Waldökosysteme sind seit mehr als einem Jahrhundert zunehmend von Klimaänderungen betroffen. Vor knapp zwei Jahrzehnten stellte das "Waldsterben" in Frage, ob Waldökosysteme großflächig überleben können. Gegenwärtig weisen dagegen terrestrische, phänologische Untersuchungen, satellitengestützte Erfassungen der fotosynthetischen Aktivität und Waldinventuren eher auf beschleunigtes Wachstum als auf einen Kollaps der Wälder hin. Ob, wie und warum Waldbestände innerhalb des letzten Jahrhunderts ihr Wachstum veränderten, wird nach wie vor kontrovers diskutiert.

Schneller, ansonsten gleich

Untersucht wurde das auch am Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München (TUM); die Daten dafür stammen von langfristigen ertragskundlichen Versuchsflächen, die seit 1870 kontinuierlich unter Beobachtung stehen und damit zu den ältesten Anlagen ihrer Art weltweit zählen. Hier zeigen die Fichten und Buchen seit 1960 eine signifikante Beschleunigung

  • des Baumwachstums (+32 bis +77 %),
  • der Bestandesproduktivität (+10 bis +30 %) und
  • der Vorratsakkumulation (+6 bis +7 %).

Waldbestände folgen nach wie vor ähnlichen Regeln der Baum- und Bestandesallometrie. So verändert sich z.B. bei gegebener Bestandeshöhe das erreichte Volumen nicht. Gleiche Baum- und Bestandesgrößen werden schlichtweg in früherem Alter erreicht als in der Vergangenheit. Weil sich Bäume und Waldbestände schneller entwickeln, ist die Baumzahl bei gegebenem Alter gegenwärtig um 17 bis 20 Prozent geringer als in der Vergangenheit. Statistische Analysen zeigen, dass die Wachstumsbeschleunigung in erster Linie auf Temperaturerhöhungen und Verlängerungen der Vegetationszeit zurückzuführen sind. Sie fallen auf gut mit Nährstoffen versorgten Standorten besonders deutlich aus.

Auswirkungen

Das schnellere Wachstum und die schnellere Alterung von Bäumen und Wäldern bedeutet auch Anpassung: Pflanzen und Tiere, deren Habitate von speziellen Waldentwicklungsphasen und -strukturen abhängen, zwingt das beschleunigte Wachstum zu höherer Mobilität. Der Mensch kann von dem schnelleren Wachstum durch erhöhte Kohlenstoffbindung, aber auch forstwirtschaftlich profitieren. Zieldurchmesser und zuwachsoptimale Umtriebszeiten werden früher als in der Vergangenheit erreicht. Auf das erhöhte Zuwachsniveau kann die Forstwirtschaft mit angehobenen Nutzungssätzen reagieren.

Die gegenwärtigen Wachstumstrends erlauben bei gegebenem Alter höhere Bestockungsdichten als früher, die allerdings auch die Voraussetzung für höhere Nutzungen sind. Bei konventionellen Durchforstungskonzepten besteht die Gefahr einer zu geringen Dichtehaltung, verbunden mit Zuwachseinbußen, weil die erhöhte, altersbezogenen Kapazität nicht ausgeschöpft würde.

Indem definierte Baumgrößen, Bestandesvolumina und Mortalitätsraten 20 bis 30 Jahre früher erreicht werden, werden altersbasierte Erfahrungswerte, Ertragstafeln und andere Modelle ungültig. Risikobehaftete Entwicklungsphasen werden schneller durchlaufen als in der Vergangenheit. Verkürzte Umtriebszeiten können die Risikobelastung von Wäldern durch Schäden wie Windwurf, Borkenkäferkalamitäten oder Schneebruch bedeuten.