Im Deutschen können beliebige Substantive zu allen möglichen Wortketten kombiniert werden. Das kann Ungetüme wie den berühmten "Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän" hervorbringen oder auch so sympathische Kombinationen wie "Waldpädagogik". "Wald – kein Problem!", denken sich da die Forstleute, "Pädagogik dagegen – hmm." Dafür, dass sie beim Wechsel vom ersten zum zweiten Wortteil aus der Experten- in die Laienposition fallen, schlagen sie sich aber oft recht gut. Vielleicht braucht man ja wirklich kein Pädagogikstudium, um lehrreiche und spannende Waldführungen anbieten zu können. Trotzdem ist klar, dass pädagogische Prinzipien berücksichtigt werden müssen.

Allerdings gibt es in der Pädagogik zahlreiche Richtungen, die sich sogar teilweise widersprechen. Manchen wird vorgehalten, dass sie angeblich bewährte Konzepte einfach fortschreiben, ohne sich um lernpsychologische Fundierung und empirische Absicherung zu bemühen. Das ist so, als würde sich die Forstwirtschaft nicht um naturwissenschaftliche Erkenntnisse kümmern. Wollen wir Waldpädagogik auf solide Beine stellen, brauchen wir also nicht nur eine pädagogische, sondern unbedingt auch eine lernpsychologische Fundierung.

"Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie!" Dieses Zitat des berühmten Psychologen Kurt Lewin stimmt auch, wenn es um die augenöffnende Wirkung von Theorien geht. Eine Theorie ist wie eine Brille, mit der man Zusammenhänge sieht, die man ohne sie nicht erkennen würde. Die sozialkognitive Lerntheorie des kanadischen Psychologen Albert Bandura lenkt die Aufmerksamkeit auf Aspekte wie Selbstwirksamkeit und die Wirkung von Modellen.

Selbstwirksamkeit – die Überzeugung etwas zu können

Henry Ford sagte einmal: "Egal ob Sie glauben, dass Sie etwas schaffen oder etwas nicht schaffen: Sie haben meistens Recht!" Das bringt auf den Punkt, was sich hinter dem Ausdruck Selbstwirksamkeit verbirgt. Unglaublich aber wahr: In vielen Fällen sagt die wahrgenommene Selbstwirksamkeit, also die Überzeugung, die jemand hat, ob er etwas leisten oder bewerkstelligen kann, besser voraus, welche Resultate er erzielen wird als seine bisher gezeigten Leistungen.

Wie kann das sein? Nun, wenn jemand glaubt, dass es ihm an Fähigkeiten und Fertigkeiten fehlt, um eine bestimmte Aufgabe zu meistern, versucht er es erst gar nicht oder setzt nicht genug Ausdauer und Anstrengung in eine Unternehmung. Das macht einen Misserfolg wahrscheinlicher und bestätigt vorherige Zweifel. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung hat wieder zugeschlagen. Menschen mit positiver Selbstwirksamkeitsüberzeugung trauen sich dagegen an größere Herausforderungen heran, erholen sich schneller von Rückschlägen, zeigen mehr Ausdauer, sind weniger angsterfüllt und neigen weniger zu Depressionen. Selbstwirksamkeit ist eine aufgabenbezogene, kontextabhängige Größe und kein globales Maß. Dadurch unterscheidet sie sich vom Selbstvertrauen, das eher eine allgemeine und sich auf alle Lebenssituationen auswirkende Charaktereigenschaft ist. Man kann sich also z.B. hinsichtlich einer bestimmten Sportart oder in einem Berufsgebiet als selbstwirksam betrachten, in anderen Bereichen dagegen nicht.

Im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) geht es darum, dass Menschen Gestaltungskompetenz entwickeln. Das ist kurz gefasst die Kompetenz, die nötig ist, um zusammen mit anderen eine lebenswerte Zukunft für alle zu gestalten. Gestaltungskompetenz beinhaltet daher mehr als Wissen, dazu gehören auch Motivation, Emotionen, Einstellungen, Werte und das Handeln. Selbstwirksamkeit ist hierbei eine entscheidende Größe. Man muss überzeugt sein, dass man mit anderen zusammenarbeiten kann (soziale Selbstwirksamkeit), dass man die Fähigkeit hat, das, was man braucht, erlernen zu können (lernbezogene Selbstwirksamkeit), dass Probleme nicht unüberwindlich sind, sondern eher Herausforderungen darstellen, an denen man wachsen kann.

Wie erwirbt man aber eine positive Überzeugung im Hinblick auf seiner Wirksamkeit? Selbstwirksamkeit wird in Stufen aufgebaut. Es ist nötig zu erfahren, dass man durch sein Handeln Erfolge erzielt. Dabei darf und soll es auch immer wieder Rückschläge geben. Hatte man immer nur Erfolg, wirken plötzliche Rückschläge äußerst entmutigend. Hat man aber gelernt, dass es Rückschläge geben kann, sich diese aber letztendlich überwinden lassen, gewinnt die Selbstwirksamkeitsüberzeugung an Robustheit.

Balance zwischen Spielraum und Schonraum

Für den Waldpädagogen heißt das, in der Bildungsveranstaltung eine Balance zwischen Spielraum und Schonraum zu finden. Die Teilnehmer brauchen Spielraum zum Ausprobieren und zur Erfahrung der eigenen Wirksamkeit, aber auch Schonung vor entmutigenden und zu heiklen Situationen. Die immer wieder geäußerte Forderung, Teilnehmer im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung möglichst immer realen Situationen mit realen Personen auszusetzen, ist vor diesem Hintergrund zu relativieren. Es erscheint zielführender, den Schonraum bei der Bildungsarbeit dem Entwicklungsstand der Teilnehmer entsprechend nach und nach zurück zu nehmen.

Vielleicht gelingt es sogar, in der Waldpädagogik Schülern positive Wirksamkeitserfahrungen zu ermöglichen, die ihnen in der Schule systematisch verwehrt werden. Schule ist für viele Schüler oft kein geeigneter Nährboden, um positive Selbstwirksamkeitserwartungen aufzubauen. Quervergleiche zu den Mitschülern werden gefördert. Der Schüler sieht seine in Noten gespiegelten Leistungen im Verhältnis zu denen der anderen. Hat er das Pech, ein "schlechter" Schüler zu sein, wird er feststellen, dass auch erhöhte Anstrengungen seinerseits keinen Effekt erzielen. Auch die anderen haben inzwischen Fortschritte gemacht und im Verhältnis zu ihnen hat sich nichts geändert. Solch ein Verfahren ist tödlich für die Entwicklung von Selbstwirksamkeitserwartungen. Besser wäre es, die Aufmerksamkeit auf Selbstvergleiche zu lenken, wie z.B., dass man nun in der Lage ist, Aufgaben zu lösen, denen man vorher nicht gewachsen war.

Vom Modell zum Verhalten

Menschen lernen aus Erfahrungen, die sie selber machen, oder aber sie beobachten andere und lernen von ihnen. Diese zweite Variante nennt Bandura "Modell-Lernen". Neben Personen können auch filmische Darstellungen oder Texte Modellfunktion übernehmen. Bandura unterscheidet vier Schritte, die den Weg vom Lernen bis zum gezeigten Verhalten beeinflussen (Abb. 2).

Am Anfang stehen Aufmerksamkeitsprozesse. Nur was bemerkt wird, kann auch gelernt werden. Hier sollte sich der Veranstalter überlegen, worauf er denn mit seiner angebotenen Aktivität hinaus will. Er kann z.B. gezielt Hinweise geben, bestimmte Aspekte betonen und mit Fragen lenken. Die Aktivität selbst sollte natürlich so attraktiv sein, dass sie Aufmerksamkeit auf sich zieht. Aber auch Aspekte, die die Teilnehmer betreffen, spielen eine große Rolle. Wie hoch ist ihre geistige Aufnahmekapazität? Wie ist ihre Stimmung? In angenehmer Atmosphäre und bei optimaler Anspannung lernt man am besten.

Der nächste Schritt sind die Behaltensprozesse. Nur was man im Gedächtnis speichert, kann später wieder abgerufen werden. Die Sprache ist ein probates Mittel, um komplexe Sachverhalte klarer zu fassen und zu strukturieren. Das nachträgliche "Darüber Reden" erleichtert das Abspeichern. Wiederholung, sei es in Gedanken oder auch aktiv, wirkt unterstützend. Fügt man in der Waldpädagogik-Veranstaltung eine spielerische Aktivität an die nächste, ohne den Teilnehmern Gelegenheit zu geben, Gelerntes auszusprechen und zu wiederholen bzw. ohne im anschließenden "Miteinander Nachdenken" wichtige Aspekte herauszuarbeiten, verschenkt man günstige Momente und verfehlt wichtige Ziele.

Schließlich folgt ein Schritt, den Bandura motorische Reproduktionsprozesse nennt. Hier geht es um die körperliche Ausführung. Niemand lernt Fahrradfahren durch bloßes Zusehen. Man muss üben und auf vorher erworbene körperliche Fähigkeiten aufbauen können. Selbstbeobachtung und Feedback über die Richtigkeit der Bewegungsabläufe sind hier sehr wichtig. Für BNE-orientierte Veranstaltungen heißt das, dass Situationen geschaffen werden sollten, die es den Teilnehmern ermöglichen, sich auszuprobieren. Auch soziales Verhalten kann man nicht einfach durch Zusehen erlernen, sondern es muss eingeübt werden. Konstruktive Kritik spielt hier eine sehr große Rolle.

Als letzter Schritt folgen schließlich Motivationsprozesse. Nur wenn man erwartet, dass das erlernte Verhalten positive Konsequenzen nach sich zieht, wird man es auch ausführen. Motivationsprozesse spielen nicht nur als letzte "Hürde", die genommen werden muss, eine Rolle, sondern auch ganz zu Anfang bei den Aufmerksamkeitsprozessen. Jeder lernt leichter, wenn ihm von vorneherein klar ist, dass das, was er lernen soll, von Nutzen sein wird.

Wenn sich nach dem Besuch eines entsprechenden Bildungsangebots bei den Teilnehmern ein bestimmtes Verhalten dennoch nicht einstellt, liegt es an einem der folgenden vier möglichen Gründe:

Das was gelernt werden sollte, wurde nicht beobachtet. Es wurde zwar beobachtet, aber nicht abgespeichert. Es wurde zwar gespeichert, aber man hat es nicht ausreichend eingeübt, um es ausführen zu können. Und schließlich, man könnte es zwar ausführen, aber ist nicht ausreichend motiviert dazu. Das heißt, der damit verbundenen Anstrengung stehen nicht ausreichend positive Konsequenzen gegenüber.

Modelle und ihre Wirkungen

All zu oft wird vergessen, dass neben den geplanten Inhalten der Bildungsmaßnahme noch viele weitere Modelle wirksam sind. Lehrer, die sich vollkommen zurückziehen und sich während der Veranstaltung mit etwas anderem beschäftigen, könnten die Botschaft vermitteln, dass das, was abläuft, nur etwas für die Schüler und im Grunde nicht so wichtig sei. Ganz anders würde es wirken, wenn sie aktiv Interesse zeigen.

Mitschüler sind auf Grund ihrer Ähnlichkeit sehr relevante Modelle füreinander, denn es ist wahrscheinlicher, dass man das, was die Kameraden machen, selbst auch ausführen kann. Aber nicht alle Mitschüler sind in ihrer Modellwirksamkeit gleich: Es gibt Vorbilder, Meinungsführer und Außenseiter.

Der Förster oder die Försterin und ihr Verhalten wirken selbstverständlich auch. Gelingt es, sympathisch und kompetent aufzutreten, entfaltet er oder sie mehr Wirkung. Werden Ansprüche an die Teilnehmer herangetragen, ist es besonders wichtig, dass die Person, die diese Ansprüche stellt, ihnen auch selbst gerecht wird. Handeln im Sinne von Nachhaltigkeit einzufordern, aber dem nicht selbst zu entsprechen, entwertet die Modellwirksamkeit. Je kongruenter die verschiedenen Modelle miteinander auftreten, desto wirksamer werden sie. Das ist z.B. der Fall, wenn Förster und Lehrer gemeinsam Bildungssituationen gestalten, in denen sich Gestaltungskompetenz lohnt, also Schüler, die sich entsprechend verhalten, erfolgreicher sind, und außerdem sie selbst auch dieses Verhalten an den Tag legen.

Modell "Nachhaltige Forstwirtschaft"

Nachhaltigkeit im Umgang mit der natürlichen Ressource Wald ist schon seit langer Zeit Thema in der Forstwirtschaft. Und zu Recht weist man auf den diesbezüglichen Modellcharakter hin. Doch welche Modellaspekte sollte man besonders hervorheben, wenn damit Gestaltungskompetenz gefördert werden soll? Waldbezogene Nachhaltigkeit als fertige Lösung zu präsentieren, zerstört die günstige Gelegenheit für den Kompetenzaufbau bei den Teilnehmern. "Ah, Problem bereits gelöst, Glückwunsch, dann brauch´ ich mich ja nicht mehr darum kümmern!" Diese Botschaft wäre auch deswegen falsch, da das Problem der forstlichen Nachhaltigkeit immer wieder aufs Neue gelöst werden muss.

Unterschiedliche Ansprüche müssen in der Aktualität miteinander in Einstimmung gebracht werden. Dass auch die eigenen Interessen dabei betroffen sind (Holz als Energieträger, Baustoff, Rohstoff für Papier, klimawirksame CO2-Senke etc.), muss unbedingt klar gemacht werden. Es müssen Kompromisse ausgehandelt werden, die auch zukünftige Generationen berücksichtigen und auch Menschen in weit entfernten Weltteilen. Klimawandel, globale Holzströme, Erhalt und gerechte Nutzung weltweiter Biodiversität (Stichwort Genpiraterie) – all das und mehr hat mit forstlicher Nachhaltigkeit zu tun.

Das ist spannend und das Modell, um das es dabei geht, ist nicht die Lösung von damals, sondern wie in der aktuellen Situation eine nachhaltige Lösung gefunden wird. Dass Carl von Carlowitz Anfang des 18. Jahrhunderts ein sinnvolles Konzept vorschlug, ist löblich, aber Nachhaltigkeit ist etwas, was wir auch heute aktiv anpacken müssen. Und gerade da liegt die Chance für die Waldpädagogik, wertvolle Beiträge für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung zu liefern.

Günter Dobler war Sachbearbeiter für Waldpädagogik im ehemaligen Sachgebiet Wissenstransfer und Waldpädagogik der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF).