Damit soll der Aufbau klimafester und artenreicher Wälder im Freistaat unterstützt und weiter vorangetrieben werden. Die Leitlinien sollen in Zeiten des rasch voranschreitenden Klimawandels die Auswahl geeigneter Baumarten für stabile und klimafeste Zukunftswälder im Freistaat erleichtern. Sie zeigen die angesichts der Klimaveränderungen zu erwartenden Chancen und Risiken für in Bayern bereits etablierte sowie für alternative Baumarten auf. Enthalten sind insgesamt 110 Baumarten, 39 heimische und 71 alternative Baumarten aus anderen Ländern, wobei 16 alternative Baumarten für einen forstlichen Anbau in den heimischen Wäldern ausdrücklich nicht empfohlen werden. Damit hat Bayern als eines der ersten Bundesländer einen Rahmen für eine zukunftsfähige Baumartenwahl gesetzt. Die Leitlinien entsprechen dem aktuellen Wissensstand, der sich im Zuge des Klimawandels sowie neuer Erkenntnisse und Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis stetig weiterentwickeln wird. Insbesondere das Baumartenspektrum soll daher neuen Erkenntnissen folgend laufend aktualisiert werden. Sie sind damit für die bayerischen Försterinnen und Förster eine wertvolle Grundlage zur fundierten Beratung und Unterstützung der Waldbesitzer.

Ausgangssituation: Der Klimawandel ist Fakt

Der gegenwärtig stattfindende Klimawandel stellt gegenüber natürlichen Klimaschwankungen eine völlig neue Entwicklung dar: Er findet in einem Tempo statt, das um mehrere Größenordnungen schneller ist, als die Erwärmung nach der letzten Eiszeit. Der durchschnittliche Temperaturanstieg von 1,6 Grad in den letzten 40 Jahren ist bereits erfolgt. Die globale Erderwärmung auf 2 Grad zu halten, entspricht dem erklärten politischen Ziel der Vereinbarung von Paris. Im Rahmen dieses Szenarios wird es in Bayern vermutlich zu höheren durchschnittlichen Temperaturen kommen. Dies gilt besonders dann, wenn es nicht gelingen sollte, den Ausstoß klimaschädlicher Gase drastisch und konsequent zu reduzieren.

In der Leitlinie wurden daher für die allermeisten Baumarten sogenannte Temperaturtoleranzstufen angegeben. Diese Klassifizierung der aufgezählten Baumarten gilt unabhängig vom jeweiligen Klima-Szenario. Das heißt, dass bei einer gemäßigten Temperaturerhöhung von 2 Grad, Baumarten mit einer mäßigen Temperaturtoleranzstufe noch angebaut werden können. Tritt eine stärkere Temperaturerhöhung ein, sollte der Waldbesitzer ausschließlich auf Baumarten mit einer hohen bis sehr hohen Temperaturtoleranzstufe zurückgreifen. Die Fichte ist beispielsweise mit einer geringen Temperaturtoleranz von < 17 Grad im Sommer vor allem für höhere Lagen der Alpen und Mittelgebirge geeignet.

Alle Baumarten weisen eine gewisse Klimatoleranz auf. Die sogenannten Klimahüllen, modellierte klimatische "Wohlfühlbereiche" der Baumarten, sind ein wichtiger Bestandteil zur Beurteilung der ökologischen Anpassungsfähigkeiten der jeweiligen Baumart und liegen im Bayerischen Standortinformationssystem (= BaSIS) vor. Es stellt ein derzeit einzigartiges, dynamisches, digitales Informationssystem dar, das bayernweit Informationen zum Standort und zu den Anbaurisikoeinschätzungen für 32 Baumarten darstellt. Darauf aufbauend wurde 2019 die Praxishilfe "Klima - Boden - Baumartenwahl" als begleitendes Printmedium zu BaSIS für 16 Baumarten entwickelt, ein zweiter Band soll Mitte dieses Jahres mit weiteren 16 Baumarten veröffentlicht werden. Diese Informationen stehen allen Försterinnen und Förstern der Bayerischen Forstverwaltung als Beratungswerkzeug zur Verfügung, um den Waldbesitzern eine fachlich kompetente Beratungsleistung bei der Auswahl klimatoleranter Baumarten bieten zu können.

Vorrang für heimische Baumarten

Grundsätzlich sollte bei Aufforstungen die zur Verfügung stehende Baumartenpalette der heimischen und seltenen heimischen Baumarten und deren Herkünfte ausgeschöpft werden, bevor der Blick auf alternative Baumarten aus anderen Ländern gerichtet wird. Mit 39 heimischen Baumarten steht dem Waldbesitzenden in den Leitlinien eine ausreichende Palette an Baumarten zur Verfügung. Es wird derzeit kaum eine Situation geben, in der nicht eine oder mehrere heimische und zugleich klimatolerante Baumarten infrage kommen. Die Leitlinien enthalten immerhin knapp 20 heimische Baumarten mit einer hohen bis sehr hohen Temperaturtoleranzstufe.

Wo es fachlich angezeigt ist und die Palette der heimischen Baumarten knapp werden sollte, können auch alternative Baumarten aus anderen Ländern im bemessenen Umfang und kleinflächig beteiligt werden. Diese alternativen Baumarten wurden in vier Kategorien eingeteilt. Die Kategorien stellen in Abhängigkeit vom Stand des Wissens und vorhandener Erfahrungen eine Art „Risikoklasse“ dar. Gerade bei alternativen Baumarten aus anderen Ländern sollten sich Waldbesitzer vor der Einbringung gut informieren um Rückschläge, aber auch negative Auswirkungen auf die Ökosysteme (Stichwort: Invasivität) zu vermeiden.

Schreitet der Klimawandel voran, verringern sich in der Konsequenz die noch zur Verfügung stehenden heimischen und alternativen Nadelhölzer aus anderen Ländern. Insofern sollte man nicht den Fehler begehen, die Fichte 1:1 mit der Douglasie oder der Küstentanne ersetzen zu wollen. Es gilt vielmehr, möglichst viele Baumarten in den Beständen zu beteiligen und dabei auf klimatolerante heimische Baumarten zu setzen. Das heißt ganz eindeutig, der Anteil des Nadelholzes in Bayern wird sich zugunsten von heimischen Laubhölzern verringern! Zu den allermeisten klimatoleranten heimischen Baumarten gehören die oben erwähnten knapp 20 Laubbaumarten. Auch bei alternativen Baumarten aus anderen Ländern, über die genügend Informationen vorliegen um Einschätzungen zum Anbau treffen zu können, gibt es nur sehr wenige klimarobuste Nadelhölzer. Übrig bleiben einzig die Schwarzkiefer, die Atlaszeder, die Libanonzeder und die Bornmüllertanne mit einer hohen bis sehr hohen Temperaturtoleranz, die Palette an alternativen klimatoleranten Laubbäumen ist dagegen wesentlich umfangreicher.

Auswahl alternativer Baumarten

Beim Umgang mit alternativen Baumarten musste zunächst der Erkenntnisstand über diese Baumarten erarbeitet werden. Bei der Beurteilung wurden vor allem die Integrierbarkeit in eine naturnahe Waldbewirtschaftung, das Invasivitätspotenzial, die Schadensanfälligkeit, die Produktivität und die aktuelle Anbauerfahrung berücksichtigt. Auf diese Weise sind, je nach Kenntnisstand und Risiko-Einschätzung, vier Eignungs-Kategorien für alternative Baumarten entstanden.

Kategorie 1: "Allgemeine Anbauempfehlung, zum forstlichen Anbau geeignet"

  • Für die Baumarten der Kategorie 1 liegen ausreichende und langjährige Anbauerfahrungen vor. Standörtliche Eignung und Risiken sind bekannt. In Kategorie 1 sind insgesamt 15 Baumarten (8 NH / 7 LH) enthalten.
    • Beispiele Nadelholz: Schwarzkiefer, Schwarzkiefer Kalabrien, Schwarzkiefer Korsika, Schwarzkiefer Österreich, Douglasie, Große Küstentanne, Japan-Lärche
    • Beispiele Laubholz: Robinie, Schwarznuss, Roteiche

Kategorie 2: "Eingeschränkte Anbauempfehlung, insbesondere in Form von Praxisanbauversuchen"

  • Bei den Baumarten dieser Kategorie gibt es bereits erste Erfahrungen. Die Anbaufähigkeit der Baumart, insbesondere ihre Eignung im künftigen Klima, ist nach aktuellem Wissensstand gegeben. Forstliche Anbauerfahrungen liegen allerdings in Mitteleuropa nicht in ausreichendem Umfang vor. In Kategorie 2 sind insgesamt 4 Baumarten (3 NH / 1 LH) enthalten.
    • Beispiele Nadelholz: Atlaszeder, Libanonzeder
    • Beispiele Laubholz: Baumhasel

Kategorie 3: "Bedingte Anbauempfehlung, nur unter wissenschaftlicher Begleitung"

  • Bei diesen Baumarten sind weder die Anbauwürdigkeit, die Anbaufähigkeit, noch ihre Eignung im künftigen Klima abschließend geklärt. Risiken können bislang noch nicht hinreichend abgeschätzt werden. In Kategorie 3 sind insgesamt 36 Baumarten (13 NH / 23 LH) enthalten.
    • Beispiele Nadelholz: Griechische Tanne, Gelb-Kiefer, Nordmanntanne, Scheinzypresse, Riesenlebensbaum
    • Beispiele Laubholz: Manna-Esche , Orientalische Platane, Silberlinde, Sumpf-Esche, Zerreiche, Ungarische Eiche

Kategorie 4: "Keine Anbauempfehlung, für den forstlichen Anbau ungeeignet"

  • Die bisherigen Erkenntnisse lassen eine Empfehlung der Baumart für einen forstlichen Anbau nicht zu. Es wird nach derzeitigem Wissensstand von einer Verwendung für forstliche Zwecke abgeraten. In Kategorie 4 sind insgesamt 16 Baumarten (7 NH / 9 LH) enthalten.
    • Beispiele Nadelholz: Strandkiefer, Serbische Fichte, Sitkafichte, Chinesische Kiefer, Kaukasus-Fichte
    • Beispiele Laubholz: Blauglockenbaum, Eschenahorn, Götterbaum, Silberahorn, Spätbl. Traubenkirsche

Umsetzung der Leitlinie vor dem Hintergrund knapper Pflanzenversorgungslage

In den meisten Fällen war bislang eine flächige Bepflanzung von Kulturflächen üblich. Die klimatisch bedingten Rahmenbedingungen für die Forstwirtschaft haben sich allerdings dramatisch geändert. Die letzten beiden Trockenjahre führten zu großen Ausfällen in Kulturflächen, der Nachbesserungsbedarf war und ist immens. Gleichzeitig wird das Potential an Naturverjüngung und Sukzession viel zu wenig genutzt, als kulturhinderlich betrachtet und früher oder später „beseitigt“. Aus mehreren Gründen kann deshalb ein punktuelles Vorgehen bei der Pflanzung in Form von Trupps oder anderen kleinflächig bis einzeln eingebrachter Beimischung zielgerichteter, naturnäher und kostengünstiger sein.

Die Versorgungslage mit herkunftsgesichertem Pflanzgut ist derzeit je nach Baumart höchst unterschiedlich. Die Baumschulen können auf die steigende Nachfrage aufgrund mangelnder Kapazitäten oder fehlenden Saatgutes zunehmend schlechter reagieren. Alternative Baumarten der Kategorien 2 und 3 sind kaum auf dem Markt verfügbar. Hier müssen die hiesigen Baumschulen größtenteils noch Vertriebswege etablieren, so dass erst in zwei bis drei Jahren mit ausreichend Pflanzgut zu rechnen ist. Zusammenfassend und pauschal lässt sich sagen, dass das Pflanzgut vor dem Hintergrund der Flächen, die deutschlandweit für eine Wiederaufforstung und deren Nachbesserung anstehen – nach derzeitiger Schätzung liegt die wieder in Bestockung zu bringende Fläche bei 230.000 Hektar – ein rares Gut ist und mittelfristig auch bleiben wird.

Insofern sollten Waldbesitzer möglichst auf Naturverjüngung setzen. Viele kleinere Flächen können auch der natürlichen Sukzession überlassen werden. Auf diesen Flächen werden sich neben Pionierbaumarten auch Baumarten aus dem benachbarten Waldbestand verjüngen. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür sind angepasste Wildbestände. Das konstruktive Gespräch mit dem verantwortlichen Jäger ist notwendiger denn je.

Entwickelt sich eine Naturverjüngung, die zu wenige klimatolerante Baumarten enthält, sollte diese gezielt mit unterschiedlichen klimatoleranten Baumarten angereichert werden. Diese sogenannte „Anreicherungskultur“ hilft, sparsam mit Pflanzenmaterial umzugehen, so dass ohne größeren Pflanzenverbrauch eine Kulturfläche aus mehreren Baumarten entstehen kann.

Leitlinien "Baumartenwahl für den Klimawald"

Sich auflösende Wälder wieder mit standortsgerechten Baumarten in Bestockung zu bringen, gleich ob mit Natur- oder Kunstverjüngung, wird zweifelsohne anspruchsvoller als in der Vergangenheit. Die Leitlinien "Baumartenwahl für den Klimawald" sollen hier den Waldbesitzer mit fundierten Empfehlungen zu verschiedenen Baumarten unterstützen. Patentrezepte gibt es allerdings nicht. Die bayerischen Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer werden aber in allen Fällen gut beraten sein, auf gleicher Fläche gleichzeitig auf mehrere Baumarten zu setzen, denn niemand weiß derzeit definitiv, wie stark sich das Klima ändern wird.

Die Leitlinien sind aber nicht geeignet, die konkrete Bewertung vor Ort zu ersetzen. Für die Baumartenwahl und die waldbauliche Vorgehensweise müssen unbedingt die Bewertung der örtlichen Standortbedingungen, das Anbaurisiko nach BASIS und die waldbauliche Ausgangslage und Zielsetzung mit einfließen.

Es gilt folglich das Risiko zu streuen, denn "wer streut, der rutscht nicht!" Welche Baumarten konkret geeignet sind, sollte daher in bewährter Weise mit der Försterin bzw. dem Förster vor Ort besprochen werden. Die für Sie zuständige Försterin bzw. Förster finden Sie mit dem "Försterfinder" im Internet oder telefonisch bei ihrem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.