unter freiem Himmel auf rund 40 Quadratmetern keimen und zu kleinen Bäumen wachsen, stammen aus Bulgarien. Die Balkan-Buchen sind, zumindest im ersten Jahr, mit 20 Zentimetern sogar etwas höher gewachsen als die nebenan ausgesäten bayerischen Verwandten aus dem Fichtelgebirge und dem Alpenvorland.

Bulgarische Buchen in Bayern

Doch was haben bulgarische Buchen oder Tannen, für die in Laufen ähnliche Versuche angelegt sind, in Bayern zu suchen? Es sind mögliche Folgen des Klimawandels für den deutschen Wald, die Monika Konnert Sorgen bereiten. "Die Wissenschaft ist sich prinzipiell einig. Der Klimawandel wird kommen", sagt die promovierte Forstgenetikerin, die seit 2007 das ASP im einige Kilometer von Laufen entfernten beschaulichen Teisendorf leitet. Das wohl wahrscheinlichste Szenario: Die Jahrestemperatur wird in den nächsten 50 bis 100 Jahren um zwei bis vier Grad Celsius steigen, der Niederschlag sich anders verteilen. Starkregen, Dürreperioden, lokale Sturmereignisse und Nassschneefälle werden sich häufen. Für Deutschlands Wälder könnte das gravierende Folgen haben. Waldumbau lautet deshalb das Schlagwort für die staatlichen und privaten Waldbesitzer. Für den einzelnen Baum wie für den Bestand als Population heißt die Devise: Anpassung. Im Prinzip ist das nichts Neues, sondern schlicht Evolution: Wer sich nicht stetig anpasst an die Umwelt, verschwindet. Das gilt natürlich auch für die Buchen.

In einem sich natürlich verjüngenden Buchenbestand, so Forstwissenschaftlerin Konnert, werden die Erbanlagen der Elterngeneration bei der Fortpflanzung durch Samenflug kräftig durcheinander gewirbelt. Von ursprünglich elf Millionen Sämlingen pro Hektar leben zehn Jahre danach nur noch 500.000 Jungbäume. Und nach 100 Jahren bleiben davon lediglich rund 80 erwachsene Exemplare übrig. "Individuen, die mit den Umweltbedingungen am besten zurechtkommen, überleben; die anderen sterben ab", erklärt Konnert. Waldpopulationen seien fähig, sich in einem gewissen Umfang mit Hilfe genetischer Prozesse wie Migration, Genfluss oder Selektion an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Allerdings muss dafür die genetische Variabilität groß genug sein. Konnert: "Je breiter der Genpool der Bäume in den Wäldern, um so höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Wälder langfristig und damit auch den Klimawandel überleben."

Zum Problem wird für den Wald die Geschwindigkeit des Klimawandels. Für eine Buche sind 100 Jahre in der Regel gerade mal etwas mehr als die Hälfte ihrer Lebenszeit. Anpassungsvorgänge dauern aber oft mehrere Baumgenerationen, also mehrere hundert Jahre. "Ein heute gepflanzter Baum wird den Klimawandel direkt spüren", erläutert Konnert die Folgen. Die Widerstandsfähigkeit vieler Bäume wird sinken, wenn sie aus ihrem optimalen Klimabereich gedrängt werden. Einheimische Schadorganismen wie der Borkenkäfer werden ihr Verbreitungsgebiet ausdehnen, neue Arten werden den Bäumen das Leben schwer machen.

Bayerische Buchen in Bulgarien

Einzug halten in Deutschlands Wälder könnten in Zukunft eventuell Buchen aus BulgarienKeine andere Baumart meistert unterschiedliche Standorte so bravourös wie sie – die Buche passt sich optimal an, egal ob an der Ostsee, in den Alpen, in Südfrankreich oder in den Karpaten. Deshalb lässt Konnert zusammen mit Wissenschaftlern der Forsttechnischen Universität Sofia seit 2008 erforschen, ob Buchen- und Tannensamen aus unterschiedlichen Gegenden des Freistaats auch in den wärmeren Regionen des Balkanstaats gedeihen. "Wir nehmen quasi den Klimawandel vorweg", berichtet Konnert leicht schmunzelnd. Die bayerischen Buchensämlinge wachsen nun im Nordwesten Bulgariens, wo die Temperatur im Jahresdurchschnitt bei 10,9 Grad Celsius und der jährliche Niederschlag bei nur 573 Millimeter liegen. Dort sind Dürreperioden im Sommer weitaus häufiger als in Bayern. Zum Vergleich: Eine Buche aus dem Alpenvorland bei Oberelchingen wächst im Durchschnitt bei nur 8,1 Grad Celsius und 705 Millimeter jährlichem Niederschlag.

Ob die Bäume bayerischer Herkunft mit den für sie ungewohnten Bedingungen klar kommen, wird Konnert erst in einigen Jahren wissen. "Dann können wir konkrete Aussagen über Vitalität und Überlebenschancen machen." Das gilt auch für die Jungbuchen und -tannen aus Bulgarien, die ihr Kollege Huber in der Laufener Pflanzschule beobachtet. "Sollte sich in den Versuchen zeigen, dass die bayerischen Buchen mit den wärmeren Bedingungen in Bulgarien gut zurecht kommen, können wir weiter auf unsere heimischen Herkünfte setzen", betont Monika Konnert.

Wenn sich die bayerischen Herkünfte an den drei Versuchsstandorten in Bulgarien nicht bewähren, könnten Buchen- und Weisstannenherkünfte aus wärmeren Regionen eine Alternative für Deutschlands Forste sein. Schließlich ist ihr Genpool auf Wärme und längere Dürre im Sommer geeicht. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen sich eine falsche Herkunft deutlich bemerkbar macht. "Fichten aus dem Tiefland sind breitkroniger. Liegt schwerer Nassschnee auf den Ästen, brechen sie ab", so Konnert. Im Unterschied dazu seien die alpinen Fichten weitaus besser an Höhenlagen angepasst: Ihre Kronen sind viel schmaler, so dass der Schnee abgleiten kann. Und auch Spätfröste können zu empfindlichen Schäden führen. "Treibt eine Herkunft zu früh aus, kann das zum totalen Ausfall führen."

Ausländische Herkünfte genetisch überprüfen

Um derlei Schäden zu vermeiden, werden aufwendige Feld- und Herkunftsversuche angelegt, bei denen über mehr als 20 Jahre das Wuchsverhalten genau beobachtet wird. Das ASP führt solche Versuche nicht nur mit Buche und Tanne, sondern auch mit Douglasie, Küstentanne und Schwarzkiefer durch. Dabei muss sichergestellt sein, dass eine gewünschte Herkunft tatsächlich auch geliefert werden kann. Aus welchen Beständen Samen geerntet werden dürfen und wie dies kontrolliert wird, das regelt in Deutschland das Forstvermehrungsgutgesetz.

Zeitaufwendig und somit teuer ist oft die gesetzliche Kontrolle. Allerdings lässt sie sich durch den genetischen Vergleich von Referenzproben sicherer und effektiver

durchführen. Dabei setzen die ASP-Wissenschaftler auf den kombinierten Einsatz von Isoenzymen und DNA-Markern. So lassen sich auch Proben aus geografisch weit entfernten Regionen überprüfen. Erst wenn Politik und Wissenschaft diese Prüfung gewährleistet sehen, geben sie grünes Licht für den Anbau von ausländischen Herkünften.

Neue Baumarten für Deutschland?

Wie lassen sich Deutschlands Wälder sonst noch fit machen für den Klimawandel? Hermann Spellmann, Leiter der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) in Göttingen, verspricht sich viel von der Verwendung ausländischer Baumarten, so genannter Fremdländer. "Die Küstentanne zählt zu den Baumarten, die für einen Anbau unter den sich abzeichnenden Bedingungen des Klimawandels gut geeignet ist." Dies ist ein wesentliches Ergebnis des BMBF-Forschungsverbundes "Verwertungsorientierte Untersuchungen der Holzarten Fagus sylvatica (Buche) und Abies grandis (Küstentanne) aus nachhaltig bewirtschafteten Mischbeständen zur Herstellung innovativer und zukunftsfähiger Holzprodukte und -werkstoffe".

Die Forscher stellten fest, dass die Küstentanne an ein Klima mit ausgeprägter Sommertrockenheit gut angepasst ist. Prägendes Ereignis für Forstmann Spellmann ist das extreme Trockenjahr 2003: Damals verloren nach der Sommerdürre etliche Douglasien und Fichten auf den Versuchsflächen der NW-FVA infolge des Trocken- und Wasserstresses mehrere Nadeljahrgänge. Die Küstentanne hingegen überstand die Trockenperiode bestens und gedieh in den Jahren darauf an vielen Standorten sogar besser als die schnellwüchsige Douglasie. "Das war für uns ein wichtiges Indiz, dass die Küstentanne mit solchen Extremereignissen sehr gut zurecht kommt", sagt Spellmann, der dieser Baumart mit ihren langen und dichten Nadeln und ihrer imposanten Größe glänzende Noten ausstellt. "Die Küstentanne ist bodenpfleglich, standortgerecht, gut waldbaulich zu führen, natürlich zu verjüngen und leicht als Mischbaumart in die heimische Flora und Fauna zu integrieren." Zudem erreicht dieser Baum nach 30 Jahren einen Brusthöhendurchmesser von über 40 Zentimetern und produziert Holzvorräte von über 500 Kubikmetern je Hektar. Die Fichte benötigt dafür auf vergleichbaren Standorten mindestens 25 bis 30 Jahre länger.

Küstentanne mit viel versprechendem Holz

Auch bei der Forstindustrie könnte "die Amerikanerin" in Zukunft hoch im Kurs stehen, wie die Bilanz des Forschungsprojekts zeigt. Das Holz der Küstentanne lässt sich gut bearbeiten, bei nicht zu weiten Jahrringen kann es bestens als Sägeholz und ansonsten als Industrieholz für die Span- oder Faserplattenherstellung verwendet werden, wie der Göttinger Forstwissenschaftler Alireza Kharazipour herausfand. Gerade die Holzwerkstoff- und Papierstoffindustrie lechzen nach neuem, schwachem Nadelholz, weil in den letzten 20 Jahren vorwiegend Laubbäume nachgezogen wurden und die Vorräte an Nadel-Industrieholz langsam versiegen.

Doch noch ist die Küstentanne, die 1839 erstmals nach Europa kam, bundesweit nur an wenigen Stellen anzutreffen. Ihr Anteil liegt in Deutschland aktuell bei unter einem Prozent der Waldfläche. Am stärksten verbreitet ist sie mit rund 7000 Hektar im nordwestdeutschen Tiefland. Das große Plus der Küstentanne ist die enorme Anpassungsfähigkeit: In ihrer Heimat, dem westlichen Nordamerika, wächst sie sowohl unter mild-ozeanischen als auch unter stark kontinentalen Klimabedingungen und toleriert dabei Temperaturen zwischen minus und plus 40 Grad Celsius. Entsprechend unterschiedlich sind die Herkünfte der Küstentanne.

Deshalb rät Andrea Polle, Forstprofessorin an der Universität Göttingen und Leiterin des Forschungsverbundes "Buche-Küstentanne", auf die richtigen Herkünfte zu achten. "Küstentannen, etwa aus extrem trockenen Gebieten der Rocky Mountains, haben bei uns eine deutlich geringere Wuchsleistung als die aus westlichen Gebieten." Im Gegensatz zu den Erfahrungen mit der Douglasie, deren Inland-Herkunft früher zu intensivem Pilzbefall führte, gibt es bislang keine Nachweise, dass die Küstentanne gegenüber biotischen Risiken wie etwa Schädlingen oder abiotischen Risiken wie etwa Stürmen anfälliger sei als einheimische Baumarten. Allerdings, so sagt Andrea Polle, seien viele ökosystemare Zusammenhänge bei Fremdländern wie Küstentanne und Douglasie noch zu wenig erforscht.

Küstentanne statt Fichte?

Die in Deutschland mit 27 Prozent Anteil an der Waldfläche am weitesten verbreitete Nadelbaumart ist die Fichte. Sie wird – da sind sich Wissenschaftler in Europa einig – eine der Verliererinnen des Klimawandels sein. In die Bresche könnten Küstentanne, Douglasie oder Roteiche als neue Hoffnungsträger springen, vor allem auf trockenen und sommertrockenen Standorten. Erste Anzeichen dafür gibt es schon jetzt: In Bayern wurden nach den Trockenjahren 2003 und 2006 geschwächte Fichten auf mehrere tausend Hektaren Opfer von Borkenkäfern. Manchen Standort der Fichte könnte künftig die Küstentanne einnehmen. "Ihr Anteil wird in Zukunft deutlich steigen und die Fünf-Prozent-Marke überschreiten", prognostiziert Spellmann.

Naturschützer beurteilen den verstärkten Anbau der US-Tanne allerdings eher vorsichtig: sie sei nicht standortheimisch und es sei zu wenig bekannt, wie die Neubürgerin mit heimischen Tier- und Pflanzenarten auskommen werde. Spellmann hält dem entgegen. "Der Naturschutz berücksichtigt zu wenig, dass sich die ökologischen Rahmenbedingungen wie Stoffeinträge und Klima und damit auch die Lebensbedingungen für die standortheimischen Baumarten ändern." Das Ökosystem könne von der Küstentanne profitieren: "Unter dem Schutz der Küstentanne können sich ganz trefflich junge Buchen entwickeln", sagt Forstbotanikerin Polle. Deshalb sei die Küstentanne auf vielen Flächen eine vernünftige Alternative für den Anbau, vor allem, wenn man sie dem Buchenbestand beimischt. "Man verringert damit auch das wirtschaftliche Risiko", erläutert Andrea Polle. "Da niemand seriös vorhersagen kann, wie sich der Klimawandel auf einen Standort auswirken wird, lässt sich mit einer zusätzlichen Baumart das Risiko, dass der gesamte Bestand etwa an Buchen kaputtgeht, besser verteilen."

Multi-Kulti könnte also bald angesagt sein in Deutschlands Wäldern. "Die Forstwirtschaft muss jetzt die Weichen stellen, wenn sie Ende des 21. Jahrhunderts klimagerechte und damit überlebensfähige Waldbestände haben will", sagt Forscherin Monika Konnert. Für die US-Neubürger Küstentanne oder Douglasie ist das Feld schon bestellt. Ob auch bulgarische Buchen und Tannen Teil des deutschen Waldes sein werden, wird die Zukunft zeigen.

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie über die Ergebnisse des BMBF-Förderschwerpunktes "Nachhaltige Waldwirtschaft", der am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ) Leipzig koordiniert wird.

 

(TR)