Bereits aus früheren Studien war bekannt, dass Stickstoff-Emissionen aus Waldböden möglich sind, wenn die Wälder durch erhöhte Stickstoff-Einträge aus Landwirtschaft und Industriegebieten belastet werden. Jetzt wurden im Rahmen des EU-Projektes "NOFRETETE" erstmals die Stickstoffoxid-Emissionen aus europäischen Waldökosystemen erfasst. Österreich war durch das Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW) vertreten.

Wichtige Treibhausgase

In den Fachmedien wurde mehrfach über die Stickstoffüberversorgung der Wälder und das damit verbundene bessere Wachstum der Bäume berichtet. Und jetzt soll der Waldboden wieder Stickstoff abgeben? Wie hängt das zusammen? Bis zu einer gewissen Grenze können die Bakterien den Stickstoffeintrag für die Waldbäume verfügbar machen. Steigt die Menge im Boden weiter an, dann wird der Stickstoff entweder ausgewaschen oder eben emittiert.

Neben Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Ozon (O3) ist Lachgas (N2O) eines der wichtigsten Treibhausgase. Es trägt zirka 6% zum anthropogen bedingten Treibhauseffekt bei. Das Kritische dabei ist der Langzeiteffekt: Lachgas verbleibt rund 150 Jahre in der Atmosphäre. Jährlich nimmt der N2O-Anteil derzeit um 0,3 % zu. Es ist also mit einem beträchtlich zunehmenden Beitrag von Lachgas zur Klimaerwärmung zu rechnen.

Bis jetzt galten tropische und landwirtschaftlich genutzte Böden als Hauptquelle. Da erst wenige Untersuchungen in Wäldern der nördlichen, gemäßigten und mediterranen Klimazone (mehr als 20 Mio. km2 weltweit) durchgeführt wurden, ist anzunehmen, dass das globale N2O-Budget stark unterschätzt wird. Große Unsicherheiten bestehen auch in der Abschätzung von NO-Emissionen aus Böden. Stickoxid (NO) ist an der Bildung von troposphärischem Ozon und somit indirekt am Treibhauseffekt beteiligt.

EU-Projekt NOFRETETE
Im Rahmen des NOFRETETE-Projektes wurde der Austausch von Stickstoffoxiden (NO/NO2, N2O) zwischen europäischen Waldökosystemen und der Atmosphäre erfasst. Auswirkungen des Klimawandels, der Stickstoffeinträge und der Zunahme oder Abnahme der Waldfläche auf die Stickstoffoxidemissionen sollen beurteilt werden. Um die Emissionen besser abschätzen zu können, wurden folgende Aufgaben durchgeführt:
  • Labor- und Feldmessungen
  • Modellierung zur Vorhersage von Stickstoff-Spurengasemissionen aus europäischen Waldböden
  • Verknüpfung der Labor- und Felddaten mit Flächennutzungen, klimatologischen Informationen, Bodeneigenschaften und atmosphärischen Stickstoff-Einträgen in einer GIS-Datenbank
  • Europäische Inventur der Stickstoffoxid-Emissionen
  • Szenarien für europäische Wälder

Nadelwaldböden emittieren mehr als Laubwaldböden

Im Rahmen des NOFRETETE-Projektes wurden in 15 europäischen Wäldern Messungen von NO und N2O durchgeführt. Auf vier Flächen wurden zusätzlich NO2, CO2 und CH4 ermittelt. Beziehungen zwischen Stickstoff-Eintrag, Waldtyp und unterschiedlichen Umweltfaktoren (z.B. Temperatur, Niederschlag) auf die Menge der Stickstoff-Emissionen konnten gefunden werden.
Mit interessanten Detailergebnissen: So sind die NO-Emissionen aus Böden von Nadelwäldern höher als von Laubwäldern. Diese Unterschiede sind teilweise durch den höheren Stickstoff-Gehalt der Kronentraufe in Nadelwäldern, teilweise durch die unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften der Streu sowie durch die verschiedenen Wasserverhältnisse in Nadel- und Laubwäldern erklärbar. Hinsichtlich der N2O-Emissionen ergaben sich keine eindeutigen Unterschiede.

Einfluss durch Industriegebiete oder Farmen

Untersuchungen in industrienahen Gebieten (österreichische Flächen) oder in der Nähe von Geflügelfarmen (schottische Fläche) zeigten, dass durch die hohen Stickstoff-Einträge bedeutend mehr Emissionen entstehen. Auch Wälder in der Nähe von intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen (in Süddeutschland oder den Niederlanden) bilden signifikant mehr Stickstoff-Emissionen. Im Gegensatz dazu emittieren Bestände mit geringen Stickstoff-Einträgen, wie in Finnland, sehr geringe Mengen an Stickoxiden.

Mit Hilfe von Laboranalysen konnte das erste Mal aufgezeigt werden, dass Stickstoff-Einträge Stress auf Mikroorganismen (Bakterien) ausüben können. Dieser führt zu einer vermehrten Bildung von Treibhausgasen. Sollte der atmosphärische Stickstoff-Eintrag weiterhin ansteigen, hätte dies entscheidende Folgen für die Funktionen des Bodens.

Europäische Stickstoff-Emissionsinventur

Eine Inventur der Stickoxidemissionen für Europa (Abb. 2) ergab jährliche Gesamtemissionen von bis zu 5 kg N2O-N je ha und von bis zu 9 NO kg je ha, wobei speziell in Gebieten mit hohen Stickstoff-Einträgen höhere Stickstoff-Emissionen prognostiziert wurden (speziell für Deutschland und die Benelux-Staaten).

Abb. 2A und 2B: Jährliche simulierte N2O- (links) und NO-Emissionen (rechts) aus europäischen  (Garmisch-Partenkirchen) Wäldern im Jahr 2000. Quelle: Kessik Magda

Die gesamten Stickstoff-Spurengasemissionen aus europäischen Wäldern betrugen für das Jahr 2000 durchschnittlich 219 kt NO-N und 117 kt N2O-N. Dies bedeutet, dass aus Waldböden rund ein Fünftel der geschätzten landwirtschaftlichen Emissionen entstehen und sie daher eine signifikante Quelle für Treibhausgase darstellen.

Angenommen, die Mitteltemperatur von 1991-2000 steigt bis zum Zeitraum 2031-2039 in den alpinen Regionen um 2 °C, in den anderen Gebieten um 1 °C, dann werden sich die NO-Emissionen aus Waldböden voraussichtlich um 14 % erhöhen, besonders deutlich in Skandinavien, in den nördlichen Alpen und an der Westküste von Großbritannien. Leichte Rückgänge wurden für Mittelfrankreich und NW-Spanien berechnet. Die N2O-Emissionen werden sich europaweit voraussichtlich um 6 % verringern (Abnahme in Skandinavien und den baltischen Staaten; starke Zunahme [bis 20%] in Mitteleuropa, Großbritannien und den mediterranen Ländern).

Einfluss intensiver Landwirtschaft auf Klima unterschätzt

Ein wesentliches Ergebnis des NOFRETETE-Projektes ist, dass die ermittelten N2O-Emissionsfaktoren wesentlich die geschätzten IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change)-Werte übersteigen. Das bedeutet (klima-)politisch: Die derzeitige IPCC-Methodik unterschätzt stark den Einfluss von intensiver Landwirtschaft auf das globale Treibhausgasbudget.