Heutzutage erscheint meist ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum vor Augen, wenn vom "Tannenbaum" die Rede ist. Und tatsächlich gilt es als nachgewiesen, dass bereits im 16. Jahrhundert Bäume zum Schmücken der Wohnung in der Weihnachtszeit verwendet wurden.

Im Straßburger Münster wurde bereits 1539 ein Weihnachtsbaum aufgestellt. Diesem Brauch wird zwar ein heidnischer Ursprung nachgesagt, da schon die Germanen die immergrüne Tanne als Symbol ewiger Lebenskraft, fortwährenden Wachstums und unerschöpflicher Fruchtbarkeit ansahen.

Inzwischen hat sich die Tradition des Weihnachtsbaumes allerdings auf weite Teile der Welt ausgedehnt. Zunächst ohne jeden Schmuck, wurden die Bäume schon bald mit Äpfeln und anderem Obst behängt, schließlich ab dem 17. Jahrhundert auch mit süßen Leckereien und Schmuck.

Inzwischen werden in Deutschland jährlich nahezu 30 Mio. Weihnachtsbäume aufgestellt. Dabei handelt es sich zumeist nicht mehr um Weißtannen, sondern um Fichten oder die aus dem Kaukasus stammende Nordmanntanne.

Bohrmuschel und Tanne?

Doch die Tanne wird und wurde bei uns nicht vorrangig als Weihnachtsbaum genutzt. Versetzen wir uns einmal in die Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts zurück. Die boomende Wirtschaft der Seemächte, wie etwa Holland, benötigt für ihre Bautätigkeiten und die anwachsende Seeflotte enorme Holzmengen.

Die Flößerei versorgt diese starke Nachfrage unter anderem mit Holz aus dem Schwarzwald. So prägen zum Teil mehrere hundert Meter lange Flöße aus dem Schwarzwald das Erscheinungsbild der Flüsse. Der Schwarzwald war zu dieser Zeit stark von der Tanne geprägt. So verwendete man Weißtannen wegen ihrer Form, ihrer Dimension und der mechanischen Eigenschaften unter anderem als Schiffsmasten. Aber auch beim Ausbau der Städte und der Hafenanlagen leistete die Tanne ihre Dienste. Teile von Amsterdam sollen auf Tannenholzpfeilern stehen und die mächtige Seeflotte machte an Pfeilergruppen (=Duckdalben) im Hafen fest. Doch die Bohrmuschel hat den Holzpfeilern im Wasser inzwischen den Garaus gemacht und man verwendet heute lieber Stahlkonstruktionen.

Aber auch bei Bautätigkeiten im Schwarzwald wurde auf das vorhandene Holzpotenzial des Waldes zurückgegriffen. Die prächtigen Bauernhöfe im Schwarzwald werden noch heute von Gebälk aus Tannenholz getragen und auch die Schindeln der Außenfassaden wurden damals wie heute aus dem Holz der Tanne gefertigt. Der Dachstuhl des Freiburger Münsters besteht zum Teil aus tausend Jahre altem Weißtannenholz.

Auch die hölzernen Wasserradschaufeln, Brunnenleitungen und Stauwehre im Schwarzwald wurden aus Weißtannenholz angefertigt, weil dieses gerade bei ständigem Wasserkontakt als sehr widerstandsfähig und haltbar gilt.

Honig und Tannenbier

Von gewisser Bedeutung waren auch die neben dem Holz anfallenden Produkte der Weißtanne. So wurde aus den in der Rinde auftretenden Harzbeulen das sogenannte "Elsässer Terpentin" gewonnen, das wegen seiner antiseptischen Wirkung in Salben und Pflastern eingesetzt wurde. Die Inhaltsstoffe der Nadeln werden noch heute gerne als Zusatz für Kräuterbäder verwendet. Besonders in Rinde, Nadeln und Zapfenschuppen, aber auch im Holz, enthält die TanneBalsam (eine Mischung aus Harz und Öl), der früher durch Anritzen der Stämme gezielt gewonnen wurde.

Schon der Duft einer lebenden Tanne kann stärkend wirken. Weshalb bereits Pfarrer Kneipp empfahl, sich ein solches Bäumchen ins Zimmer zu stellen. Und Asthmatikern wurde empfohlen, sich nachts Tannenzweige mit ans Bett zu nehmen.

Echter Tannenblütenhonig ist eine Rarität, da die Tannentracht nicht regelmäßig eintritt. Er ist fast schwarz und duftet stark nach Tannennadeln. Früher sprach man sodann auch einem Tannenbier zu. Aber auch an der Musik, zu deren Klang Tannenholz durch Resonanzböden und hölzerne Orgelpfeifen beiträgt, kann man sich berauschen.

Hell, edel, harzfrei und modern: Weißtannenholz

Das Holz der Weißtanne ist dem der Fichte sehr ähnlich und selbst von Fachleuten erst auf den zweiten Blick zu unterscheiden. Es ist hell und hat einen leicht rötlichen Schimmer. Die Jahrringe sind deutlich erkennbar, da der farbliche Unterschied zwischen dem hellen Früh- und dunklen Spätholz innerhalb eines Jahrringes sehr stark ist. Gegenüber der Fichte gilt das Fehlen der Harzkanäle bzw. der Harzgallen im Holz als sicheres Unterscheidungsmerkmal. Die Oberfläche des Holzes ist nach dem Hobeln eher matt und meist etwas filzig; dadurch wirkt sie bei Berührung auch eher weich und warm.

Der Geruch des Holzes kann direkt nach dem Hauen, bedingt durch den gelegentlich auftretenden Nasskern, etwas säuerlich sein. Dieser ist aber nach dem Trocknen des Holzes nicht mehr wahrnehmbar. Den sprichwörtlichen Tannenduft verströmen hingegen nur die Nadeln oder die Rinde, weil nur diese die Duftstoffe und Harze enthalten.

Bei der Bearbeitung des Holzes gilt die Tanne gegenüber der Fichte als etwas spröder. Andererseits lässt es sich sehr gut spalten. Dies erklärt, warum die Häuser im Schwarzwald zumeist mit Holzschindeln aus Weißtanne verkleidet sind. Aber auch das Schwindverhalten bei Wasserverlust durch Trocknung und das damit verbundene "Arbeiten" des Holzes fällt bei der Tanne wesentlich geringer aus als bei der Fichte. Die Begeisterung der Zimmerleute beim Verbauen von Tannenbalken war früher hingegen eher verhalten.

Dazu muss man wissen, dass Tannenholz (und hier speziell der Nasskern) für die Trocknung wesentlich mehr Zeit benötigt als Fichtenholz. Da nasses Holz naturgemäß schwerer ist, mussten die Zimmerleute also mit ihrer Muskelkraft das schwere Tannenholz in den Dachstuhl tragen. Dieser Aspekt ist in der Gegenwart nicht mehr bedeutsam, da Bauholz inzwischen nur getrocknet verbaut wird und der Einsatz von Lastkränen auf der Baustelle allgemein üblich ist. Im getrockneten Zustand ist Weißtannenholz sogar etwas leichter als das der Fichte.

Thermoholz als Allwetteralternative

Auch wenn man der Tanne eine hohe Beständigkeit bei ständigem oder wechselndem Wasserkontakt nachsagt, ist es sinnvoll, die natürliche Dauerhaftigkeit des Holzes beim Hausbau in jedem Falle durch bauliche Maßnahmen zu unterstützen. Dieser sogenannte "konstruktive Holzschutz" ist allerdings keine Erfindung der Neuzeit, denn die breiten Dachüberstände an den Bauernhöfen des Schwarzwaldes zeugen von einer langen Erfahrung im Holzbau.

Die Hitzebehandlung von Weißtannenholz ist ein neues Verfahren, bei dem die Haltbarkeit von Holzprodukten im Außenbereich erheblich verbessert werden kann. Dabei wird das Holz durch Heißluft, Wasserdampf oder im Ölbad kurzzeitig auf ca. 200° C erhitzt. Dieses in der Farbe nachgedunkelte Holz ist unter verschiedenen Namen als thermovergütetes Holz auf dem Markt und könnte zukünftig das Teakholz im Gartenmöbelbereich ersetzen. Die Bemühungen zur Verlängerung der Haltbarkeit werden im Falle der Tanne durch die gute Imprägnierbarkeit begünstigt. Das Tannenholz vermag Flüssigkeiten gut aufzunehmen, weshalb auch Holzschutzmittel, Beizen oder Farblasuren gut eingesetzt werden können.

Der Hausbau mit Holz erlebt derzeit eine Renaissance. Kurze Bauzeiten und ein hoher Vorfertigungsgrad im Werk tragen zum kostengünstigen Bauen bei, ohne dabei an Qualität und angenehmem Wohngefühl sparen zu müssen. Die Tanne lässt sich dabei sowohl im konstruktiven Bereich, aber auch im Innenausbau bei Vertäfelungen, Treppen- oder Saunabau sehr gut einsetzen. Harzflecken sucht man dabei vergeblich.

Ein imposantes Beispiel für die großen Dimensionen, die Weißtannenstämme erzielen können, ist der Einbaum, mit dem der Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg im Jahr 2000 eine Strecke von 2000 Seemeilen zwischen Mauretanien und Brasilien zurückgelegt hat. Er segelte auf seinem mit Auslegern bestückten 17 Meter langen und 350 Jahre altem Tannenstamm, um auf die Situation der brasilianischen Indianer aufmerksam zu machen.

Auch das hölzerne Dach der Expo-Messe in Hannover zeigt, was die Tanne zu leisten vermag. Es ruht auf 70 mächtigen Weißtannenstämmen aus dem Südschwarzwald. Weitere Beispiele sind die Innenausbauten in der Frauenkirche zu Dresden und der Weißtannenturm auf der Landesgartenschau in Kehl.

Beschaffung und Marketing

Bei der Beschaffung bzw. Verwendung von Weißtannenprodukten hat der Verbraucher derzeit allerdings noch ein ganz praktisches Problem. Der Handel bietet derzeit erst wenige Tannenholzprodukte an. Da das Tannenholz in vielen Eigenschaften der Fichte sehr ähnlich ist, wird es bislang mit diesem zusammen verarbeitet und mit diesem vermischt in den Handel gebracht. Einige Betriebe beginnen inzwischen, sich auf die Verarbeitung von Tannenholz zu spezialisieren und spezielle Weißtannensortimente in den Handel zu bringen. Die gezielte Nachfrage von Verbrauchern kann diesen Prozess beschleunigen.

Das Forum Weißtanne e.V. hat im September 2004 ein aktualisiertes Hersteller- und Lieferantenverzeichnis herausgebracht, das beim Bezug von Tannenholz und bei der Suche von "tannenholzfreundlichen" Architekten helfen kann. Anfang Dezember erschien eine Broschüre, die umfassend über die Möglichkeiten zur Verwendung von Tannenholz berichtet und das Marketing zu Gunsten der Tanne unterstützt. Sie wurde in Kooperation mit den Regionen Bayern und Vorarlberg erstellt und bündelt die regionalen Vermarktungsinitiativen. Hierzu wird auch die Internetpräsenz weiter ausgebaut.

Auch wenn die Weißtanne in anderen Bundesländern auf der Liste der gefährdeten Pflanzenarten steht, muss ein Verbraucher keine Angst haben, durch die Verwendung von Tannenholz Schaden anzurichten. Im Gegenteil, wer im Handel Tannenholz nachfragt, liefert dem Waldbesitzer einen Anreiz zur Pflege und Erhaltung der Tannenbestände!