Die Wildkatze (Felis silvestris silvestris) galt in Baden-Württemberg seit Anfang des 20. Jahrhunderts als verschollen. Vermeintliche Wildkatzennachweise hatten sich in einer Untersuchung im Jahre 1997 als Hauskatzen herausgestellt.

Durch die Untersuchung zweier überfahrener Katzen am Kaiserstuhl/Baden in den Jahren 2006 und 2007 konnten Mitarbeiter der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) die ersten sicheren Nachweise der Wildkatze in Baden-Württemberg erbringen. Ob die Tiere dort unbemerkt überlebt hatten oder Wildkatzen in den vergangenen Jahren aus Frankreich zugewandert sind, ist nach wie vor ungeklärt.

In den Folgeuntersuchungen der FVA am Kaiserstuhl in den Jahren 2007 bis 2009 konnte durch die Anwendung der Baldrian-Lockstockmethode (s. Abb. 3) das Vorkommen mehrerer Wildkatzenindividuen im Bereich Kaiserstuhl und in den angrenzenden Rheinauen zwischen Hartheim und Kappel-Grafenhausen genetisch nachgewiesen werden. Weitere lokale Lockstock-Projekte wurden durch die Wildforschungsstelle in Aulendorf (WFS) sowie den Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) durchgeführt. Hierbei konnten weitere Wildkatzenvorkommen in der Nähe von Baden-Baden (BUND) und im Ortenaukreis bei Schwanau (WFS) bestätigt werden.

Im Juni 2009 wurde erstmals die Reproduktion von Wildkatzen im Land nachgewiesen:

Zwei von einer Joggerin im Wald bei Bühl/Baden-Baden aufgesammelte Jungkatzen wurden anhand genetischer Untersuchungen der FVA als Wildkatzen identifiziert und in eine Auffangstation in der Eifel gebracht, wo sie im Herbst 2009 ausgewildert wurden.

Die zwei Jungtiere wurden Ende Mai 2009 in einem Waldstück nahe Baden-Baden gefunden und kamen als vermeintlich verwaiste Hauskatzenjungen in die Obhut eines lokalen Tierschutzvereins. Aufgrund der schlechten Verfassung der Katzen wurde ein Tierarzt hinzugezogen. Die Tiere erholten sich recht schnell, und das scheue und gleichzeitig dem Menschen gegenüber aggressive Verhalten der Tiere in Verbindung mit der typischen Fellzeichnung legte den Verdacht nahe, dass es sich um Wildkatzen handeln könnte.

Letztendlich gelangte die Information über den Fund an den Arbeitsbereich Wildtierökologie an der FVA. Von Mitarbeitern untersuchte Blutproben bestätigten den Verdacht auf Wildkatze. Um die Chancen auf eine Aussetzung der Katzen am Fundort so groß wie möglich zu halten, wurde das weitere Vorgehen mit Wildkatzenexperten aus Nachbarländern abgestimmt. Gute Erfahrungen mit der Aussetzung von aufgelesenen Wildkatzenjungen liegen in einer Auffangstation in der Eifel vor. Bis die Tiere die lange Reise auf sich nehmen konnten, wurden sie auf typische Krankheiten untersucht und geimpft. Hierfür wurden die jungen Wildkatzen von Mitarbeitern der FVA in eine Tierklinik gebracht und einer professionellen Behandlung unterzogen.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Wildkatzenmütter ihre Jungen über mehrere Stunden alleine lassen, wenn sie zum Beispiel auf Nahrungssuche gehen. Wenn Jungtiere ohne das Muttertier aufgefunden werden, bedeutet dies in den seltensten Fällen, dass diese ihren Nachwuchs nicht mehr versorgt. Nicht zuletzt, da die Mutter sich bei Annäherung eines Menschen zurückzieht. Dies gilt nicht nur für Wildkatzen. Es ist immer problematisch, Jungtiere wildlebender Arten in menschliche Obhut zu nehmen. Einerseits kann keine Versorgung durch den Menschen die Mutter ersetzen. Andererseits ist es äußerst schwierig, Tiere in einer Art und Weise großzuziehen, dass die Gewöhnung an den Menschen so gering gehalten wird – eine Voraussetzung dafür, dass diese wieder in ihren eigentlichen Lebensraum entlassen werden können. Häufig sind die Tiere als Folge der Gefangenschaft in freier Wildbahn nicht mehr überlebensfähig oder zeigen ein unnatürliches Verhalten, welches eine Auswilderung unmöglich macht.

Werden Jungtiere in der Natur ohne Mutter aufgefunden, so muss zunächst davon ausgegangen werden, dass die Mutter nach kurzer Zeit zurückkehrt. In Zweifelsfällen sollten die Tiere keinesfalls mitgenommen, sondern zunächst der zuständige Wildtierbeauftragte, Förster oder Jäger über den Fund informiert werden.

Mit Hilfe von Kameras können die Jungtiere beobachtet werden. Erst wenn ausgeschlossen werden muss, dass die Tiere noch von der Mutter versorgt werden, ist das menschliche Eingreifen gerechtfertigt.