Naturwaldreservate (NWR) sind Waldflächen, in denen zugunsten der Er­haltung der Wald-Biodiversität sowie für Forschungs- und Bildungszwecke gänzlich auf eine forstliche Nutzung ver­zichtet wird (Frank, 2009). Das be­deutet, dass entgegen dem Wesen des Waldbaus die Konkurrenzverhältnisse nicht verändert werden. Naturwald­reservate bieten damit die Möglichkeit, langfristig einen Eindruck von der Konkurrenzstärke und der natürlichen Ein­nischung der Esche in verschiedenen Waldgesellschaften zu erhalten.

Auf Basis von über 2.300 Vege­tationsaufnahmen, knapp 2.200 systematisch ausgewählten Stichproben sowie zahlreichen Begehungsnotizen konnte die Baumart Esche in 110 NWR – ungeachtet ihrer Schichtzugehörigkeit – festgestellt werden. Während sie in 33 Flächen zumindest lokal dominant oder kodominant in der Baumschicht vorkommt, tritt sie zum überwiegenden Teil als untergeordnete Mischbaumart auf.

Verbreitung überschneidet sich mit Quirl- und Manna-Esche

Auf österreichischem Bundesgebiet über­schneidet sich das Areal der Gemeinen Esche im Osten mit jenem der Quirl-Esche (Fraxinus angustifolia) und im Süden mit jenem der Manna-Esche (Fraxinus ornus). Dies kommt auch im NWR-Netz zum Ausdruck (Abbildung 1).

Obwohl in allen Bundesländern vertreten, deuten sich bei der Gemeinen Esche Verbreitungslücken bzw. Bereiche geringerer Vorkommensdichte an. Diese sind Teile des Mühl- und Waldviertels mit ihrem basenarmen, silikatischen Grundgestein sowie die Innen- und Zwischenalpen mit ebenfalls dominierenden silikatischen Gesteinen und großen Höhenlagen.

Vielfältiger Lebensraum

Ihren pflanzensoziologischen Schwerpunkt innerhalb des NWR-Netzes hat die Esche in edellaubbaumreichen Feuchtwäldern und Edellaubwäldern im engeren Sinn. Dazu zählen Hirsch­zungen- und Waldgeißbart-Bergahornwald, bestimmte Ausprägungen des mitteleuropäischen Lindenmischwaldes oder "Gipfel-Eschenwald".

Auf von Bodenfeuchte geprägten Standorten gehören feuchter Bergahorn-Eschenwald, Winkelseggen-Schwarz­erlen Eschenwald, Traubenkirschen-Schwarz­erlen Eschen­wald oder Mitteleuropäischer Stieleichen-Ulmen-Eschen-Auwald zu ihren charakteristischen Lebens­räumen. Die Esche ist beigemischt in einer Reihe weiterer Gesellschaften zu finden, wie Eichen-Hainbuchenwaldgesellschaften, Buchen- und Fichten-Tannen-Buchenwälder bis hin zu sekundären Fichten-, Kiefern- und Flaumeichenwäldern.

Neben der breiten Palette im Gesellschaftsanschluss besitzt die Esche auch eine breite physiologische Amplitude. So erträgt sie deutlich höhere Kontinentalität als die Rotbuche und verfügt in ihrer Verbreitung über eine beachtlich hohe vertikale Amplitude. Im NWR-Netz wurde ein Einzelexemplar der Esche im Südalpischen Fichten-Tannenwald Osttirols in einer Seehöhe von 1.435 m in der unteren Baumschicht (Naturwaldreservat Sturzelbach-Griesbachgraben) gefunden. Dieser Baum steht bereits an der Untergrenze der hochmontanen Stufe.

Wie entwickelt sich der Bestand an Eschen in Naturwaldreservaten?

Aufgrund der mit 10 - 20 Jahren noch sehr kurzen Beobachtungsdauer der Waldflächen sind konkrete Aussagen zur Entwicklung sehr unsicher. Bedingt durch die Struktur des Reservatenetzes mit seinen ökologisch sehr differenzierten Gegebenheiten, darf man allerdings davon ausgehen, dass die Entwicklungen im Einzelnen sehr unterschiedlich verlaufen werden. Einige Tendenzen zeichnen sich dennoch ab:

  • Besonders auf Rotbuchen- und Hainbuchen-tauglichen Standorten gehört die Esche zu jenen Baumarten, die von flächiger Holznutzung profitieren, da sie aufgrund ihrer auf Windverbreitung hin spezialisierten Früchte Freiflächen rasch besiedeln kann. Viele alte Eschen in den NWR mögen ihre einstige Etablierung diesem entscheidenden Vorteil verdanken. In einem sich ohne forstliche Nutzung, kleinräumig erneuernden Wald sind nun Pioniere mit ihrer geringeren Konkurrenzkraft auch hinsichtlich Wurzel­konkurrenz (vgl. Horn, 2002) im Nachteil.
  • In vielen NWR kommt die Esche zum überwiegenden Teil nur in zwei Bestandesschichten vor, nämlich in der obersten Baumschicht und in der Verjüngung (Abbildung 2). In der Strauchschicht und den unteren Baumschichten verliert sie gegenüber anderen Baumarten an Konkurrenzkraft und es sinkt die Wahrscheinlichkeit, in die für sie wichtige obere Baumschicht nachzurücken. Profitieren würde die Esche demnach vom flächigen Ausfall konkurrierender Bäume infolge Windwurf, Pilz- oder Insektenbefall.
  • Für die Zukunft wird sich daher das Eschenvorkommen auf jene Standorte einengen, die ihrem Existenzoptimum entsprechen und insbesondere für die Rotbuche zu feucht, zu trocken oder mechanisch zu instabil sind.
  • Das Eschentriebsterben ruft drama­tische Veränderungen in den Reservaten hervor, wobei Verjüngung ebenso betroffen ist wie adulte Individuen. Obwohl augen­scheinlich ist der Rückgang der Esche aufgrund der Kleinflächigkeit der Eschenstandorte zahlenmäßig schwer nachzuweisen.
  • Eine Zunahme an Esche beobachten wir derzeit in einem von Grauerle dominierten Naturwaldreservat. Als deutlich langlebigere und höhere Baumart löst sie dort die langsam absterbenden Grauerlen ab und baut ihre Dominanz im folgenden Sukzessionsstadium aus.
  • Ein bedeutender Konkurrenznachteil erwächst der Esche durch Wildverbiss, wodurch beispielsweise Rot­buche und Fichte begünstigt werden.

Auch und gerade in Naturwald­reservaten ist zu bemerken, dass die Lebens­gemeinschaft Wald ständigen Veränderungen unterworfen ist; im Fall der Esche wird einmal mehr die Wichtigkeit von langfristigen Beobachtungen zu Bestandesstruktur und Artenzusammensetzung evident.

Literatur

  • Frank, G. (2009): Naturwaldreservate in Österreich – von persönlichen Initiativen zu einem systematischen Programm. Mitt. Ver. Forstl. Standortskunde u. Forstpflanzen­züchtung 46. S 23-32.
  • Horn, A. (2002): Konkurrenz zwischen natürlich verjüngten Eschen und Buchen in Bestandes­lücken: Wachstum, Feinwurzelverteilung und ökophysiologische Reaktion auf Austrocknung. Berichte des Forschungs­zentrums Waldökosysteme, Reihe A, Bd. 177, Göttingen.

Das Österreichische Naturwaldreservateprogramm

Das Österreichische Naturwaldreservateprogramm ist eine Initiative des Bundes und wurde 1995 ins Leben gerufen. Die Teilnahme erfolgt freiwillig und wird mittels privatrechtlicher Verträge zwischen dem Bundesminister des BMLFUW und dem Waldeigentümer festgelegt. Die Vertragsdauer beträgt 20 Jahre, wobei für den Bund die Option zur Verlängerung um weitere 20 Jahre besteht. Nutzungsentgang und Aufwand für die Betreuung der Fläche werden dem Vertragspartner mit einem jährlich fälligen Entgelt abgegolten.