Die vegetative Vermehrung wertvoller Individuen durch Triebstecklinge trägt zur genetischen Auffrischung minderwertiger Populationen bei und ermöglicht im subalpinen Bereich, autochthones über Jahrhunderte lange angepasstes Material wieder einzubringen. Wesentlich sind das Alter der Mutterbäume, der Zeitpunkt des Stecklingsschnittes, die Substratwahl und die Anzuchtbedingungen im Pflanzgarten.

Die Folgen des 2. Weltkrieges führten in weiten Teilen Europas zu Engpässen bei der Saat- und Pflanzgutversorgung. Diese Zwangslage war in vielen Ländern Auslöser für die Intensivierung der Forstpflanzenzüchtung Mitte des letzten Jahrhunderts. Ziel war es, vegetativ gewonnenes Vermehrungsgut ökonomisch und in großer Zahl zu produzieren, um anstehende Wiederaufforstungen mit heimischem Material bewerkstelligen zu können. Eine andere Überlegung war es, durch Selektion besonders leistungsfähiger Baumindividuen eine Leistungssteigerung der Folgebestände zu erreichen.

Wesentlich sind Alter, Zeitpunkt, Substrat und Anzuchtbedingugnen

Umfangreiche Untersuchungen, unter anderem in Mariabrunn/Wien, zeigen, dass verschiedene Faktoren für eine erfolgreiche Stecklingsvermehrung zu beachten sind. Wesentlich dafür sind

  • das Alter der Mutterbäume,
  • der Zeitpunkt des Stecklingsschnittes,
  • die Substratwahl und
  • die Anzuchtbedingungen im Pflanzgarten.

Der Triebsteckling sollte von physiologisch jungen Pflanzen (10 bis 25 Jahre) geschnitten werden. Die Zweigordnung, an dem der Steckling geworben wird, ist wesentlich für den Bewurzelungserfolg. Viel versprechend für die Vegetativvermehrung sind Triebspitzen (Kopfstecklinge) des dritten und vierten Astquirls. Stecklinge des obersten Astquirls, Terminaltriebe und Stecklinge aus dem Schattenkronenbereich zeigten in den Untersuchungen ein geringeres Bewurzelungspotenzial.

Stecklingschnitt vier bis sechs Wochen vor Austrieb

Der Zeitpunkt des Stecklingsschnittes ist von großer Bedeutung. Der günstigste Termin zur Stecklingswurzelbildung und somit zum Stecklingsschnitt ist in etwa 4 bis 6 Wochen vor dem Austrieb (Ende Februar bis März). Vor dem Abstecken wird das untere Ende des Stecklings in ein Bewurzelungspräparat (Abbildung rechts), zum Beispiel Seradix B getaucht. Das Abstecken der Stecklinge erfolgt in Containern/Töpfen, die Stecktiefe ist in etwa 2 bis 3 cm.

Bei der Substratwahl sind verschiedene Varianten möglich. Wir verwenden im betriebseigenen Versuchsgarten Mariabrunn ein Gemisch aus Perlit und Styropor. Auch andere Substratmischungen (verschiedene Torfsubstrate) und natürlicher Kiessand (4 bis 8 mm) werden verwendet und führen zum gewünschten Anwuchserfolg. Abschließend werden die Container im Gewächshaus oder im Folientunnel abgestellt. Eine Sprühnebelanlage garantiert die notwendige hohe Luftfeuchtigkeit und eine nasse Nadeloberfläche, die es dem Steckling ermöglicht zu assimilieren, ohne dass es durch die Transpiration zu Wassermangel und Vertrocknungserscheinungen kommt.

Sobald die Stecklinge ausreichend angewurzelt sind (Juli bis August), werden die Stecklinge ausgehoben und im Freiland verschult oder bei Verwendung als Topfpflanzen in größere Töpfe umgetopft. Topqualität des Ausgangsmaterials und ideale Anzuchtbedingungen im Pflanzgarten ermöglichen bei der Fichte eine Anwuchsquote von 70 bis 90 Prozent.

Autochthones, über Jahrhunderte lange angepasstes Material kann eingebracht werden

Die vegetative Vermehrung wertvoller Individuen durch Triebstecklinge kann einerseits zur genetischen Auffrischung minderwertiger Populationen beitragen, andererseits eröffnet sie im subalpinen Bereich die Möglichkeit, autochthones über Jahrhunderte lange angepasstes Material wieder einzubringen und trägt dadurch zur Stabilisierung und Sicherung dieser sensiblen Regionen bei. Durch die Beerntung einiger hundert Mutterbäume (Klongemisch) ist der Erhalt einer hohen genetischen Vielfalt gegeben. In der Regel werden zwischen 100 und 500 Einzelbäume selektiert und vermehrt, das führt zur Erhöhung der Variabilität und stellt eine nachhaltige Bewaldung sicher.