Ab 1985 führte die Forschungsanstalt WSL Direktsaat-Versuche mit und ohne Keimhilfen für die Gebirgswaldverjüngung durch. Direktsaat kann eine Ergänzung zur Naturverjüngung und eine Alternative zu herkömmlichen Methoden wie Pflanzungen mit Nacktwurzlern oder Topfpflanzen sein. Bei Bestockungsversuchen mit Direktsaaten ohne Keimhilfen war der Erfolg in der Vergangenheit bescheiden. Der Verbrauch an wertvollem Hochlagensaatgut war gross. Saatversuche mit Keimhilfen zeigen hingegen deutlich bessere Resultate.

Kleine, kegelförmige Treibhäuschen aus zersetzbarem Kunstoff verbessern die Wärme- und Feuchtigkeitsverhältnisse für den Keimungsvorgang. Samen und Keimlinge werden vor Frost, Hagel, sowie vor Frass durch Vögel, Mäuse, Schnecken und Insekten geschützt. Nach zwei bis drei Vegetationsperioden zersetzen sich die Keimhilfen unter dem Einfluss von UV-Strahlung ohne Rückstände.

Alternative zur Pflanzung

In folgenden Fällen ist die Direktsaat eine Alternative zu Pflanzungen:

  • In kleine Bestandeslücken, wo genügend Licht und Wärme den Boden erreichen
  • An Stellen, wo der Borkenkäfer kleine Bestandeslücken geschaffen hat
  • Nach Waldbränden sind die Bodenverhältnisse auch ohne Bodenbearbeitung hervorragend. Die Vegetation fehlt, und Streu- und Humusschicht sind oft verbrannt. Saaten mit Berg- und Waldföhre brachten sehr gute Ergebnisse
  • Ein weiteres Einsatzgebiet der Saat mit Keimhilfen sind Sturmflächen. Hier finden wir viele geeignete Kleinstandorte für Saaten mit und ohne Keimhilfen

Kostengünstig und geringer Arbeitsaufwand

Ein grosser Vorteil von Direktsaaten sind Einsparungen durch den Wegfall aller Nachzucht-, Transport- und Pflanzarbeiten. Dadurch wird es möglich, schon im Frühjahr zum Beispiel nach einer Holzernte mit der Waldverjüngung zu beginnen. Der Vorteil von noch vegetationsarmen Saatplätzen sollte man unbedingt ausgenützen. Bis die Vegetation die Bodenoberfläche abschirmt, vergehen meist mehrere Jahre, und die Sämlinge können mit wenig Pflegeaufwand der Krautschicht entwachsen.

Ein zweiter Vorteil ist der geringe Arbeitsaufwand. Mit Hilfe einer Pendel- oder Wiedehopfhaue wird der Boden leicht geschürft. Dieser Arbeitsvorgang entfernt Steine, Äste und kleine Wurzeln, lockert das Erdmaterial auf und beseitigt störende Vegetation. Die Keimhilfen lassen sich so leichter in den Boden drücken. Diese Art von Bodenvorbereitung hat keine nachteilige Wirkung, da rund um alte Strünke herum der Boden gut durchwurzelt ist.

Weitere Vorteile einer Direktsaat:

  • Ausbildung eines an die lokalen Nährstoff- und Wasserverhältmnisse angepassten Wurzelwerkes
  • Ein an die Gelände- und Bodenverhältnisse nach Form und Lage angepasstes Wurzelsystem, welches den mechanischen Beanspruchungen gerecht wird
  • Klimatisch angepasste Sämlinge für die entsprechenden Kleinstandorte
  • Kontinuierliches Wachstum ohne Wurzelschnitt, Wurzeldeformationen und Verpflanzungsschock
  • Anwendung auf flachgründigen Böden möglich

So wird gesät

  • Zeitpunkt: Im Frühling möglichst gleich nach der Ausaperung
  • Nicht bei Regenwetter sähen, da bei Nässe die Samen im Saatstock kleben bleiben
  • Günstige Kleinstandorte bestimmen: Saaten anordnen um Baumstrünke, Geländeerhöhungen, liegende Stämme, Steine
  • Mächtige Streu- und Rohhumusauflagen müssen entfernt werden
  • Bei stark verkrauteten Saatplätzen ist die Vegetation zu schälen
  • Kleine horizontale Standflächen mit Wiedehopfhaue oder Schuh schaffen
  • Kegel unter leichter Drehbewegung mit dem Saatstock satt in den vorbereiteten
  • Boden drücken (am besten in die humushaltige Mineralerde)
  • Auslösemechanismus betätigen, bis die gewünschte Anzahl keimfähiger Samen in den Kegel fällt

Verankern der Keimhilfen im Boden

Die Keimhilfen erfüllen ihre Funktion nur,wenn sie die Keimlinge/Sämlinge zwei Jahre schützen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sie fachgerecht im Boden verankert werden. Je nach Bodenbeschaffenheit ist dies nicht einfach und erfordert eine gewisse Erfahrung. Steine, Wurzeln, Äste, oder Vegetation können ein ideales Setzen der Keimhilfen verhindern. In solchen Fällen lohnt es sich, eine neue Saatstelle zu suchen, bis der Kegel satt im Boden sitzt.

Es muss Druck mit einer Drehbewegung auf den Saatstock ausgeübt werden, bis der untere Rand der Keimhilfen ca. 2 cm tief im Boden steckt. Mit dem Schuh oder der Hand können die Keimhilfen im lockeren Boden angedrückt werden. Im Frühjahr kurz nach der Schneeschmelze ist der Boden noch weich und feucht. Für das Stecken der Keimhilfen sind das ideale Verhältnisse.

Gefahren für die Treibhaus-Kegel:

  • Ausspülung bei starken Regenfällen
  • Schneegleiten an Südhängen mit mehr als 30° Neigung
  • Wildtritt entlang von Wildwechseln und Grabtätigkeit durch Mäuse
  • Kuppen mit extrem starkem Wind (Föhntäler)
  • Frosthebung während den Wintermonaten
  • Überdeckung durch Erde, Steine oder Astmaterial

Vergleich zwischen Saaten mit und ohne Keimhilfen

Bei einer 1985 gestarteten Testreihe (2000 Keimhilfen und 2000 Nullproben) sind deutlich mehr Samen in den Keimhilfen gekeimt und angewachsen als in den Vergleichsproben ohne Keimhilfen. Gemittelt über die Baumarten Bergföhre, Fichte und Lärche waren im Herbst nach der Saat 79 Prozent der Keimhilfen mit mindestens einem Sämling besetzt, bei den Nullproben dagegen nur 31 Prozent. In den folgenden Jahren hatten die Normalsaaten grössere Ausfälle als die Saaten mit Keimhilfen.

Wachstum der Saaten

  • Föhre und Lärche
    Der Zuwachs der Saaten ist auf vergleichbaren Standorten gleich gross wie im Pflanzgarten (ohne Düngung und Bewässerung). In tiefen Lagen (Balzers FL, 600 m ü. M.) erreichen die schnell wüchsigen Baumarten (Lärche und Föhre) nach 4 bis 5 Jahren einen Meter Höhe. In der Waldbrandfläche Müstair GR (2000-2200 m. ü. M.) erreichten Lärche und Bergföhre erst nach 10-12 Jahren die Höhe von einem Meter. Im Gegensatz zu vergleichbar gepflanzten Nacktwurzlern erlitten die aus den Saaten hervorgegangenen Pflanzen keinen Pflanzschock. Durch das kontinuierliche Wachstum ist der Höhenunterschied nach 10 Jahren im Vergleich zu gepflanzten Bäumen gering.
  • Fichte
    Der Zuwachs von Fichtensaaten ist deutlich geringer als bei Föhren- und Lärchensaaten. Über eine Zeitspanne von 10 Jahren haben die Bäume in tiefen Lagen einen Meter Höhe erreicht. Auf subalpinen Standorten brauchen die Fichten bis 20 Jahre, um die gleiche Höhe zu erreichen. Der Standort und die entsprechende Pflege der Saaten in den ersten Jahren sind für das Höhenwachstum entscheidend.

Saaten brauchen Pflege und Schutz

Um die Saatplätze besser wiederzufinden, ist es ratsam, im Zentrum einen Holzpfahl zu schlagen. In den ersten Jahren nach der Saat sind Kontrollgänge im Frühjahr und Herbst nötig. Äste und liegen gebliebenes Holz können im steilen Gelände die Keimhilfen umkippen. An Hängen, wo mit Schneebewegung (Schneegleiten) gerechnet werden muss, sind die Keimhilfen nur im Schutze von Stöcken, Wurzeln und Steinen sicher. Die Sämlinge werden gerne abgefressen, wenn sie aus den Keimhilfen wachsen. Darum ist nach 2-3 Jahren ein chemischer Wildschutz nötig. Besser ist natürlich ein Zaun, falls dies die örtlichen Gegebenheiten ermöglichen.

Mit der Vegetation lassen sich die Feuchtigkeit und Lichtverhältnisse regulieren. Je nach zu schneiden. Bewährt hat sich das Abschneiden der Vegetation auf ca. 20 cm Höhe. Das verhindert auf sonnigen Standorten das Austrocknen des Bodens. Manchmal genügt es, einige bedrängende Gras- und Krautarten auszureissen.

Hohe Arbeitsleistung

Genaue Angaben über die Arbeitsleistung sind wegen den sehr unterschiedlichen Verhältnissen auf potentiellen Saatplätzen schwer zu machen. Als Richtzeit darf man von 240 Keimhilfen pro Stunde (ohne Bodenbearbeitung) ausgehen. Bei 2400 Keimhilfen pro Hektare ist mit 10 Stunden reiner Saatarbeit zu rechnen.

Nur Samen hoher Qualität verwenden

Ob Freilandsaaten gelingen, hängt im hohem Masse von der Qualität des Saatgutes ab. Unterschiede zwischen Provenienzen können und müssen berücksichtigt werden. Die Keimkraft des geernteten oder zugekauften Saatgutes sollte hoch sein. Die Dosierung am Saatstock ist so einzustellen, dass 3-4 keimfähige Samen in einen gesteckten Kegel fallen. Der Verbrauch an hochwertigem Saatgut ist damit gering. Wenn zu viele Samen in eine Keimhilfe fallen, konkurrenzieren sich die Keimlinge/Sämlinge gegenseitig, was zu Wachstumseinbussen und erhöhten Ausfällen führt.

 

Tab. 1 - Benötigte Menge Saatgut pro Hektare

BaumartKeimkraftSamenmenge (Gramm)
Fichte90%90 g
Bergföhre80%70 g
Lärche40%120 g

Literatur

Schönenberger, W.; Wasem, U.; Barbezat, V., 1990/91: Mehr Keimlinge dank Plastikkegel: Baumsaaten mit Keimhilfen im Gebirge. - Wald und Holz 72, 4: 24-29.

(TR)