Über die oben gestellten Fragenmachte man sich bereits vor über 100 Jahren Gedanken, als die Nachzucht von Bäumen ökonomisch bedeutend war. Die Fragen sind bis heute keineswegs vollständig geklärt.

Die massenhafte Produktion von Früchten und Samen bei Bäumen zieht Tier und Mensch seit je in ihren Bann. Bergfinken schwärmen den Bucheckern über halb Europa nach, Wildschweine werden nach Eichenmast zahlreicher, und der Mensch optimiert den Anbau von Obstbäumen, um alljährlich maximale Erträge zu erzielen.

Während Obst- oder Zitrusbaumarten natürlicherweise oft alternierend, also im Rhythmus von zwei Jahren, grössere Mengen von Früchten produzieren, dauert es zwischen massenhafter Fruchtproduktion bei Waldbaumarten oft mehrere Jahre, und die Fruchtproduktion ist weniger zyklisch. Jahre mit besonders grosser Samenproduktion werden hier in Anlehnung an die früher übliche Schweinemast unter Eichen Mastjahre genannt. Weniger auffallend, dafür ebenso charakteristisch bei Waldbäumen sind jene Jahre, in denen wenig oder keine Früchte bzw. Samen produziert werden.

Messung von Samenhäufigkeit

Die Quantifizierung der Samen- oder Fruchthäufigkeit durch Zählen von Früchten an Ästen oder retrospektiv durch Zählen von Zapfennarben an Ästen ist zeitaufwendig. Seit Langem werden daher die Samenmengen geschätzt und hierfür Häufigkeitsklassen verwendet, was je nach Anzahl Klassen zu Ungenauigkeiten führen kann. Samenabundanzen werden typischerweise in drei bis fünf Einheiten unterteilt, wobei die niedrigste Klasse jeweils fehlende Samen oder Fehlmast und die höchste Klasse Samenmast bzw. Vollmast definieren.


Tab. 1 - Klassierung der Samenmengen bei Waldbäumen, nach Angaben in Rohmeder (1972)

BezeichnungCodeBäume im BestandFrüchte/Zapfen am Einzelbaum
Fehlmast0<10% aller Bäumekeine oder wenige
Sprengmast110–50% aller Bäumewenige bis reichlich
Halbmast250–80% aller Bäumereichlich bis üppig
Vollmast3>80% aller Bäumeüppig bis ausladend

Häufigkeit von Mastjahren

Mastjahre treten nicht streng regelmässig auf, jedoch in einer gewissen artspezifischen Periodizität. Unter anderem ist der Entwicklungszyklus der einzelnen Arten ausschlaggebend. So brauchen beispielsweise Eichen je nach Art zwei oder drei Jahre für die Samenentwicklung.

    Unseres Wissens existiert schweizweit nur eine einzige Zeitreihe für Samenhäufigkeit mehrerer Baumarten. Sie wurde von Anton Burkart an der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL erstellt (Abb. 3).

    • Für Stiel- und Traubeneiche gibt es in Europa je nach Region sehr unterschiedliche Erkenntnisse, die von der Art, aber ebenso vom Untersuchungsgebiet und vom Zeitraum abhängen. Es werden Häufigkeiten zwischen zwei und acht Jahren angegeben. Im östlichen Schweizer Mittelland tritt bei Stiel- und Traubeneiche die Mast synchron alle zwei bis drei Jahre auf.
    • Buchen produzieren im östlichen Mittelland etwa alle drei Jahre eine erhöhte Menge Samen.
    • Unter allen Hauptbaumarten in Mitteleuropa ist die Fichte wohl jene Baumart, über die am meisten Informationen vorhanden sind. Die Anhaben für Europa schwanken zwischen zwei und sieben Jahren. Im östlichen Mittelland können wir alle sechs Jahre mit einer Samenmast rechnen.
    • Für die Weisstanne liegen nur wenige Studien zur Quantifizierung der Masthäufigkeit vor. Als mittlere Frequenz wurden in Deutschland und Polen drei Jahre angegeben, was auch auf die Tieflagen des Mittellandes zutrifft.
    • Das Erkennen von Mastjahren bei der Waldföhre ist schwierig und erfordert Erfahrung, da diese Art typischerweise jedes Jahr eine gewisse Menge an Früchten produziert und die leeren Zapfen noch Jahre an den Ästen hängen bleiben.

    Ausdehnung von Samenmast

    Langjährige Aufzeichnungen über die Samenhäufigkeit sind meistens an Einzelpersonen gebunden, dauern deshalb kaum länger als 30 Jahre und beschränken sich in der Regel auf kleine Regionen. So sind denn auch trotz der Augenfälligkeit von Samenmast bei Waldbäumen bisher kaum grossräumige Muster abgeleitet worden.

    Für manche Baumarten kann man Regionen abgrenzen, in denen sich eine innerartliche Synchronisierung der Samenmast feststellen lässt. So wurde im 20. Jahrhundert mindestens zehnmal eine ausgeprägte Buchenmast von der Nordschweiz bis nach Norddeutschland festgestellt. Dass Buchenmastjahre, die in der Schweiz und in Deutschland auftraten, weiter nördlich in Dänemark teilweise ausblieben, ist vermutlich auf dort fehlende Grosswetterereignisse wie Hitze- und Trockenheitswellen zurückzuführen. Dies deckt sich mit der Tatsache, dass die Frequenz von Mastjahren bei der Fichte in Nordeuropa geringer ist als in Mitteleuropa, und mit der Beobachtung, dass nordische Fichtenherkünfte, die nach Süden verpflanzt werden, dort häufiger und mehr Samen produzieren als an ihrem Ursprungsort.

    Warum und wie kommt es zu Samenmast?

    Evolutive Theorien gehen davon aus, dass sich eine synchrone Samenproduktion positiv auf die Fitness (d.h. den Reproduktionserfolg) eines Individuums auswirkt, wobei in der Literatur hauptsächlich drei Mechanismen vertieft beschrieben werden:

    1. Räubersättigung. Je grösser die gesamte Samenproduktion einer Baumpopulation ausfällt, desto mehr Samen entkommen dem Feinddruck.
    2. Bestäubungseffizienz. Die Bestäubungswahrscheinlichkeit einzelner Blüten steigt, wenn viele Baumindividuen gleichzeitig blühen und Pollenüberfluss herrscht.
    3. Verbesserte Samenausbreitung bei hoher Samenverfügbarkeit. Solche Mechanismen werden auch als "economies of scale" bezeichnet, weil bei gleichzeitiger Samenproduktion vieler Individuen innerhalb einer Population weniger Ressourcen pro Samen verbraucht werden.

    Bis heute fehlt jedoch eine umfassende Theorie, weshalb Samenproduktion einzelner Baumindividuen synchron stattfindet. Letztendlich hängt die Verfügbarkeit von Ressourcen und deren Nutzbarkeit zu einem grossen Teil von Klima und Witterung ab, weshalb die synchronisierende Wirkung eher diesen zwei Faktoren und weniger dem aktuellen Ressourcenbudget eines Individuums zugeschrieben wird.

    Einfluss von Witterung und Klima

    Eine der am besten untersuchten europäischen Baumarten im Zusammenhang mit Samenmast ist die Buche. Für diese Art gibt es verschiedene Angaben zu Wetterbedingungen, die zu einem Mastjahr führen. Das allgemeine Muster in Mitteleuropa besteht aus einem kühlen Frühsommer im ersten Jahr, gefolgt von einem warmen Frühsommer im zweiten Jahr, was im dritten Jahr zu einem Mastjahr führt. Dabei kann dieses Muster unterbrochen werden, wenn zum Beispiel ein später Frost oder anhaltender Regen während der Blüte die Bestäubung einschränkt. Dies deckt sich mit der Beobachtung, wonach die mittlere Temperatur im Frühsommer (Mitte Juni bis Anfang Juli) im Jahr vor einer Samenmast höher ist als in Jahren ohne Mast.

    Der Zusammenhang zwischen hohen Temperaturen im Frühsommer und Mast im darauffolgenden Jahr konnte anhand der WSL-Zeitreihen von Anton Burkart allerdings nicht bestätigt werden, wohl aber eine Korrelation mit tiefen Julitemperaturen zwei Jahre vor der Mast. Die Zeiträume, in denen die Witterung die Samenproduktion beeinflusst, sind regional unterschiedlich.

    Das Ausmass einer Fichtenmast wird primär durch die Anzahl Blüten bestimmt, deren Anlage durch milde Temperaturen und wenig Niederschlag im vorangehenden Sommer initiiert wird. Auch die produzierte Pollenmenge, die in pollenreichen Jahren bis 160 kg/ha betragen kann, hat einen grossen Einfluss. Die Zahl der befruchteten Blüten wird durch Niederschlag und Frost während des Pollenflugs empfindlich geschmälert, während die späteren klimatischen Bedingungen nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.

    Zusammenhänge zwischen klimatischen Faktoren und Mast bei Stiel- und Traubeneiche sind wenig dokumentiert, regional und zuweilen nicht nachweisbar. Die Waldföhre zeigt generell ein wenig ausgeprägtes Mastverhalten. Auch in Bezug auf die Weisstanne ist wenig darüber bekannt, wie Mastphänomene zustande kommen. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sie alle zwei Jahre eine grosse Zahl an Blüten produziert und die Pollenmengen nach trockenen Sommern besonders gross sind. Ob sich daraus zahlreiche Früchte entwickeln, dürfte wie bei der Fichte von Frostereignissen und Niederschlag während der Blütezeit abhängen.

    Schlussfolgerung

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Mastereignisse auf dem Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren beruhen, die je nach Baumart und Klimacharakter (z.B. Süd- vs. Nordeuropa) unterschiedliches Gewicht haben. Letzteres, also die unterschiedlichen Klimaeinflüsse auf das Mastverhalten bei weit verbreiteten Arten, ist nur wenig dokumentiert.

    Da die bestehenden Messreihen oft nur die kurze Zeit von 10 bis 25 Jahren umfassen und regional auf unterschiedlichen Methoden basieren, sind Aussagen über die Auswirkungen von sich ändernden klimatischen Bedingungen auf das Mastverhalten einzelner Baumarten heikel, selbst wenn im konkreten Fall die Witterung bei der Auslösung oder Verhinderung von Mastereignissen eine deutliche Rolle spielt.

    Da die Verjüngung unserer Wälder zu einem grossen Teil von der Verfügbarkeit von Samen und damit auch von der Samenproduktion abhängt, ist es mehr als wünschenswert, klimatische und witterungsbedingte Zusammenhänge genauer zu kennen. Für eine bessere Abschätzung der zukünftigen Entwicklung von Mastereignissen in der Schweiz mit Berücksichtigung der Höhenlage sind aber grossräumig konsistent erfasste Daten über einen längeren Zeitraum nötig.
     

    Melden Sie Ihre Beobachtungen zur Samenproduktion von Waldbäumen

    Die Forschungsanstalt WSL hat die Website mastweb.ch entwickelt, um Beobachtungen über die Samenproduktion von Waldbäumen in der Schweiz zu sammeln. Die Informationen, in welchem Jahr und an welchem Ort eine Baumart viele Früchte produziert hat, sollen es den Wissenschaftlern ermöglichen, die ausschlaggebenden Faktoren für die sogenannten Mastjahre besser zu verstehen. Teilen Sie Ihre Beobachtungen mit.

    Weitere Informationen

    (TR)