Das klimatische "Superjahr 2003" wird nicht lange außergewöhnlich bleiben

Falls weiterhin soviel Kohlendioxid und andere klimawirksamen Spurengase emittiert werden, wird für die kommenden 100 Jahre im globalen Mittel ein Anstieg der bodennahen Temperaturen von 1,4 bis 5,8 °C erwartet (Schönwiese et al. 2003). Nach regionalen Klimaprognosen für Bayern werden die Temperaturen im Winter nur geringfügig zunehmen, für die Sommermonate ist dagegen mit einem erheblichen Temperaturanstieg zu rechnen, in einigen Gebieten um bis zu 6 °C (Bayerischer Klimaforschungsverbund, 1999).

Was diese Zahlen für unsere Umwelt wirklich bedeuten, lässt sich nur schwer abschätzen, weil uns ein Vergleichsmaßstab fehlt. Mit dem "Superjahr 2003" (Deutscher Wetterdienst) haben wir jetzt einen solchen Maßstab bekommen: Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes war die Jahresmitteltemperatur 2003 aller deutschen Stationen um 1,2 °C wärmer als üblich und im Durchschnitt aller Stationen fielen 25 % Niederschlag weniger als im langjährigen Mittel.

Diese Werte erscheinen nicht sonderlich extrem. Dennoch war der Sommer 2003 der heißeste seit Beginn der Klimaaufzeichnungen in Deutschland. Die Sommertemperaturen lagen dabei um 3,4 °C über dem langfristigen Durchschnitt. Der Vergleich dieser Rekordwerte von 2003 mit den zum Teil wesentlich höher liegenden Prognosewerten zeigt, dass im "Superjahr 2003" die Untergrenze dessen, was die Klimaforscher für die nächsten Jahrzehnte als neuen Durchschnitt erwarten, noch gar nicht erreicht wurde. Sollte auch nur das mildeste Szenario der Klimaforscher eintreten, ist das Jahr 2003 erst der Auftakt einer Entwicklung, in der sog. "Superjahre" häufig aufeinander folgen werden.

Die Prognosewerte der Klimaforscher werden noch anschaulicher, wenn wir an den Temperaturgradient von 0,65 °C auf 100 m Höhenunterschied denken. Eine Temperaturzunahme von 1,4 °C würde dem schwäbischen Donautal die Temperaturen des Weinbauklimas des 200 m tiefer gelegenen Würzburg bescheren. Bei einem Plus von 3 °C wäre Weinbau wohl auch im Allgäu eine echte Alternative zur Milchwirtschaft.

Die Klimaerwärmung ist unaufhaltsam: Wer sich nicht anpasst, muss weichen

Für die Forstwirtschaft ist zudem von großer Bedeutung, dass die Klimaforscher neben der weiteren Erwärmung auch eine Zunahme von extremen Wetterereignissen, wie Orkanen, Hagelschlägen, Starkregen und Dürreperioden erwarten.

Selbst wenn die Emissionen der klimawirksamen Gase heute umgehend auf ein vorindustrielles Niveau zurückgeführt würden, wäre die Klimaerwärmung in den kommenden Jahrzehnten nicht abwendbar. In den Weltmeeren ist, wie in einer gigantischen Wärmflasche, die Energie der vergangenen Jahrzehnte eingefangen. Dieser Speicher heizt die Atmosphäre in den nächsten Dekaden auf jeden Fall weiter auf. Unsere Gesellschaft ist deshalb gut beraten, neben den unbedingt notwendigen Vermeidungskonzepten (CO2-Reduktion, Kyoto-Protokoll) auch Anpassungsstrategien an den Klimawandel zu entwickeln.

Aufgrund der langen Generationsdauer der Waldbäume können Anpassungen in der Forstwirtschaft, sofern sie einen Baumartenwechsel erfordern, nur sehr langsam durchgeführt werden. Der Forstwirtschaft ist daher ganz besonders zu empfehlen, bereits heute in ihren waldbaulichen Entscheidungen die Klimaänderung zu berücksichtigen.

Risiko für den Brotbaum: Rechtzeitig Fichtenbestände umbauen

Das Zusammenwirken von Trockenheit und Borkenkäferbefall im Jahr 2003 führte auch den Laien vor Augen, wie gefährdet ausgerechnet unser "Brotbaum", die Fichte angesichts des Klimawandels ist. Die Bayerische Staatsforstverwaltung hat sich während der letzten Jahrzehnte intensiv bemüht, Nadelholzreinbestände in standortgemäße Mischwälder umzuwandeln. Im Privat- und Körperschaftswald wurde die Mischwaldbegründung finanziell gefördert. Die gegenwärtige Entwicklung bestätigt, wie berechtigt die Bemühungen um standortgemäße Wälder waren und sind. Die Umwandlung von Fichtenwälder in laubholzbetonte Mischwälder gelingt am leichtesten, wenn dafür ausreichend Zeit zur Verfügung steht, möglichst mehrere Jahrzehnte. Auf besonders kritischen Standorten ist jedoch eine rasche Auflösung der Fichtenbestände zu befürchten und es ist sinnvoll, in diesen Bereichen die Umwandlung in Mischwälder aktiv zu beschleunigen. Dies ist auch wirtschaftlich sinnvoll, da Zwangsnutzungen i.d.R. mit hohen Wertverlusten verbunden sind. Damit stellt sich zunächst die Frage, welche Waldbestände ganz besonders gefährdet sind und daher zügig umgebaut werden sollen.

Hitze, wenig Regen und leere Speicher: Wenn das Wasser knapp wird

Abb. 1 zeigt eine Einteilung Bayerns in Klimatypen. In den trocken-warmen Gebieten ist die Fichte besonders gefährdet. Diese trocken-warmen Landschaften erscheinen zunächst sehr ausgedehnt. Da diese Gebiete aber vergleichsweise gering bewaldet sind, ist die Waldfläche aller drei Klimabereichen in etwa gleich groß.

Die Einteilung in Abb. 1 stützt sich auf die gegenwärtigen Klimaverhältnisse. Werden regionale Prognosewerte einbezogen, könnten die Gefährdungsbereiche noch besser differenziert werden. Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) hat deshalb bereits Kontakt zum Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Atmosphärische Umweltforschung des Forschungszentrum Karlsruhe aufgenommen, um die aktuellste Simulation für Bayern für forstliche Zwecke aufzubereiten.

Ein für das Wachstum der Bäume und ihre Gefährdung durch Borkenkäfer entscheidender Umweltfaktor ist die Wasserversorgung. Dort wo ein warm-trockenes Klima und Böden mit geringem Wasserspeichervermögen zusammen vorkommen, ist die Fichte besonders gefährdet. Diese Risikostandorte können anhand der Standortskarten, die inzwischen für einen Großteil der Waldfläche außerhalb des Hochgebirges vorliegen, ausgewählt werden.

In den klimatisch warm-trockenen Gebieten gehören alle trockenen, mäßig trockenen und mäßig frischen Böden zu den Risikostandorten. In den mittleren Klimabereichen zählen nur trockene und mäßig trockene Böden dazu.

Unabhängig vom Klimatyp sind alle wechselfeuchten Böden Risikostandorte für die Fichte. Auf diesen Standorten ist nicht nur das Sturmwurfrisiko besonders groß. Aufgrund der geringen Durchwurzelungstiefe wird dort auch die Wasserversorgung der Fichte bei Dürreperioden rasch eingeschränkt.

In reinen Fichtenwäldern und in Fichten-Kiefern-Beständen auf Risikostandorten sollte bereits frühzeitig (ab ca. einem Alter von 50 Jahren) mit der Verjüngung begonnen werden.

Auf der sicheren Seite: Baumarten der Natürlichen Waldgesellschaften

Sind die am stärksten gefährdeten Waldbestände erst ausgewählt, stellt sich die Frage, welche Baumarten als Alternative zur Fichte in Frage kommen. Weil die Standorte sich im Zuge des Klimawandels verändern, können Baumarten, die bisher als standortgemäß galten, künftig womöglich nicht mehr geeignet sein.

Im Beitrag "Wachsen Palmen bald am Chiemsee?" haben wir beschrieben, welche Ansätze bestehen, um Baumarten zu identifizieren, die an veränderte Standortbedingungen angepasst sind. Wir empfehlen, sich bei der Baumartenwahl an den gegenwärtigen und künftigen natürlichen Waldgesellschaften zu orientieren.

Von Natur aus wären die meisten Gebiete Bayerns mit Buchenwald oder Buchenmischwald bedeckt. Die ökologische Amplitude der Buche ist so weit, dass sie in den meisten Gebieten Bayerns bei der gegenwärtigen Klimaerwärmung zumindest noch lange Zeit nicht überschritten wird.

Nur an wenigen Stellen in Bayern stößt die Buche bereits heute an ihre Grenzen, so dass sie dort nicht die vorherrschende Baumart wäre. Die Bereiche, an denen die Buche ihre Trockengrenze erreicht (Abb. 2), werden sich vergrößern. Natürlicherweise finden sich in diesen Gebieten Eichen-Hainbuchen-Mischwälder. Die natürlichen Baumarten dieser Waldgesellschaft (Eichen, Hainbuchen und Edellaubbaumarten) sind hier auch forstlich interessant, wenngleich die Ertragsleistung dieser Wälder auf diesen Standorten niedrig ist und bei einer Klimaänderung noch weiter zurückgehen dürfte. Die natürliche Höhengrenze der Buche in den bayerischen Gebirgen wird sich weiter nach oben verlagern. Ebenso wird in der Zone des Bergmischwaldes (Buche, Tanne, Fichte) der natürliche Anteil der Fichte zurückgehen. In der forstlichen Praxis kann dieser Prozess auch aktiv gefördert werden.

Douglasie und Tanne: Ökonomische Alternativen zu Fichte und Kiefer

Aus ökonomischen Gründen werden auch künftig zu den Baumarten der natürlichen Waldgesellschaft Nadelbäume beigemischt werden. In der Vergangenheit waren dies vor allem Fichte und Kiefer.

Die Fichte wird auf den Risikostandorten im Wege der natürlichen Verjüngung auch in den Folgebeständen beteiligt sein. Die klimarobuste Kiefer ist zumindest auf einigen trockenen Standorten Teil der natürlichen Waldgesellschaft. Sie kommt gut mit der Klimaänderung zurecht, liefert jedoch nur relativ geringe Erträge.

Als ertragreiche Alternative zu Fichte und Kiefer kommt die Douglasie in Betracht. Bestimmte Herkünfte der Douglasie sind gut an warm-trockene Sommer angepasst. Mittlerweile gibt es in Deutschland umfangreiche Erfahrungen beim Anbau der Douglasie. Probleme treten jedoch häufig in der Jugendphase auf, da die Douglasie hier sehr trockenempfindlich ist. Als ökonomisch motivierte Beimischung zur Buche sollte die Douglasie stärker als bisher in die Überlegungen einbezogen werden.

Auf nicht zu trockenen Standorten kommt in bestimmten Regionen Bayerns auch die Tanne in Frage, die aufgrund ihres Wurzelsystems tiefer im Boden gelegene Wasservorräte erschließen kann. Die Tanne ist als einzige Nadelbaumart auch in tieferen Lagen Mischbaumart der natürlichen Buchenwaldgesellschaften. Unglücklicherweise hat die Tanne bei ihrer nacheiszeitlichen Rückwanderung Nordwestbayern (Spessart und Rhön) nicht mehr erreicht, so dass sie sich in diesen Gebieten als natürliche Mischbaumart nicht bewähren konnte.

Die europäische Lärche ist in Bayern nur im Hochgebirge Teil der natürlichen Waldgesellschaft. Im Tiefland ist ihr Anbau nur auf Standorten zu empfehlen, die nicht zu trocken sind. Sie ist eher an kontinentale Klimaverhältnisse angepasst. Aufgrund ihres hohen Lichtbedürfnisses sollte sie auch nur an exponierten Stellen angepflanzt werden. Im 19. Jahrhundert sind viele Lärchen-Anbauversuche im Tiefland schon im Stangenholzalter durch Befall des Lärchenkrebses gescheitert (Schober 1949).

Sofern es die Besitzgröße erlaubt, sollte demnach durch die Mischung unterschiedlicher Baumarten das Risiko gestreut werden, insbesondere wenn andere Arten als die der natürlichen Waldgesellschaft beteiligt werden.