Die sommergrüne Edelkastanie, auch Esskastanie genannt, zeichnet sich durch ihre schmackhaften und nahrhaften Früchte und ihr besonders dauerhaftes und optisch ansprechendes Holz aus. In Süd- und Westeuropa wird sie wegen der essbaren Früchte und als Holzlieferant angebaut. Ihr wird heute ein hohes Potenzial im Klimawandel zugesprochen.

1 Allgemeines

Name (wiss): Castanea sativa Mill.
(deutsch): Edelkastanie, Esskastanie, Kestenenbaum, Kiestebum, Keschde
(englisch): sweet chestnut, marron, spanish chestnut, portuguese chestnut
Familie: Buchengewächse (Fagaceae)
Unterfamilie: Eichengewächse (Quercoideae)
Natürliches Verbreitungsgebiet: Ursprung vermutlich in Kleinasien und östlichem Mittelmeerraum.

Vorkommen und Anbaugebiete in Mitteleuropa: Als Nahrungsmittel vor allem durch die Römer in Europa verbreitet. Natürliche Vorkommen im gesamten Mittelmeerraum, begrenzt durch die Gebirgsketten Atlas, Pyrenäen, Alpen, Rhodopen und Kaukasus. Großflächiger Anbau vor allem in Frankreich und Italien. Außerdem in Spanien, England und Irland sowie auf der Balkanhalbinsel verbreitet. Im Alpenraum vorwiegend in der Schweiz und Südtirol. In Deutschland punktuell in wärmebegünstigten Lagen wie der Rheinebene, an Nahe, Saar und Mosel, im westlichen Schwarzwald, im Odenwald und Taunus sowie am Main.

Praxisbeispiel:

Ertragskundliche Daten eines 35-jährigen Esskastanien-Reinbestandes im Arboretum Burgholz sind in der folgenden Tabelle dargestellt (Leder, B. 2017: Zwischenbericht zum Fremdländerkonzept NRW, Arnsberg):

 Höhemittl.Oberhöhe

(h100)

BHDmittl.NGVorrat*
(m)(m)(cm)/ham²/ha(fm/ha)
Esskastanie (35-j.)17,420,824,451025,6223
Buche (35-j.)**10,912,77,2397716,455
Eiche (35-j.)**14,1-10,7221119,9114
Birke (35-j.)***16,7-15,082414,6101
  • Weitere ertragskundliche Daten von Edelkastanien-Beständen hat Stratmann zusammenfassend dargestellt (Stratmann 2014).

2 Ökologie

2.1 Standortansprüche
  • Nährstoff- und Wasserbedarf: Die Edelkastanie hat eine breite Amplitude des Wasserbedarfs (Niederschläge von ca. 600 bis 1600 mm/Jahr). Sie ist relativ trockenheitstolerant und wächst bevorzugt auf sauren Böden mit hohem K- und P-Gehalt. Ist der Phosphorgehalt hoch genug, gedeiht sie auch sehr gut auf vulkanischen Standorten. Ihr Optimum hat sie auf lockeren, frischen und tiefgründigen Böden.
  • Wärmebedarf: Die Baumart wird als wärmeliebend bzw. wärmetolerant bezeichnet und fühlt sich bei Jahresmitteltemperaturen von 8 bis 15 °C wohl. Vor allem warme Herbstmonate wirken sich positiv auf die Vitalität aus.
  • Licht: Die Edelkastanie ist eine Lichtbaumart. Generell lässt sich sagen: je nördlicher das Anbaugebiet, desto höher ist der Lichtbedarf.
  • Ausschlussgründe: Nicht zu empfehlen ist die Pflanzung auf Standorten mit freiem Kalk im Oberboden, ebenso wenig auf schweren Tonen und stärker stau- oder grundwasserbeeinflussten Böden. Sie gilt als spätfrostempfindlich. Lang anhaltende Niederschläge während der Blütezeit (Juni bis Juli) können eine erfolgreiche Fruktifikation behindern.
2.2 Standortspfleglichkeit

Die Laubstreu der Edelkastanie ist gut zersetzbar und wird schnell abgebaut. Sie trägt damit zu einer guten Humusform (Mull) bei.

2.3 Wachstum
  • Wuchsverhalten: Edelkastanien werden 500 bis 600 Jahre alt und erreichen je nach Standort Höhen von 15 bis über 33 Meter. Sie verfügt über ein ausgesprochen schnelles Jugendwachstum. Aufgrund ihres hohen Stockausschlagvermögens wird die Baumart oft im Kurzumtrieb bewirtschaftet. Nach 20 bis 30 Jahren fruktifizieren die ersten Bäume regelmäßig.
  • Schattentoleranz: Als lichtliebende Baumart hat die Edelkastanie ihre besten Wuchsleistungen in hellen Wuchssituationen. Dennoch kommt sie, vor allem in jungen Jahren, auch mit Halbschattsituationen zurecht.
  • Konkurrenzverhalten: Edelkastanien geben schnell dem Konkurrenzdruck nach. Ihr Kronenausbau sollte daher frühzeitig gefördert werden.
  • Wurzelsystem: Die Edelkastanie bildet eine Pfahlwurzel, die sich vor allem in jungen Jahren entwickelt. Sämlinge können im ersten Jahr bereits Wurzeln von 30 bis 40 cm Länge ausbilden.
2.4 Verjüngung
  • Fruktifikation und Ausbreitungsbiologie: Sie verjüngt sich sowohl generativ als auch vegetativ. Die Bäume sind einhäusig und werden gleichermaßen durch Wind als auch von Insekten (v. a. Käfer) bestäubt. Bei Selbstbestäubung entstehen keine keimfähigen Früchte. Verbreitet werden die Samen vor allem durch Vögel und Nager.
2.5 Waldschutz (Risiken)
  • Abiotische Risiken: Als Baumart der wärmeren Lagen sind für die Edelkastanie Schneebruch und Spätfrost große Gefahren.
  • Biotische Risiken:
    Unter den biotischen Risiken ist besonders der 1992 nach Deutschland eingeschleppte Schlauchpilz Cryphonectria parasitica zu erwähnen, welcher den Edelkastanienrindenkrebs auslöst. Der Pilz zerstört das Kambium der Edelkastanie und verursacht so das Absterben von Stamm- und Kronenabschnitten bis zum ganzen Baum. Die europäische Edelkastanie C. sativa gilt zwar als etwas weniger anfällig als die amerikanische Art C. dentata, ist aber dennoch existenziell durch den Krebs gefährdet. Wenn die Bäume den Befall überleben, sind sie durch starke Rindenschäden und Zuwachsverluste kaum mehr forstwirtschaftlich nutzbar. Längere Trocken- und Hitzeperioden erhöhen die Zahl der Infektionen. Es gibt eine hypovirulente Form des Rindenkrebses, welche deutlich weniger aggressiv ist und den Baum weniger schwächt. Die von der hypovirulenten Form befallenen Bäume können nicht mehr von der aggressiven Form befallen werden. Daher wird die Beimpfung von noch gesunden Bäumen mit dem hypovirulenten Krebs derzeit erprobt, um die Ausbreitung des aggressiven Krebses zu hemmen.

    Eine Gefahr stellt auch die eingeschleppte Edelkastaniengallwespe dar. Die weiblichen Gallwespen legen ihre Eier in Knospen. Die überwinternden Larven verursachen beim Frühjahrsaustrieb eine Gallbildung, welche die gesunde Entwicklung der Blüten oder Blätter verhindert. Dadurch entstehen Verluste im Holzzuwachs sowie bei der Fruchtproduktion. Die Ausbohrlöcher der Wespe aus den Gallen stellen mögliche Eintrittspforten für Sporen des Rindenkrebses dar und können so den Befall und die Ausbreitung des Pilzes beschleunigen.

    Besonders auf staunassen oder grundwasserbeeinflussten Standorten sind Kastanien für Phythophtora-Pilze anfällig, welche die Tintenkrankheit auslösen und im Extremfall auch zum Absterben führen können.

3 Bedeutung für die Artenvielfalt/Biodiversität

  • Auswirkung auf Ökosysteme: Ihre Auswirkungen auf das Ökosystem können als positiv bewertet werden. Sie bietet vielen Tieren Nahrung. Von der langen und intensiven Blüte profitieren viele Insekten, und die Früchte ergänzen die Nahrung zahlreicher Säugetiere. In der rauen Borke verstecken sich Insekten. In hohem Alter neigt sie verstärkt zur Höhlenbildung und bietet somit wertvolle Habitate für Höhlenbewohner (Eremit bis Wildkatze).
  • Ökologische Integration: Obwohl die Edelkastanie in Mitteleuropa ursprünglich nicht heimisch ist, integriert sie sich gut in das Ökosystem.

4 Wuchsleistung

Der Zuwachs der Edelkastanie ist besonders in der Jugendphase hoch. In den ersten 20 Jahren kann durchaus mit einem jährlichen Volumenzuwachs von 10 bis 14 m³/ha kalkuliert werden. Unter optimalen Standortbedingungen erreichen Stockausschläge jährliche Massenzuwächse bis 22 m³/ha. Ein 120-jähriger Altbestand mit einem Vorrat von ca. 520 m³/ha kann immer noch jährliche Volumenzuwächse von 10 m³/ha leisten. Unter günstigen Standortbedingungen und mit geeigneter Behandlung können bis zum Alter von 60 Jahren Bäume mit einem BHD von 60 cm erreicht werden.

5 Qualität

5.1 Holzfehler

Bei ungleichmäßigem Jahrringaufbau kommt es durch Spannungen im Holz oftmals zu Ringschäle. Dies tritt an schlechten Standorten vermehrt auf, zumal bei Überalterung der Bestände.

5.2 Astreinigung

Die Edelkastanie hat eine relativ empfindliche Krone. Bei Dichtstand sterben die unteren Äste sehr rasch ab. Diese natürliche Astreinigung setzt schon früh ein, sodass bereits nach 10 bis 15 Jahren astreine Stämme von 7 Metern möglich sind. Es kann aber durch das rasche Wachstum noch eine Totastung nötig sein, um hohe Qualitäten zu erhalten

5.3 Sortimente

Schwächere Sortimente aus Niederwäldern und Durchforstungen werden besonders als Brenn- und Papierholz sowie Rebpfähle verwendet. Die Dauerhaftigkeit des Holzes prädestiniert sie für die Verwendung in der Lawinenverbauung oder beispielsweise auch als Terrassendielen oder auf Spielplätzen. Aus stärkeren Sortimenten entsteht Sägeholz für die Möbelproduktion bis hin zur Furnierherstellung.

6 Waldbauliche Behandlung

6.1 Bestandesbegründung

Die meisten Bestände werden durch Pflanzung im Weitverband (z. B. 2 x 3 m, 3 m x 3 m) begründet. Auch die Saat kann erfolgreich praktiziert werden, wobei hier eine Zäunung gegen Schwarzwild notwendig ist. Zudem ist die Verjüngung über Stockausschläge möglich und weit verbreitet. Daneben tragen auch Tiere wie Eichelhäher und Nager zur Verbreitung bei.

6.2 Mischungsformen

Die besten Wuchsleistungen werden im Reinbestand erzielt. Aufgrund der frühen Zuwachskulmination und der Lichtbedürftigkeit ist die Mischung mit anderen Baumarten waldbaulich anspruchsvoll.

6.3 Pflege- und Nutzungskonzepte

Um die Risiken von Rindenkrebs, Ringschäle, Gallwespe und Tintenkrankheit gering zu halten, ist es bei der Wertholzproduktion notwendig, den Zieldurchmesser von 50 bis 60 cm in einer möglichst kurzen Umtriebszeit zu erreichen. Dies ist nur mit großkronigen Bäumen möglich. Aufgrund der frühen Zuwachskulmination und Astreinigung muss der Kronenausbau in jungen Jahren erfolgen. Spätere Eingriffe bieten nur noch geringe Steuerungsmöglichkeiten. Daher ist die Auswahl von 60 bis 80 Z-Bäumen pro Hektar frühzeitig notwendig. Bei niedrigeren Zieldurchmessern sind auch mehr Z-Bäume möglich. Die Z-Bäume müssen konsequent freigestellt werden. Jungbestände sind bereits wenige Jahre nach dem Eingriff wieder komplett geschlossen. Daher sind Folgeeingriffe in kurzen Abständen sinnvoll und notwendig.

Der Ringschäle kann mit regelmäßigen Eingriffen vorgebeugt werden, sodass ein gleichmäßiger Holzaufbau ohne Jahrringsprünge entsteht.

7 Holzverwendung

7.1 Holzeigenschaften

Das ringporige Holz hat eine geflammte Zeichnung. Der helle Splint hebt sich gut vom dunklen Kernholz ab. Durch die starke Verthyllung im Kern ist das Holz der Edelkastanie sehr dauerhaft. Sie zählt zu den dauerhaftesten Holzarten Europas. Die Einstufung in die Dauerhaftigkeitsklassen 1 bis 2 (sehr dauerhaft bis dauerhaft) nach DIN EN 350-2 ermöglicht den Einsatz ohne Schutzmittel auch im Außenbereich.

7.2 Wertholztauglichkeit

Ja.

7.3 Verwendungsbereiche in der Holzindustrie
  • Chemisch: Faserholz, Brennholz.
  • Mechanisch: Rebpfähle, Hobelware, Möbelbau, Lawinenverbauung und vieles mehr.
7.4 Vermarktung

Vor allem der Einsatz im Außenbereich ist etabliert. Rebpfähle im Weinbau haben lange Tradition.

8 Nebennutzungen

Neben der Holzverwendung werden in vielen Regionen Europas Edelkastanien zur Fruchtproduktion angebaut. Die Maronen großfruchtiger Kultursorten werden zu Mehl verarbeitet, dienen in vielfältiger Weise als Beilage zu Speisen, werden geröstet oder roh verzehrt.

Weitere Nebenprodukte sind hochwertiger, dunkler Honig oder Speisepilze, die als Mykorrhiza mit der Edelkastanie vergesellschaftet sind.

9 Literatur

  • Avanzato, D.; Bounous, G. (2009): Following Chestnut Footprints (Castanea spp.). (Scripta Horticulturae Nr. 9). ISHS. Leuven (Belgium).
  • Bottacci, A. (1998): Castanea sativa Miller, 1768. In: Enzyklopädie der Holzgewächse 14. Erg. Lfg. Wiley-VCH, Weinheim.
  • Conedera, M. et al. (2004): Distribution and economic potential of Sweet chestnut (Castanea sativa Mill.) in Europe. In: ecologia mediterranea 30, 2: 179-193.
  • Conedera, M. et al. (2016): Castanea sativa in Europe: distribution, habitat, usage and threats. In: San-Miguel-Ayanz, J. et al. (Eds.): European Atlas of Forest Tree Species. Publ. Off. EU, Luxembourg, pp. 78-79.
  • Hein, S. et. al. (2013): Wachstumsteuerung der Edelkastanie. FVA-einblick 3/2013: 11-13.
  • Hein, S. et al. (2013): Wachstumskundliche Grundlagen der Wertholzproduktion mit der Edelkastanie (Castanea sativa MILL.) in Südwestdeutschland und im Elsass. AFJZ 185 (1/2): 1-16.
  • Lang, W. (2007): Die Edelkastanie wiederentdeckt im Zeitalter des Klimawandels. AFZ-DerWald 62 (17): 923-925.
  • Peters, F. et. al (2013): Edelkastanienrindenkrebs. AFZ-Der Wald 69 (16/2013): 12-14.
  • Prospero, S. et al (2011): Chestnut gall wasp (Dryocosmus kuriphilus) infestations: new opportunities for the chestnut blight fungus Cryphonectria parasitica? In: New Disease Reports (2011) 23: 35.
  • Schleppi, P. et. al. (2009): Veränderungen des Blattflächenindexes als Kronenreaktion nach Durchforstungen: methodische Aspekte und Beispiel eines Kastanienwaldes im Tessin. In: Beiträge zur Jahrestagung 2009 des Deutschen Verbands Forstlicher Forschungsanstalten - Sektion Ertragskunde. NW-FVA, Göttingen, S. 14-21.
  • Schumacher, J. (2013): Japanische Esskastanien-Gallwespe (Dryocosmus kuriphilus YASUMATSU). In: Waldschutzinfo 1/2013. FVA, Freiburg.
  • Segatz, E. (2013): Eignung der Edelkastanie als Biotop. Untersuchungen zum Beitrag der Edelkastanie zur Biodiversität. AFZ-DerWald 68 (16/2013)): 6-9.
  • Sprute, F.-J. (1987): Über einen Edelkastanienbestand im Moseltal. Forst- und Holzwirt 42:408-411.
  • Stratmann, J. (2014): Edelkastanie – mehr als nur Maronen. Norddeutsche Anbauten bestätigen großes Potenzial. AFZ-DerWald 69 (11/2013): 15-18.

Zusammenfassende Beurteilung der Anbauwürdigkeit